[VII]
[2]
[3]
Ariel.
(Gesang von Aeolsharfen begleitet.)
Wenn der Blüthen Frühlings-Regen
Ueber Alle schwebend sinkt,
Allen Erdgebornen
blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet wo sie helfen kann,
Ob er heilig? ob er böse?
Die ihr dieß Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Besänftiget des Herzens
grimmen Strauß;
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
Vier sind die
Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt auf’s kühle Polster nieder,
Dann badet ihn im Thau aus Lethe’s Fluth;
Wenn er gestärkt dem Tag
entgegen ruht.
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.
Chor.
(Einzeln, zu zweyen und vielen, abwechselnd und gesammelt.)
Wenn sich lau die Lüfte füllen
Süße Düfte,
Nebelhüllen
Senkt die Dämmerung heran;
Lispelt leise süßen Frieden,
Wiegt das Herz in Kindesruh,
Schließt des Tages
Pforte zu.
Nacht ist schon hereingesunken,
Schließt sich heilig Stern an Stern;
Große Lichter, kleine Funken,
Glitzern hier im See
sich spiegelnd,
Glänzen droben klarer Nacht;
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.
Hingeschwunden
Schmerz und Glück;
Fühl’ es vor! Du wirst gesunden;
Traue neuem Tagesblick.
Thäler grünen, Hügel schwellen,
Und in schwanken
Silberwellen
Wogt die Saat der Ernte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen
Schaue nach dem Glanze dort!
Schlaf ist Schale,
wirf sie fort!
Säume nicht dich zu erdreisten
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
(Ungeheures Getöse
verkündet das Herannahen der Sonne.)
Ariel.
Horchet! horcht! dem Sturm der Horen,
Tönend wird für Geistes-Ohren
Schon der neue Tag geboren.
Felsenthore knarren rasselnd,
Welch Getöse bringt
das Licht!
Es trommetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet,
Unerhörtes hört sich nicht.
Tiefer tiefer, still
zu wohnen,
In die Felsen, unter’s Laub;
Trifft es euch so seyd ihr taub.
Faust.
Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
Du Erde warst auch diese
Nacht beständig,
Und athmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
In Dämmerschein liegt
schon die Welt erschlossen,
Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,
Thal aus, Thal ein ist Nebelstreif ergossen;
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
Dem duft’gen Abgrund wo
versenkt sie schliefen;
Auch Farb’ an Farbe klärt sich los vom Grunde,
Wo Blum’ und Blatt von Zitterperle triefen,
Ein Paradies wird um mich her die Runde.
Verkünden schon die feierlichste Stunde;
Sie dürfen früh des ewigen
Lichts genießen
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
Und stufenweis herab ist
es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet,
Kehr’ ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
Erfüllungspforten findet
flügeloffen;
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammen-Uebermaß, wir stehn betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
Ist’s Lieb? Ist’s Haß?
die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
So daß wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.
Der Wassersturz, das
Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend
Dann aber tausend Strömen sich ergießend,
Allein wie herrlich
diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig
kühle Schauer.
Ihm sinne nach und du
begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Kaiser.
Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh’ und Weite; –
Allein wo ist der Narr
geblieben?
Junker.
Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fett-Gewicht,
Sogleich mit wunderbarer
Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle;
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft daß jeder stutzt;
Kreuzweis die Hellebarden
vor –
Da ist er doch der kühne Thor!
Mephistopheles
(am Throne knieend).
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
Was hart gescholten und
verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
Kaiser.
Für dießmal spare deine Worte!
Hier sind die Räthsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. –
Da löse du! das hört’ ich gern.
Nimm seinen Platz und
komm an meine Seite.
Mephistopheles
Ein neuer Narr – Zu
neuer Pein –
Wo kommt er her – Wie kam er ein –
Der alte fiel – der hat verthan –
Kaiser.
Und also ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh’ und Ferne;
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne;
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
Wo wir der Sorgen uns
entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns rathschlagend quälen sollten?
Geschehen ist’s, so sey’s
gethan.
Canzler.
Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein,
Umgibt des Kaisers Haupt, nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben:
Was alle fordern,
wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm dem Volk' es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
In’s weite Reich, ihm
scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
Und eine Welt des
Irrthums sich entfaltet.
Der raubt sich Heerden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
Jetzt drängen Kläger sich
zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt, in grimmigem Schwalle
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
Der auf Mitschuldigste
sich stützt,
Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
Wie soll sich da der Sinn
entwickeln
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher;
Gesellt sich endlich zum
Verbrecher;
Ich malte schwarz, doch dichtern Flor
Zög ich dem Bilde lieber vor.
Geht selbst die Majestät
zu Raub.
Heermeister.
Wie tobt’s in diesen wilden Tagen!
Ein jeder schlägt und wird erschlagen,
Und für’s Commando bleibt man taub.
Der Ritter auf dem
Felsennest,
Verschwuren sich uns auszudauern
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Miethsoldat wird ungeduldig,
Und wären wir ihm nichts
mehr schuldig
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer was Alle wollten,
Der hat ins Wespennest gestört;
Es liegt geplündert und
verheert.
Man läßt ihr Toben, wüthend Hausen,
Schon ist die halbe Welt verthan;
Es sind noch Könige da draußen,
Schatzmeister.
Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Auch Herr, in deinen
weiten Staaten
Wohin man kommt da hält
ein Neuer Haus,
Und unabhängig will er leben;
Zusehen muß man wie er’s treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
Auch auf Parteyen, wie
sie heißen,
Ist heut zu Tage kein Verlaß;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb und Haß.
Verbergen sich um
auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu thun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
Und unsre Cassen bleiben
leer.
Marschalk.
Welch Unheil muß auch ich erfahren;
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr.
Den Köchen thut kein
Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhühner, Hühner, Gäns’ und Enten,
Jedoch am Ende fehlt’s an
Wein.
Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
Der besten Berg’ und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
Der Stadtrath muß sein
Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
Der schafft
Anticipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
Kaiser
(nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles).
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Noth?
Mephistopheles.
Ich keineswegs. Den Glanz umherzuschauen,
Dich und die deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut?
Wo guter Wille, kräftig
durch Verstand
Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Er lügt sich ein –
So lang’ es geht –
Ich weiß schon – was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Project –
Mephistopheles.
Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
Vom Estrich zwar ist es
nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
Begabten Mann's Natur-
und Geisteskraft.
Canzler.
Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deßhalb verbrennt man Atheisten
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
Sie hegen zwischen sich
den Zweifel,
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
Die Heiligen sind es und
die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Die Ketzer sind’s! die
Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen,
Dem Narren sind sie nah
verwandt.
Mephistopheles.
Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern;
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar;
Was ihr nicht wägt, hat
für euch kein Gewicht;
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht.
Kaiser.
Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
Es fehlt an Geld, nun
gut, so schaff’ es denn!
Mephistopheles.
Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer.
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
Bedenkt doch nur: in
jenen Schreckensläuften,
Sein Liebstes da- und
dortwohin versteckte;
Und so fortan bis
gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
Schatzmeister.
Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
Canzler.
Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen,
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
Marschalk.
Schafft er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
Ich wollte gern ein bißchen Unrecht haben.
Heermeister.
Fragt der Soldat doch
nicht woher es kommt.
Mephistopheles.
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen.
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund’ und Haus,
Gemurmel.
Zwey Schelme sind’s – Verstehn sich schon –
Narr und Phantast – So nah dem Thron –
Ein mattgesungen – alt Gedicht –
Astrolog
(spricht, Mephistopheles bläs’t ein).
Mercur der Bote dient um
Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angethan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft,
Und Jupiter bleibt doch
der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein,
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Werth gering, doch im Gewichte schwer.
Zum Silber Gold, dann ist
es heitre Welt;
Das Uebrige ist alles zu erlangen:
Paläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann,
Kaiser.
Ich höre doppelt was er spricht,
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
Gemurmel.
Was soll uns das – Gedroschner Spaß –
Calenderey – Chymisterey –
Da stehen sie umher und
staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund;
Der eine faselt von Alraunen,
Was soll es daß der eine
witzelt,
Ein andrer Zauberey verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt,
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
Nur gleich entschlossen
grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
Gemurmel.
Mir liegt’s im Fuß wie Bleigewicht –
Mir krampft’s im Arme – das ist Gicht –
Mir thut der ganze
Rücken weh –
Nach solchen Zeichen wäre hier
Das allerreichste Schatzrevier.
Kaiser.
Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
Und will mit eignen hohen
Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
Mephistopheles.
Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden –
Doch kann ich nicht genug verkünden
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer, der die Furche pflügt,
Salpeter hofft er von der
Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle,
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
Muß sich der
Schatzbewußte drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, allverwahrten Kellern,
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
Pokale stehen aus
Rubinen,
Und will er deren sich bedienen
Daneben liegt uraltes Naß.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
Der Weinstein schuf dem
Wein ein Faß.
Essenzen solcher edlen Weine,
Am Tag’ erkennen das sind
Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
Kaiser.
Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen.
Schwarz sind die Kühe, so
die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
Zieh’ deinen Pflug, und ack’re sie an’s Licht.
Mephistopheles.
Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
Und eine Heerde goldner
Kälber
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
Die Schönheit wie die
Majestät.
Kaiser.
Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
Astrolog (wie oben).
Herr, mäßige solch dringendes Begehren!
Laß erst vorbei das bunte Freudenspiel;
Das Untre durch das Obere
verdienen.
Wer Gutes will, der sey erst gut;
Wer Freude will, besänftige sein Blut;
Wer Wunder hofft, der
stärke seinen Glauben.
Kaiser.
So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feiern wir, auf jeden Fall,
(Trompeten. Exeunt.)
Mephistopheles.
Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fällt den Thoren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten
Der Herr, auf seinen
Römerzügen,
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
Gewonnen sich ein heitres
Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Solen
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging die Krone sich zu holen,
Nun sind wir alle
neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnelt ihn verrückten Thoren,
Ich sehe schon wie sie
sich schaaren,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
Mit ihren hunderttausend
Possen,
Die Welt ein einz’ger großer Thor.
Gärtnerinnen.
(Gesang begleitet von Mandolinen.)
Euren Beifall zu gewinnen
Schmückten wir uns diese Nacht,
Mancher heitern Blume
Zier;
Seidenfäden, Seidenflocken
Denn wir halten es verdienstlich,
Lobenswürdig ganz und gar;
Unsere Blumen, glänzend künstlich,
Blühen fort das ganze Jahr.
Ward symmetrisch Recht
gethan;
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,
Doch das Ganze zieht euch an.
Niedlich sind wir anzuschauen,
Denn das Naturell der
Frauen
Ist so nah mit Kunst verwandt.
Herold.
Laß die reichen Körbe sehen
Die ihr auf den Häupten traget,
Jeder wähle was behaget.
Eilig! daß in Laub und Gängen
Sich ein Garten offenbare,
Würdig sind sie zu umdrängen
Feilschet nun am heitern
Orte,
Doch kein Markten finde statt!
Und mit sinnig kurzem Worte
Wisse jeder was er hat.
Olivenzweig mit Früchten.
Allen Widerstreit
vermeid’ ich;
Mir ist’s gegen die Natur:
Bin ich doch das Mark der Lande,
Und, zum sichern Unterpfande,
Heute, hoff’ ich, soll
mir’s glücken
Würdig schönes Haupt zu schmücken.
Aehrenkranz (golden).
Ceres Gaben, euch zu putzen,
Werden hold und lieblich stehn:
Sey als eure Zierde
schön.
Phantasiekranz.
Bunte Blumen, Malven ähnlich,
Aus dem Moos ein Wunderflor!
Der Natur ist’s nicht gewöhnlich,
Phantasiestrauß.
Meinen Namen euch zu sagen
Aber mancher zu gefallen,
Wenn sie mich in’s Haar
verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte,
Mir am Herzen Platz vergönnte.
Ausfoderung.
Mögen bunte Phantasien
Wunder seltsam seyn
gestaltet
Wie Natur sich nie entfaltet;
Grüne Stiele, goldne Glocken
Blickt hervor aus reichen Locken! –
Rosenknospen
halten uns
versteckt,
Glücklich, wer uns frisch entdeckt.
Wenn der Sommer sich verkündet
Rosenknospe sich entzündet,
Wer mag solches Glück entbehren?
Das beherrscht, in
Florens Reich,
(Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.)
[27](Gesang begleitet von
Theorben.)
Blumen sehet ruhig sprießen,
Reizend euer Haupt umzieren,
Kostend mag man sie
genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung’ und Gaumen
Kommt! von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen;
Ueber Rosen läßt sich dichten,
In die Aepfel muß man beißen.
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waaren
Fülle nachbarlich empor.
Unter lustigen Gewinden,
Alles ist zugleich zu
finden:
(Unter Wechselgesang, begleitet von Guitarren und Theorben, fahren beide Chöre fort ihre Waaren stufenweis in die Höhe zu schmücken und auszubieten.)
[28]Mutter.
Mädchen als du kamst an’s Licht
Schmückt ich dich im Häubchen,
Und so zart am Leibchen.
Dachte dich sogleich als Braut,
Gleich dem Reichsten angetraut,
Dachte dich als Weibchen.
Ungenützt verflogen,
Der Sponsirer bunte Schaar
Schnell vorbei gezogen;
Tanztest mit dem Einen flink,
Mit dem Ellenbogen.
Welches Fest man auch ersann,
Ward umsonst begangen;
Pfänderspiel und dritter Mann
Heute sind die Narren
los,
Liebchen öffne deinen Schoos,
Bleibt wohl einer hangen.
(jung und schön gesellen sich hinzu, ein vertrauliches Geplauder wird laut).
[29](mit Netzen, Angel und Leimruthen, auch sonstigem Geräthe, treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder. Wechselseitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und festzuhalten geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit).
(treten ein ungestüm
und ungeschlacht).
Nur Platz! nur Blöße!
Wir fällen Bäume
Die krachend schlagen:
Und wenn wir tragen
Da gibt es Stöße.
Bringt dieß in's
Reine;
Denn wirkten Grobe
Nicht auch im Lande,
Wie kämen Feine
So sehr sie witzten?
Des seyd belehret;
Denn ihr erfröret
Wenn wir nicht schwitzten.
Pulcinelle
(täppisch, fast läppisch).
Die nie was trugen:
Denn unsre Kappen,
Sind leicht zu tragen;
Und mit Behagen
Wir immer müßig,
Pantoffelfüßig,
Einher zu laufen,
Gaffend zu stehen
Uns anzukrähen;
Auf solche Klänge
Aalgleich zu schlüpfen,
Gesammt zu hüpfen,
Vereint zu toben.
Ihr mögt uns loben,
Wir lassen’s gelten.
Parasiten
(schmeichelnd-lüstern).
Ihr wackern Träger
Und eure Schwäger
Die Kohlenbrenner,
Denn alles Bücken,
Das Doppelblasen,
Wie’s einer fühlet,
Was könnt’ es frommen?
Es möchte Feuer
Selbst ungeheuer
Gäb’ es nicht Scheite
Und Kohlentrachten,
Die Herdesbreite
Zur Gluth entfachten.
Da kocht’s und
strudelt’s.
Der wahre Schmecker,
Der Tellerlecker,
Er riecht den Braten,
Das regt zu Thaten
An Gönners Tische.
Trunkener (unbewußt).
Sey mir heute nichts zuwider!
Fühle mich so frank und frei;
Holt’ ich selbst sie doch
herbei.
Und so trink ich! Trinke, trinke!
Stoßet an ihr! Tinke, tinke!
Du dort hinten komm heran!
Rümpfte diesem bunten
Rock,
Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
Schalt mich einen Maskenstock.
Angeklungen! Tinke,
tinke!
Maskenstöcke stoßet an!
Wenn es klingt, so ist’s gethan.
Saget nicht daß ich verirrt bin,
Borgt der Wirth nicht,
borgt die Wirthin,
Und am Ende borgt die Magd.
Immer trink’ ich! Trinke, trinke!
Auf ihr Andern! Tinke, tinke!
Dünkt mich’s doch es sey
gethan.
Wie und wo ich mich vergnüge
Mag es immerhin geschehn;
Laßt mich liegen wo ich liege,
Chor.
Jeder Bruder trinke, trinke!
Toastet frisch ein Tinke, Tinke!
Sitzet fest auf Bank und Span,
(Kündigt verschiedene Poeten an, Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche so wie Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art läßt keiner den andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber).
Erst recht erfreuen
sollte?
Dürft ich singen und reden
(Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie so eben im interessantesten Gespräch mit einem frischerstandenen Vampyren begriffen seyen, woraus eine neue Dichtart sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muß es gelten lassen und ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.)
Aglaia.
Anmuth bringen wir ins Leben;
Hegemone.
Leget Anmuth in’s Empfangen,
Lieblich ist’s den Wunsch erlangen.
Euphrosyne.
Und in stiller Tage Schranken
Atropos.
Hat man dießmal
eingeladen;
Viel zu denken, viel zu sinnen
Gibt’s beim zarten Lebensfaden.
Daß er euch gelenk und weich sey
Daß er glatt und schlank
und gleich sey
Wird der kluge Finger schlichten.
Wolltet ihr bei Lust und Tänzen
Allzu üppig euch erweisen,
Hütet euch! er möchte
reißen!
Klotho.
Wißt! in diesen letzten Tagen
Ward die Scheere mir vertraut;
Denn man war von dem Betragen
Zerrt unnützeste Gespinnste
Lange sie an Licht und Luft,
Hoffnung herrlichster Gewinnste
Irrte mich schon
hundertmal;
Heute mich im Zaum zu halten
Scheere steckt im Futteral.
Und so bin ich gern gebunden,
Ihr in diesen freien
Stunden
Schwärmt nur immer fort und fort.
Lachesis.
Mir, die ich allein verständig,
Blieb das Ordnen zugetheilt;
Hat noch nie sich
übereilt.
Fäden kommen, Fäden weifen,
Jeden lenk’ ich seine Bahn,
Keinen laß ich überschweifen,
Könnt’ ich einmal mich vergessen
Wär’ es um die Welt mir bang;
Stunden zählen, Jahre messen,
Und der Weber nimmt den Strang.
Herold.
Wär’t ihr noch so gelehrt
in alten Schriften;
Sie anzusehn, die so viel Uebel stiften,
Laßt euch mit ihnen ein,
ihr sollt erfahren
Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.
Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage,
Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,
Bekennen sich als Stadt-
und Landesplage.
Alecto.
Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen,
Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen;
Hat einer unter euch ein Liebe-Schätzchen,
Bis wir ihm sagen dürfen, Aug’ in Auge:
Daß sie zugleich auch Dem und Jenem winke,
Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke,
Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.
Es hat sogar der Freund,
vor wenig Wochen,
Verächtliches von ihr zu Der gesprochen!
Versöhnt man sich so bleibt doch etwas hängen.
Megära.
Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden,
Das schönste Glück durch
Grille zu vergällen;
Der sich nicht nach
Erwünschterm thörig sehnte,
Die Sonne flieht er, will
den Frost erwarmen.
Mit diesem allen weiß ich zu gebahren,
Und führe her Asmodi, den getreuen,
Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,
Tisiphone.
Gift und Dolch, statt böser Zungen,
Misch’ ich, schärf’ ich dem Verräther;
Liebst du andre, früher, später
Hat Verderben dich durchdrungen.
Sich zu Gischt und
Galle wandeln!
Hier kein Markten, hier kein Handeln,
Wie er es beging’, er büßt es.
Singe keiner vom Vergeben!
Echo, horch!
erwiedert: Rache!
Und wer wechselt soll nicht leben.
Herold.
Belieb’ es euch zur Seite wegzuweichen,
Denn was jetzt kommt ist nicht von eures Gleichen.
Geheimnißvoll, doch zeig’
ich euch den Schlüssel.
Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,
Die andre drobenstehend
herrlich-hehr
Umgibt ein Glanz der blendet mich zu sehr.
Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,
Die eine bang, die andre froh zu schauen;
Verkünde jede wer sie
sey.
Furcht.
Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter,
Dämmern durch’s verworrne Fest,
Zwischen diese Truggesichter
Fort, ihr lächerlichen Lacher!
Euer Grinsen gibt Verdacht;
Alle meine Widersacher
Drängen mich in dieser Nacht.
Seine Maske kenn’
ich schon;
Jener wollte mich ermorden,
Nun entdeckt schleicht er davon.
Ach wie gern in jeder Richtung
Doch von drüben
droht Vernichtung,
Seyd gegrüßt, ihr lieben
Schwestern.
Habt ihr euch schon heut und gestern
Weiß ich doch gewiß von
allen
Morgen wollt ihr euch enthüllen.
Und wenn wir bei Fackelscheine
Uns nicht sonderlich behagen,
Ganz nach unserm eignen
Willen,
Bald gesellig, bald alleine
Frei durch schöne Fluren wandeln,
Nach Belieben ruhn und handeln
Nie entbehren, stets
erstreben.
Ueberall willkommne Gäste
Treten wir getrost hinein:
Sicherlich es muß das Beste
Klugheit.
Zwey der größten Menschenfeinde,
Furcht und Hoffnung, angekettet
Halt’ ich ab von der Gemeinde;
Platz gemacht! ihr seyd gerettet.
Führ’ ich, seht ihr,
thurmbeladen,
Und er wandelt unverdrossen
Breiten Flügeln, zum
Gewinne
Allerseits sich hinzuwenden.
Rings umgibt sie Glanz und Glorie
Leuchtend fern nach allen Seiten;
Göttin aller
Thätigkeiten.
Zoilo-Thersites.
Hu! Hu! da komm’ ich eben recht,
Ich schelt’ euch allzusammen schlecht!
Doch was ich mir zum Ziel ersah
Mit ihrem weißen
Flügelpaar,
Sie dünkt sich wohl sie sey ein Aar,
Und wo sie sich nur hingewandt
Gehör’ ihr alles Volk und Land;
Es mich sogleich in
Harnisch bringt.
Das Tiefe hoch, das Hohe tief,
Das Schiefe grad, das Grade schief,
Das ganz allein macht mich gesund,
Herold.
So treffe dich, du Lumpenhund,
Des frommen Stabes Meisterstreich!
– Doch Wunder! – Klumpen
wird zum Ey,
Das bläht sich auf und platzt entzwey;
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,
Die Otter und die Fledermaus;
Die andre schwarz zur
Decke fliegt;
Sie eilen draußen zum Verein,
Da möcht’ ich nicht der Dritte seyn.
Gemurmel.
Frisch! dahinten tanzt man schon –
Fühlst du, wie uns
das umflicht,
Das gespenstische Gezücht?
Saus’t es mir doch über’s Haar –
Ward ich’s doch am Fuß gewahr –
Alle doch in Furcht
gesetzt –
Ganz verdorben ist der Spaß –
Und die Bestien wollten das.
Herold.
Seit mir sind bei Maskeraden
Wach’ ich ernstlich an
der Pforte,
Daß euch hier am lustigen Orte
Nichts Verderbliches erschleiche;
Ziehen luftige
Gespenster,
Und von Spuk und Zaubereyen
Wüßt’ ich euch nicht zu befreien.
Machte sich der Zwerg verdächtig,
Die Bedeutung der
Gestalten
Möcht’ ich amtsgemäß entfalten.
Aber was nicht zu begreifen
Wüßt’ ich auch nicht zu erklären,
Seht ihr’s durch die
Menge schweifen?
Vierbespannt ein prächtiger Wagen
Wird durch alles durchgetragen;
Doch er theilet nicht die Menge,
Farbig glitzert’s in der
Ferne,
Irrend leuchten bunte Sterne,
Wie von magischer Laterne,
Schnaubt’s heran mit Sturmgewalt.
Knabe (Wagenlenker).
Halt!
Rosse hemmet eure Flügel,
Fühlet den gewohnten Zügel,
Meistert euch wie ich euch meistre,
Rauschet hin wenn ich begeistre –
Herold auf! nach deiner
Weise,
Ehe wir von euch entfliehen,
Denn wir sind Allegorien
Und so solltest du uns kennen.
Herold.
Wüßte nicht dich zu benennen,
Eher könnt’ ich dich beschreiben.
Knabe Lenker.
Herold.
Man muß gestehn:
Erstlich bist du jung und schön.
Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen
Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.
Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer,
Knabe Lenker.
Das läßt sich hören! fahre fort,
Erfinde dir des Räthsels heitres Wort.
Herold.
Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken
Erheitert von juwelnem Band!
Fließt dir von Schultern
zu den Socken,
Man könnte dich ein
Mädchen schelten;
Doch würdest du, zu Wohl und Weh,
Sie lehrten dich das A.
B. C.
Knabe Lenker.
Und dieser, der als Prachtgebilde
Hier auf dem Wagenthrone prangt?
Herold.
Er scheint ein König, reich und milde,
Er hat nichts weiter zu
erstreben;
Wo’s irgend fehlte späht sein Blick,
Und seine reine Lust zu geben
Ist größer als Besitz und Glück.
Knabe Lenker.
Du mußt ihn recht genau
beschreiben.
Herold.
Das Würdige beschreibt sich nicht.
Doch das gesunde Mondgesicht,
Ein voller Mund, erblühte Wangen,
Im Faltenkleid ein reich
Behagen!
Was soll ich von dem Anstand sagen?
Als Herrscher scheint er mir bekannt.
Knabe Lenker.
Plutus, des Reichthums Gott genannt;
Herold.
Sag’ von dir selber auch das Was und Wie?
Knabe Lenker.
Bin die Verschwendung, bin die Poesie;
Bin der Poet, der sich vollendet
Auch ich bin unermeßlich
reich
Und schätze mich dem Plutus gleich.
Beleb’ und schmück’ ihm Tanz und Schmaus,
Das was ihm fehlt das theil’ ich aus.
Herold.
Doch laß uns deine Künste
sehn.
Knabe Lenker.
Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,
Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.
Da springt eine Perlenschnur hervor.
(Immerfort umherschnippend.)
Auch Kamm und Krönchen
ohne Fehl;
In Ringen köstlichstes Juwel;
Auch Flämmchen spend’ ich dann und wann,
Erwartend wo es zünden kann.
Herold.
Und alles hascht im
weiten Raum.
Doch da erleb’ ich neue Pfiffe:
Deß hat er wirklich
schlechten Lohn,
Die Gabe flattert ihm davon.
Es lös’t sich auf das Perlenband,
Ihm krabbeln Käfer in der Hand,
Und sie umsummen ihm den
Kopf.
Die andern, statt solider Dinge,
Erhaschen frevle Schmetterlinge.
Wie doch der Schelm so viel verheißt,
Knabe Lenker.
Zwar Masken, merk’ ich, weißt du zu verkünden,
Allein der Schale Wesen zu ergründen
Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;
Das fordert schärferes Gesicht.
An dich, Gebieter, wend’
ich Frag’ und Rede.
(Zu Plutus gewendet.)
Hast du mir nicht die Windesbraut
Des Viergespannes anvertraut?
Lenk’ ich nicht glücklich wie du leitest?
Und wußt’ ich nicht auf
kühnen Schwingen
Mir ist es jederzeit
geglückt;
Hab’ ich ihn nicht mit
Sinn und Hand geflochten?
Plutus.
Wenn’s nöthig ist daß ich dir Zeugniß leiste,
So sag’ ich gern: bist Geist von meinem Geiste.
Du handelst stets nach meinem Sinn,
Ich schätze, deinen
Dienst zu lohnen,
Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen.
Ein wahres Wort verkünd’ ich allen:
Mein lieber Sohn an dir hab’ ich Gefallen.
Knabe Lenker (zur Menge).
Seht! hab’ ich rings
umher gesandt;
Auf dem und jenem Kopfe glüht
Ein Flämmchen das ich angesprüht,
Von einem zu dem andern hüpft’s,
Gar selten aber flammt’s
empor
Und leuchtet rasch in kurzem Flor;
Doch vielen, eh’ man’s noch erkannt,
Verlischt es, traurig ausgebrannt.
Weiber-Geklatsch.
Das ist gewiß ein
Charlatan;
Gekauzt da hintendrauf Hanswurst,
Der Abgemagerte.
Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
Ich weiß dir komm’ ich niemals recht. –
Wie noch die Frau den Herd versah,
Da hieß ich Avaritia;
Nur viel herein, und
nichts hinaus!
Ich eiferte für Kist’ und Schrein;
Das sollte wohl gar ein Laster seyn!
Doch als in allerneusten Jahren
Und, wie ein jeder böser
Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Thaler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht da sind Schulden;
An ihren Leib, an ihren
Buhlen;
Auch speis’t sie besser, trinkt noch mehr
Mit der Sponsirer leidigem Heer;
Das steigert mir des Goldes Reiz:
Hauptweib.
Mit Drachen mag der Drache geizen,
Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
Er kommt die Männer aufzureizen,
Was will das
Marterholz uns dräu’n?
Wir sollen seine Fratze scheun!
Die Drachen sind von Holz und Pappe,
Frisch an und dringt auf ihn hinein!
Herold.
Doch braucht es meiner
Hülfe kaum;
Seht wie die grimmen Ungestalten,
Bewegt im rasch gewonnenen Raum,
Das Doppel-Flügelpaar entfalten!
Umschuppte, feuerspeiende
Rachen;
Die Menge flieht, rein ist der Platz.
Plutus steigt vom Wagen.
Herold.
Er tritt herab, wie königlich!
Er winkt, die Drachen rühren sich;
Mit Gold und Geiz
herangetragen,
Sie steht zu seinen Füßen da:
Ein Wunder ist es wie’s geschah.
Plutus (zum Lenker).
Nun bist du los der allzulästigen Schwere,
Hier ist sie nicht!
Verworren, schäckig, wild
Dir angehörst und dir
allein vertraust,
Zur Einsamkeit! – Da
schaffe deine Welt.
Knabe Lenker.
So acht’ ich mich als werthen Abgesandten,
So lieb’ ich dich als nächsten Anverwandten.
Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin
Auch schwankt er oft im
widersinnigen Leben:
Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben?
Die Deinen freilich können müßig ruhn,
Doch wer mir folgt hat immer was zu thun.
Ich athme nur und schon
bin ich verrathen.
So lebe wohl! Du gönnst mir ja mein Glück;
Doch lisple leis’ und gleich bin ich zurück.
(Ab wie er kam.)
Plutus.
Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln!
Es thut sich auf! schaut
her! in ehrnen Kesseln
Entwickelt sich’s und wallt von goldnem Blute;
Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;
Es schwillt und droht ihn schmelzend zu verschlingen.
Wechselgeschrei der Menge.
Gemünzte Rollen
wälzen sich, –
Ducaten hüpfen wie geprägt,
Wie schau’ ich alle
mein Begehr!
Da kollern sie am Boden her. –
Man bietet’s euch, benutzt’s nur gleich,
Und bückt euch nur und werdet reich. –
Wir nehmen den
Koffer in Besitz.
Herold.
Was soll’s, ihr Thoren? soll mir das?
Es ist ja nur ein Maskenspaß.
Heut Abend wird nicht mehr begehrt;
Sind doch für euch in
diesem Spiel
Selbst Rechenpfennige zu viel.
Ihr Täppischen! ein artiger Schein
Soll gleich die plumpe Wahrheit seyn.
Packt ihr an allen
Zipfeln an. –
Vermummter Plutus, Maskenheld,
Schlag’ dieses Volk mir aus dem Feld.
Plutus.
Dein Stab ist wohl dazu bereit,
Ich tauch’ ihn rasch in
Sud und Gluth. –
Der Stab schon ist er
angeglüht.
Ist unbarmherzig gleich
versengt –
Jetzt fang’ ich meinen Umgang an.
Geschrei und Gedräng.
O weh! Es ist um uns gethan. –
Entfliehe wer entfliehen kann! –
Mir sprüht es heiß
in’s Angesicht. –
Mich drückt des glühenden Stabs Gewicht –
Verloren sind wir all und all. –
Zurück, zurück zu Maskenschwall!
O! hätt’ ich Flügel
flög’ ich auf. –
Plutus.
Schon ist der Kreis zurückgedrängt
Und niemand glaub’ ich ist versengt.
Die Menge weicht,
Doch solcher Ordnung
Unterpfand
Zieh’ ich ein unsichtbares Band.
Herold.
Du hast ein herrlich Werk vollbracht,
Wie dank’ ich deiner klugen Macht!
Plutus.
So kann man doch, wenn es
beliebt,
Vergnüglich diesen Kreis beschauen;
Denn immerfort sind vornen an die Frauen
Noch bin ich nicht so
völlig eingerostet!
Ein schönes Weib ist immer schön;
Und heute, weil es mich nichts kostet,
So wollen wir getrost sponsiren gehn.
Nicht jedem Ohr
vernehmlich alle Worte,
Versuch’ ich klug und hoff’ es soll mir glücken,
Mich pantomimisch deutlich auszudrücken.
Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin,
Wie feuchten Thon will
ich das Gold behandeln,
Denn dieß Metall läßt sich in alles wandeln.
Herold.
Was fängt der an der magre Thor!
Hat so ein Hungermann Humor?
Ihm wird es untern Händen
weich;
Wie er es drückt und wie es ballt
Bleibt’s immer doch nur ungestalt.
Er wendet sich zu den Weibern dort,
Gebärden sich gar
widerwärtig;
Wenn er die Sittlichkeit
verletzt.
Gib meinen Stab ihn zu
vertreiben.
Plutus.
Er ahnet nicht was uns von außen droht;
Laß ihn die Narrentheidung treiben,
Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben;
Getümmel und Gesang.
Das wilde Heer es kommt zumal
Von Bergeshöh’ und Waldes Thal,
Unwiderstehlich schreitet’s an:
Sie feiern ihren großen Pan.
Und drängen in den
leeren Kreis.
Plutus.
Ich kenn’ euch wohl und euren großen Pan!
Zusammen habt ihr kühnen Schritt gethan.
Ich weiß recht gut was nicht ein jeder weiß,
Mag sie ein gut Geschick
begleiten!
Das wunderlichste kann geschehn;
Sie wissen nicht wohin sie schreiten,
Sie haben sich nicht vorgesehn.
Wildgesang.
Sie treten derb und
tüchtig auf.
Faunen.
Die Faunenschaar
Den Eichenkranz
Im krausen Haar,
Ein feines zugespitztes Ohr
Dringt an dem Lockenkopf hervor,
Das schadet alles bei
Frauen nicht.
Dem Faun, wenn er die Patsche reicht,
Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht.
Satyr.
Der Satyr hüpft nun hinterdrein
Ihm sollen sie mager und
sehnig seyn.
Und gemsenartig auf Bergeshöhn
Belustigt er sich umherzusehn.
In Freiheitsluft erquickt alsdann
Die tief, in Thales Dampf
und Rauch,
Behaglich meinen sie lebten auch,
Da ihm doch, rein und ungestört,
Die Welt dort oben allein gehört.
Gnomen.
Bewegt sich’s
durcheinander schnell,
Wo jedes für sich selber schafft,
Und wuselt emsig hin und
her,
Beschäftigt in die Kreuz und Quer.
Den frommen Gütchen nah verwandt,
Als Felschirurgen wohl bekannt;
Aus vollen Adern schöpfen
wir;
Metalle stürzen wir zu Hauf
Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf!
Das ist von Grund aus wohl gemeint,
Doch bringen wir das Gold
zu Tag
Damit man stehlen und kuppeln mag;
Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann
Der allgemeinen Mord ersann.
Sich auch nichts aus den
andern macht.
Das alles ist nicht unsre Schuld,
Drum habt sofort wie wir Geduld.
Riesen.
Die wilden Männer sind’s genannt,
Natürlich nackt in alter
Kraft,
Und um den Leib ein
wulstig Band;
Leibwache wie der Papst
nicht hat.
Nymphen im Chor.
(Sie umschließen den großen Pan.)
Auch kommt er an!
Das All der Welt
Wird vorgestellt
Ihr Heitersten umgebet
ihn,
Im Gaukeltanz umschwebet ihn;
Denn weil er ernst und gut dabei,
So will er daß man fröhlich sey.
Verhielt er sich
beständig wach;
Doch rieseln ihm die Bäche zu,
Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh.
Und wenn er zu Mittage schläft
Gesunder Pflanzen
Balsamduft
Erfüllt die schweigsam stille Luft;
Die Nymphe darf nicht munter seyn
Und wo sie stand da schläft sie ein.
Dann aber seine Stimm’
erschallt,
Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,
So Ehre dem, dem Ehre
gebührt!
Und Heil ihm der uns hergeführt!
Deputation der Gnomen.
(An den großen Pan.)
Wenn das glänzend reiche Gute
Fadenweis durch Klüfte streicht,
Seine Labyrinthe
zeigt,
Wölben wir in dunklen Grüften
Troglodytisch unser Haus,
Und an reinen Tageslüften
Nun entdecken wir hieneben
Eine Quelle wunderbar,
Die bequem verspricht zu geben
Was kaum zu erreichen war.
Nimm es Herr in
deine Hut!
Jeder Schatz in deinen Händen
Kommt der ganzen Welt zu gut.
Plutus zum Herold.
Wir müssen uns im hohen Sinne fassen
Nun wird sich gleich ein
Gräulichstes eräugnen:
Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt läugnen:
Du schreib’ es treulich in dein Protokoll.
Herold
(den Stab anfassend, welchen Plutus in der Hand behält).
Zur Feuerquelle sacht
heran;
Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,
Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,
Und finster steht der offne Mund;
Der große Pan steht
wohlgemuth,
Freut sich des wundersamen Dings,
Und Perlenschaum sprüht rechts und links.
Wie mag er solchen Wesen traun?
Nun aber fällt sein Bart
hinein! –
Wer mag das glatte Kinn wohl seyn?
Die Hand verbirgt es unserm Blick. –
Nun folgt ein großes Ungeschick,
Entzündet Kranz und Haupt
und Brust,
Zu Leiden wandelt sich die Lust. –
Zu löschen läuft die Schaar herbei,
Doch keiner bleibt von Flammen frei,
Ein ganzer Maskenklump
verbrennt.
Was aber hör’ ich wird uns kund
O ew[i]g unglückselige
Nacht
Was hast du uns für Leid gebracht!
Verkünden wird der nächste Tag
Was niemand willig hören mag;
„Der Kaiser“,
leidet solche Pein.
O wäre doch ein andres wahr!
Der Kaiser brennt und seine Schaar.
Sie sey verflucht die ihn verführt,
Zu toben her mit
Brüll-Gesang
Zu allerseitigem Untergang.
O Jugend, Jugend wirst du nie
Der Freude reines Maß bezirken?
Vernünftig wie allmächtig
wirken?
Schon geht der Wald in Flammen auf,
Sie züngeln leckend spitz hinauf,
Zum holzverschränkten Deckenband,
Des Jammers Maß ist
übervoll,
Ich weiß nicht wer uns retten soll.
Ein Aschenhaufen einer Nacht
Hülfe sey nun
eingeleitet! –
Schlage heiligen Stabs Gewalt,
Daß der Boden bebt und schallt!
Du geräumig weite Luft
Zieht heran,
umherzuschweifen,
Nebeldünste, schwangre Streifen,
Deckt ein flammendes Gewühl;
Rieselt, säuselt, Wölkchen kräuselt,
Löschend überall
bekämpfet,
Ihr, die lindernden, die feuchten,
Wandelt in ein Wetterleuchten
Solcher eitlen Flamme Spiel. –
Der Kaiser, dessen Hofstaat, Männer und Frauen, Faust, Mephistopheles (anständig, nicht auffallend,nach Sitte gekleidet; beide knien).
(zum Aufstehen
winkend).
Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. –
Auf einmal sah ich mich in glühender Sphäre,
Aus Nacht und Kohlen lag
ein Felsengrund,
Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund
Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen,
Und flackerten in Ein Gewölb zusammen.
Der immer ward und immer
sich verlor.
Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen
Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,
Sie drängten sich im weiten Kreis heran,
Von meinem Hof erkannt’
ich ein und andern,
Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.
Mephistopheles.
Das bist du Herr! Weil jedes Element
Die Majestät als unbedingt erkennt.
Wirf dich in’s Meer wo es
am wildsten tobt,
Und kaum betrittst du perlenreichen Grund,
So bildet wallend sich ein herrlich Rund;
Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen,
Um dich, den Mittelpunkt.
Bei jedem Schritt
Pfeilschnellen Wimmlens,
Hin- und Wiederstrebens.
Sie schießen an, und
keines darf herein.
Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,
Der Haifisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.
Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,
Doch bleibst du nicht vom
Lieblichsten geschieden,
Es nahen sich neugierige Nereiden
Der prächtigen Wohnung in der ewigen Frische,
Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,
Dem zweyten Peleus reicht
sie Hand und Mund. –
Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier! –
Kaiser.
Die luftigen Räume die erlaß ich dir;
Noch früh genug besteigt man jenen Thron.
Mephistopheles.
Kaiser.
Welch gut Geschick hat dich hierher gebracht?
Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht.
Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
Versichr’ ich dich der höchsten aller Gnaden.
Durchlauchtigster, ich
dacht’ in meinem Leben
Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
Als diese, die mich hoch beglückt,
Rechnung für Rechnung ist
berichtigt,
Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
Los bin ich solcher Höllenpein;
Im Himmel kann’s nicht heitrer seyn.
Heermeister (folgt eilig).
Das ganze Heer auf’s neu
verpflichtet,
Der Lanzknecht fühlt sich frisches Blut,
Und Wirth und Dirnen haben’s gut.
Kaiser.
Wie athmet eure Brust erweitert!
Wie eilig tretet ihr
heran!
Schatzmeister
(der sich einfindet).
Befrage diese die das Werk gethan.
Faust.
Dem Canzler ziemt’s die Sache vorzutragen.
Canzler
(der langsam herankommt).
Das alles Weh in Wohl
verwandelt hat.
(Er lies't.)
„Zu wissen sey es jedem der’s begehrt:
Der Zettel hier ist tausend Kronen werth.
Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand,
Nun ist gesorgt, damit
der reiche Schatz,
Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“
Kaiser.
Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
Schatzmeister.
Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
Erst heute Nacht. Du standst als großer Pan,
Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
„Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
Du zogst sie rein, dann
ward’s in dieser Nacht
Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
Damit die Wohlthat allen gleich gedeihe,
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Ihr denkt euch nicht wie
wohl’s dem Volke that.
Seht eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt,
Das Alphabet ist nun erst
überzählig,
In diesem Zeichen wird nun jeder selig.
Kaiser.
Und meinen Leuten gilt’s für gutes Gold?
Dem Heer, dem Hofe gnügt’s zu vollem Sold?
Marschalk.
Unmöglich wär’s die Flüchtigen einzufassen;
Mit Blitzeswink zerstreute sich’s im Lauf.
Die Wechsler-Bänke stehen sperrig auf,
Man honorirt daselbst ein jedes Blatt
Nun geht’s von da zum
Fleischer, Bäcker, Schenken;
Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
Dort kocht’s und brät’s
und klappert’s mit den Tellern.
Mephistopheles.
Wer die Terrassen einsam abspaziert,
Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert,
Ein Aug’ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
Und hurtiger als durch
Witz und Redekunst
Ein Blättchen ist im
Busen leicht zu tragen,
Der Priester trägt’s
andächtig im Brevier,
Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine
Faust.
Das Uebermaß der Schätze, das, erstarrt,
In deinen Landen tief im Boden harrt,
Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke;
Sie strengt sich an und
thut sich nie genug;
Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen,
Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen.
Mephistopheles.
Ein solch Papier, an Gold und Perlen Statt,
Man braucht nicht erst zu
markten noch zu tauschen,
Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen.
Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
Und das Papier, sogleich
amortisirt,
Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt.
Kaiser.
Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich,
Wo möglich sey der Lohn dem Dienste gleich.
Vertraut sey euch des Reiches innrer Boden,
Ihr seyd der Schätze würdigste Custoden.
Und wenn man gräbt, so
sey’s auf euer Wort.
Vereint euch nun ihr Meister unsres Schatzes,
Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes,
Wo mit der obern sich die Unterwelt,
Schatzmeister.
Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich regen,
Ich liebe mir den Zaubrer zum Collegen.
(Ab mit Faust.)
Kaiser.
Beschenk’ ich nun bei Hofe Mann für Mann,
Gesteh’ er mir wozu er’s brauchen kann.
Page (empfangend).
Ein Andrer (gleichfalls).
Ich schaffe gleich dem Liebchen Kett’ und Ringe.
Kämmerer (annehmend).
Von nun an trink’ ich doppelt bess’re Flasche.
Ein Andrer (gleichfalls).
Mein Schloß und Feld ich
mach’ es schuldenfrei.
Ein Andrer (gleichfalls).
Kaiser.
Ich hoffte Lust und Muth zu neuen Thaten;
Doch wer euch kennt, der wird euch leicht errathen.
Ich merk’ es wohl, bei aller Schätze Flor
Wie ihr gewesen bleibt ihr nach wie vor.
Narr (herbeikommend).
Kaiser.
Und lebst du wieder? du vertrinkst sie schon.
Narr.
Die Zauber-Blätter! ich versteh’s nicht recht.
Kaiser.
Das glaub’ ich wohl, denn du gebrauchst sie schlecht.
Narr.
Da fallen andre, weiß nicht was ich thu’.
Kaiser.
(Ab.)
Narr.
Fünf tausend Kronen wären mir zu Handen!
Mephistopheles.
Geschieht mir oft, doch
nicht so gut als jetzt.
Mephistopheles.
Du freust dich so, daß dich’s in Schweiß versetzt.
Narr.
Mephistopheles.
Du hast dafür was Schlund und Bauch begehrt.
Narr.
Und kaufen kann ich Acker, Haus und Vieh?
Mephistopheles.
Versteht sich! biete nur, das fehlt dir nie.
Narr.
Und Schloß, mit Wald und Jagd und Fischbach?
Mephistopheles.
Traun!
Narr.
Heut Abend wieg’ ich mich im Grundbesitz! –
(Ab.)
Mephistopheles (solus).
Was ziehst du mich in
diese düstern Gänge?
Ist nicht da drinnen Lust genug,
Gelegenheit zu Spaß und
Trug?
Faust.
Sag’ mir das nicht, du hast’s in alten Tagen
Längst an den Sohlen abgetragen;
Doch jetzt, dein Hin- und Wiedergehn
Ich aber bin gequält zu
thun,
Der Marschalk und der Kämm’rer treibt mich nun.
Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,
Will Helena und Paris vor sich sehn;
In deutlichen Gestalten
will er schauen.
Geschwind an’s Werk! ich darf mein Wort nicht brechen
Mephistopheles.
Unsinnig war’s leichtsinnig zu versprechen.
Faust.
Du hast, Geselle, nicht bedacht
Erst haben wir ihn reich
gemacht,
Du wähnst es füge sich
sogleich;
Hier stehen wir vor steilern Stufen,
Machst frevelhaft am Ende
neue Schulden,
Denkst Helenen so leicht hervorzurufen
Wie das Papiergespenst der Gulden. –
Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinnsten,
Doch Teufels-Liebchen,
wenn auch nicht zu schelten,
Sie können nicht für Heroinen gelten.
Faust.
Da haben wir den alten Leyerton!
Bei dir geräth man stets in’s Ungewisse.
Für jedes Mittel willst
du neuen Lohn.
Mit wenig Murmeln, weiß ich, ist’s gethan,
Wie man sich umschaut bringst du sie zur Stelle.
Mephistopheles.
Das Heidenvolk geht mich nichts an,
Doch gibt’s ein Mittel.
Faust.
Sprich, und ohne
Säumniß!
Mephistopheles.
Um sie kein Ort, noch
weniger eine Zeit;
Die Mütter sind
es!
Faust (aufgeschreckt).
Mütter!
Mephistopheles.
Schaudert’s
dich?
Faust.
Die Mütter! Mütter! – ’s klingt so wunderlich!
Mephistopheles.
Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
Nach ihrer Wohnung magst in’s Tiefste schürfen;
Faust.
Wohin der Weg?
Mephistopheles.
Kein Weg! In’s
Unbetretene,
Nicht zu Betretende; ein Weg an’s Unerbetene
Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? –
Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
Du spartest dächt’ ich
solche Sprüche,
Hier wittert’s nach der Hexenküche,
Nach einer längst vergangnen Zeit.
Das Leere lernen, Leeres
lehren? –
Sprach ich vernünftig, wie ich’s angeschaut,
Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;
Mußt’ ich sogar vor widerwärtigen Streichen
Und, um nicht ganz
versäumt, allein zu leben,
Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.
Mephistopheles.
Und hättest du den Ocean durchschwommen,
Das Gränzenlose dort geschaut,
Selbst wenn es dir vor’m
Untergange graut.
Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
Gestillter Meere streichende Delphine;
Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne;
Den Schritt nicht hören
den du thust,
Nichts Festes finden wo du ruhst.
Faust.
Du sprichst als erster aller Mystagogen,
Die treue Neophyten je betrogen;
Dir die Kastanien aus den
Gluthen kratze.
Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
Mephistopheles.
Ich rühme dich eh’ du dich von mir trennst,
Und sehe wohl, daß du den Teufel kennst;
Hier diesen Schlüssel nimm.
Faust.
Das kleine Ding!
Mephistopheles.
Erst faß ihn an und schätz’ ihn nicht gering.
Faust.
Mephistopheles.
Merkst du nun bald was man an ihm besitzt!
Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,
Folg’ ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.
Faust (schaudernd).
Den Müttern! Trifft’s mich immer wie ein Schlag!
Mephistopheles.
Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?
Willst du nur hören, was du schon gehört?
Dich störe nichts, wie es auch weiter klinge,
Das Schaudern ist der
Menschheit bestes Theil;
Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
Mephistopheles.
Versinke denn! Ich könnt’ auch sagen: steige!
In der Gebilde
losgebundne Räume;
Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen;
Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe.
Faust (begeistert).
Die Brust erweitert, hin
zum großen Werke.
Mephistopheles.
Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund
Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund.
Bei seinem Schein wirst du die Mütter sehn;
Wie’s eben kommt.
Gestaltung, Umgestaltung,
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.
Umschwebt von Bildern aller Creatur;
Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
Und gehe grad’ auf jenen
Dreyfuß los,
(macht eine
entschieden gebietende Attitude mit dem Schlüssel).
Mephistopheles
(ihn betrachtend).
So ist’s recht!
Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht;
Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,
Und hast du ihn einmal
hierher gebracht,
So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,
Der erste der sich jener That erdreistet;
Sie ist gethan und du hast es geleistet,
Der Weihrauchsnebel sich
in Götter wandeln.
Faust.
Und nun was jetzt?
Mephistopheles.
Dein Wesen strebe
nieder;
Versinke stampfend, stampfend steigst du wieder.
Faust
(stampft und versinkt).
Mephistopheles.
Wenn ihm der Schlüssel nur zum besten frommt!
(zu Mephistopheles).
Ihr seyd uns noch die Geisterscene schuldig;
Macht euch daran! der Herr ist ungeduldig.
Marschall.
So eben fragt der Gnädigste darnach;
Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach.
Mephistopheles.
Er weiß schon wie es
anzufangen,
Und laborirt verschlossen still;
Muß ganz besonders sich befleißen,
Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will,
Marschall.
Was ihr für Künste braucht ist einerlei,
Der Kaiser will daß alles fertig sey.
Blondine
(zu Mephistopheles).
Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,
Jedoch so ist’s im leidigen Sommer nicht!
Die zum Verdruß die weiße
Haut bedecken.
Schade! so ein leuchtend
Schätzchen,
Im Mai getupft wie eure Pantherkätzchen.
Im vollsten Mondlicht
sorglich distillirt;
Und, wenn er abnimmt, reinlich aufgestrichen,
Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.
Braune.
Die Menge drängt heran euch zu umschranzen.
Verhindert mich am
Wandeln wie am Tanzen,
Selbst ungeschickt beweg’ ich mich zum Gruß.
Mephistopheles.
Erlaubet einen Tritt von meinem Fuß.
Braune.
Nun das geschieht wohl unter Liebesleuten.
Mephistopheles.
Zu Gleichem Gleiches, was
auch einer litt;
Fuß heilet Fuß so ist’s mit allen Gliedern.
Heran! Gebt Acht! Ihr sollt es nicht erwiedern.
Braune (schreiend).
Weh! Weh! das brennt! das war ein harter Tritt,
Mephistopheles.
Die Heilung nehmt
ihr mit.
Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben
(herandringend).
Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen,
Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen;
Er schwatzt mit ihr und
wendet mir den Rücken.
Mephistopheles.
Bedenklich ist es, aber höre mich.
An ihn heran mußt du dich leise drücken;
Nimm diese Kohle, streich’ ihm einen Strich
Er fühlt im Herzen holden
Reuestich.
Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,
Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;
Er seufzt vor deiner Thür’ noch heute Nacht.
Dame.
Mephistopheles
(entrüstet).
Respect wo sich’s
gebührt!
Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen;
Sie kommt von einem Scheiterhaufen
Den wir sonst emsiger angeschürt.
Page.
Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.
Mephistopheles
(bei Seite).
Müßt euer Glück nicht auf
die jüngste setzen.
Die Angejahrten wissen euch zu schätzen. –
(Andere drängen sich herzu.)
Schon wieder Neue! welch ein harter Strauß!
Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;
O Mütter, Mütter! laßt
nur Fausten los!
(Umherschauend.)
Die Lichter brennen trübe schon im Saal,
Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.
Anständig seh’ ich sie in Folge ziehn,
Nun! sie versammeln sich
im weiten Raum
Des alten Rittersaals, er faßt sie kaum.
Auf breite Wände Teppiche spendirt,
Mit Rüstung Eck und Nischen ausgeziert.
Mein alt Geschäft, das
Schauspiel anzukünden,
Verkümmert mir der Geister heimlich Walten;
Vergebens wagt man aus verständigen Gründen
Die Sessel sind, die
Stühle schon zur Hand;
Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;
Auf den Tapeten mag er da die Schlachten
Der großen Zeit bequemlich sich betrachten.
Die Bänke drängen sich im
Hintergrunde;
Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden,
Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.
Und so, da alle schicklich Platz genommen,
(Posaunen.)
Astrolog.
Beginne gleich das Drama seinen Lauf,
Der Herr befiehlt’s, ihr Wände thut euch auf!
Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand,
Die Teppiche schwinden, wie gerollt vom Brand;
Ein tief Theater scheint
sich aufzustellen,
Geheimnißvoll ein Schein uns zu erhellen,
(aus dem Soufleurloche
auftauchend).
Von hier aus hoff’ ich allgemeine Gunst,
(Zum Astrologen.)
Du kennst den Tact in dem die Sterne gehn,
Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.
Astrolog.
Durch Wunderkraft erscheint allhier zur Schau
Massiv genug, ein alter Tempelbau.
Stehn, reihenweis, der
Säulen hier genug;
Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,
Da zweye schon ein groß Gebäude trügen.
Architekt.
Das wär’ antik! ich wüßt’ es nicht zu preisen,
Roh nennt man edel,
unbehülflich groß.
Schmal-Pfeiler lieb’ ich, strebend, gränzenlos;
Spitzbögiger Zenith erhebt den Geist;
Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.
Astrolog.
Durch magisch Wort sey
die Vernunft gebunden;
Dagegen weit heran bewege frei
Sich herrliche verwegne Phantasey.
Mit Augen schaut nun was ihr kühn begehrt,
(steigt auf der andern
Seite des Prosceniums herauf).
Astrolog.
Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,
Der nun vollbringt was er getrost begann.
Ein Dreyfuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,
Schon ahn’ ich aus der Schale Weihrauchduft.
Es kann fortan nur
glückliches begegnen.
Faust (großartig).
In eurem Namen, Mütter, die ihr thront
Im Gränzenlosen, ewig einsam wohnt,
Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben
Was einmal war, in allem
Glanz und Schein,
Es regt sich dort; denn es will ewig seyn.
Und ihr vertheilt es, allgewaltige Mächte,
Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
Die andern sucht der
kühne Magier auf;
In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen
Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.
Astrolog.
Der glühnde Schlüssel rührt die Schale kaum,
Er schleicht sich ein, er
wogt nach Wolkenart,
So wie sie wandeln machen
sie Musik.
Indem sie ziehn wird
alles Melodie.
Der Säulenschaft, auch die Triglyphe klingt,
Ich glaube gar der ganze Tempel singt.
Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor
Hier schweigt mein Amt,
ich brauch’ ihn nicht zu nennen,
Wer sollte nicht den holden Paris kennen!
Dame.
O! welch ein Glanz auf blühnder Jugendkraft!
Zweyte.
Wie eine Pfirsche frisch und voller Saft!
Dritte.
Vierte.
Du möchtest wohl an solchem Becher nippen?
Fünfte.
Er ist gar hübsch, wenn auch nicht eben fein.
Sechste.
Ein bißchen könnt’ er doch gewandter seyn.
Ritter.
Den Schäferknecht glaub’ ich allhier zu spüren;
Andrer.
Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön,
Er setzt sich nieder,
weichlich, angenehm.
Ritter.
Auf seinem Schoße wär’ euch wohl bequem?
Andre.
Kämmerer.
Die Flegeley! das find’ ich unerlaubt!
Dame.
Ihr Herren wißt an allem was zu mäkeln.
Derselbe.
In Kaisers Gegenwart sich hinzuräckeln!
Dame.
Er stellt’s nur vor! Er glaubt sich ganz allein.
Derselbe.
Dame.
Sanft hat der Schlaf den Holden übernommen.
Derselbe.
Er schnarcht nun gleich, natürlich ist’s, vollkommen.
Junge Dame (entzückt).
Zum Weihrauchsdampf was duftet so gemischt,
Das mir das Herz zum innigsten erfrischt?
Aeltere.
Er kommt von ihm!
Aelteste.
Und atmosphärisch rings
umher verbreitet.
Helena (hervortretend).
Mephistopheles.
Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh’;
Astrolog.
Für mich ist dießmal weiter nichts zu thun,
Als Ehrenmann gesteh’, bekenn’ ich’s nun.
Die Schöne kommt, und hätt’ ich Feuerzungen! –
Von Schönheit ward von jeher viel gesungen –
Wem sie gehörte ward zu
hoch beglückt.
Faust.
Hab’ ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
Der Schönheit Quelle vollen Stroms ergossen?
Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn.
Was ist sie nun seit
meiner Priesterschaft?
Erst wünschenswerth, gegründet, dauerhaft!
Verschwinde mir des Lebens Athemkraft,
Wenn ich mich je von dir zurückgewöhne! –
In Zauberspiegelung
beglückte,
War nur ein Schaumbild solcher Schöne! –
Du bist’s der ich die Regung aller Kraft,
Den Inbegriff der Leidenschaft,
(aus dem Kasten).
So faßt euch doch und fallt nicht aus der Rolle!
Aeltere Dame.
Groß, wohlgestaltet, nur der Kopf zu klein.
Jüngere.
Seht nur den Fuß! Wie könnt’ er plumper seyn!
Diplomat.
Fürstinnen hab’ ich dieser Art gesehn,
Hofmann.
Sie nähert sich dem Schläfer listig mild.
Dame.
Wie häßlich neben jugendreinem Bild!
Poet.
Von ihrer Schönheit ist er angestrahlt.
Dame.
Endymion und Luna! wie gemahlt!
Derselbe.
Sie neigt sich über,
seinen Hauch zu trinken;
Beneidenswerth! – Ein Kuß! – Das Maß ist voll.
Duenna.
Vor allen Leuten! Das ist doch zu toll!
Faust.
Furchtbare Gunst dem Knaben! –
Mephistopheles.
Ruhig! still!
Sie schleicht sich weg,
leichtfüßig; er erwacht.
Dame.
Sie sieht sich um! das hab’ ich wohl gedacht.
Hofmann.
Er staunt! Ein Wunder ist’s, was ihm geschieht.
Dame.
Ihr ist kein Wunder was sie vor sich sieht.
Hofmann.
Dame.
Ich merke schon sie nimmt ihn in die Lehre;
In solchem Fall sind alle Männer dumm,
Er glaubt wohl auch daß er der erste wäre.
Ritter.
Laßt mir sie gelten! Majestätisch fein! –
Dame.
Page.
Ich möchte wohl an seiner Stelle seyn!
Hofmann.
Wer würde nicht in solchem Netz gefangen?
Dame.
Das Kleinod ist durch manche Hand gegangen,
Auch die Verguldung ziemlich abgebraucht.
Andre.
Gelegentlich nimmt jeder
sich das Beste;
Ich hielte mich an diese schönen Reste.
Gelahrter.
Ich seh’ sie deutlich, doch gesteh’ ich frei,
Zu zweifeln ist ob sie die rechte sey.
Ich halte mich vor allem
an’s Geschriebne.
Da les’ ich denn: sie habe wirklich allen
Graubärten Troja’s sonderlich gefallen;
Und wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier,
Astrolog.
Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann
Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann.
Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,
Entführt er sie wohl gar?
Faust.
Verwegner Thor!
Mephistopheles.
Machst du’s doch selbst das Fratzengeisterspiel!
Astrolog.
Nur noch ein Wort! Nach allem was geschah
Was Raub! Bin ich für
nichts an dieser Stelle!
Er führte mich, durch
Graus und Wog’ und Welle
Der Einsamkeiten, her zum festen Stand.
Hier faß ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,
Von hier aus darf der Geist mit Geistern streiten,
So fern sie war, wie kann
sie näher seyn!
Ich rette sie und sie ist doppelt mein.
Gewagt! Ihr Mütter! Mütter müßt’s gewähren!
Wer sie erkennt der darf sie nicht entbehren.
Astrolog.
Faßt er sie an, schon
trübt sich die Gestalt.
Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,
Berührt ihn! – Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!
(Explosion, Faust liegt am Boden. Die Geister gehen in Dunst auf.)
Mephistopheles
(der Fausten auf die Schulter nimmt).
Da habt ihr’s nun! mit Narren sich beladen
(hinter einem Vorhang
hervortretend. Indem er ihn aufhebt und zurücksieht, erblickt manFausten hingestreckt
auf einem altväterischen Bette).
Hier lieg’, Unseliger! verführt
Zu schwergelös’tem Liebesbande!
Wen Helena paralysirt
Der kommt so leicht nicht zu Verstande.
(Sich umschauend.)
Allunverändert ist es,
unversehrt;
Die bunten Scheiben sind, so dünkt mich, trüber,
Die Spinneweben haben sich vermehrt;
Die Dinte starrt, vergilbt ist das Papier;
Sogar die Feder liegt
noch hier,
Ein Tröpflein Blut, wie
ich’s ihm abgelockt.
Wünscht’ ich dem größten
Sammler Glück.
Auch hängt der alte Pelz am alten Haken,
Erinnert mich an jene Schnaken
Wie ich den Knaben einst belehrt,
Es kommt mir wahrlich das
Gelüsten,
Rauhwarme Hülle, dir vereint,
Mich als Docent noch einmal zu erbrüsten,
Wie man so völlig recht zu haben meint.
Dem Teufel ist es längst
vergangen.
(Er schüttelt den herabgenommenen Pelz, Cicaden, Käfer und Farfarellen
fahren heraus.)
Chor der Insecten.
Willkommen! willkommen
Du alter Patron,
Wir schweben und summen
Nur einzeln im
Stillen
Du hast uns gepflanzt,
Zu Tausenden kommen wir,
Vater, getanzt.
Verbirgt sich so
sehr,
Vom Pelze die Läuschen
Mephistopheles.
Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!
Ich schüttle noch einmal
den alten Flaus,
Noch eines flattert hier und dort hinaus. –
Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken
Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken.
Hier im bebräunten
Pergamen,
In staubigen Scherben alter Töpfe,
Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe.
In solchem Wust und Moderleben
(Schlüpft in den
Pelz.)
Komm, decke mir die Schultern noch einmal!
Heut bin ich wieder Prinzipal.
Doch hilft es nichts mich so zu nennen,
Wo sind die Leute die mich anerkennen!
(Er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden Ton erschallen
läßt, wovon die Hallen erbeben und die Thüren aufspringen.)
Famulus
(den langen finstern Gang herwankend).
Treppe schwankt, es bebt
die Mauer;
Durch der Fenster buntes Zittern
Seh’ ich wetterleuchtend Wittern.
Springt das Estrich, und von Oben
Ist durch Wunderkraft
entsiegelt. –
Dort! Wie fürchterlich! Ein Riese
Steht in Faustens altem Vließe!
Mögt’ ich in die Kniee
sinken.
Soll ich fliehen? Soll ich stehn?
Ach wie wird es mir ergehn!
Mephistopheles (winkend).
Heran, mein Freund! – Ihr heißet Nicodemus.
Famulus.
Mephistopheles.
Das lassen wir!
Famulus.
Wie froh! daß ihr
mich kennt.
Mephistopheles.
Ich weiß es wohl, bejahrt und noch Student,
Bemooster Herr! Auch ein gelehrter Mann
Studirt so fort, weil er nicht anders kann.
Der größte Geist baut’s
doch nicht völlig aus.
Doch euer Meister, das ist ein Beschlagner:
Wer kennt ihn nicht den edlen Doctor Wagner,
Den ersten jetzt in der gelehrten Welt!
Der Weisheit täglicher
Vermehrer.
Er leuchtet einzig vom
Katheder;
Das Untre so das Obre
schließt er auf.
Wie er vor Allen glüht und funkelt,
Kein Ruf, kein Ruhm hält weiter Stand;
Selbst Faustus Name wird verdunkelt,
Famulus.
Verzeiht! Hochwürdiger Herr! wenn ich euch sage,
Wenn ich zu widersprechen wage:
Von allem dem ist nicht die Frage;
Bescheidenheit ist sein beschieden Theil.
Des hohen Manns weiß er
sich nicht zu finden;
Von dessen Wiederkunft erfleht er Trost und Heil.
Das Zimmer, wie zu Doctor Faustus Tagen,
Noch unberührt seitdem er fern,
Kaum wag’ ich’s mich
hereinzuwagen.
Was muß die Sternenstunde seyn? –
Gemäuer scheint mir zu erbangen;
Thürpfosten bebten, Riegel sprangen,
Mephistopheles.
Wo hat der Mann sich hingethan?
Ach! sein Verbot ist gar
zu scharf,
Ich weiß nicht ob ich’s wagen darf.
Lebt’ er im
allerstillsten Stillen.
Der zarteste gelehrter Männer
Er sieht aus wie ein Kohlenbrenner,
Geschwärzt vom Ohre bis zur Nasen,
So lechzt er jedem
Augenblick,
Geklirr der Zange gibt Musik.
Mephistopheles.
Sollt’ er den Zutritt mir verneinen?
Ich bin der Mann das Glück ihm zu beschleunen.
(Der Famulus geht ab, Mephistopheles setzt sich gravitätisch nieder.)
Regt sich dort hinten,
mir bekannt, ein Gast.
Doch dießmal ist er von den Neusten;
Er wird sich gränzenlos erdreusten.
Baccalaureus
(den Gang herstürmend).
Thor und Thüre find’ ich offen!
Daß nicht, wie
bisher, im Moder,
Der Lebendige wie ein Todter
Sich verkümm’re, sich verderbe,
Neigen, senken sich zum
Ende;
Und wenn wir nicht bald entweichen
Wird uns Fall und Sturz erreichen.
Bin verwegen, wie nicht einer,
Doch was soll ich heut erfahren!
War’s nicht hier, vor so viel Jahren,
Wo ich, ängstlich und beklommen,
War als guter Fuchs gekommen?
Mich an ihrem Schnack
erbaute.
Aus den alten Bücherkrusten
Logen sie mir was sie wußten;
Was sie wußten selbst nicht glaubten,
Wie? – Dort hinten in der
Zelle
Sitzt noch Einer dunkel-helle!
Nahend seh’ ich’s mit Erstaunen,
Sitzt er noch im Pelz, dem braunen,
Noch gehüllt im rauhen
Vließ!
Damals schien er zwar gewandt,
Als ich ihn noch nicht verstand.
Heute wird es nichts verfangen,
Das schiefgesenkte, kahle
Haupt durchschwommen,
Seht anerkennend hier den Schüler kommen,
Entwachsen akademischen Ruthen.
Ein Andrer bin ich wieder
da.
Mephistopheles.
Mich freut daß ich euch hergeläutet.
Ich schätzt’ euch damals nicht gering;
Die Raupe schon, die Chrysalide deutet
Am Lockenkopf und
Spitzenkragen
Empfandet ihr ein kindliches Behagen. –
Ihr trugt wohl niemals einen Zopf? –
Heut schau’ ich Euch im Schwedenkopf.
Kommt nur nicht absolut
nach Haus.
Baccalaureus.
Mein alter Herr! Wir sind am alten Orte;
Bedenkt jedoch erneuter Zeiten Lauf
Und sparet doppelsinnige Worte;
Ihr hänseltet den guten
treuen Jungen;
Das ist euch ohne Kunst gelungen,
Was heut zu Tage niemand wagt.
Mephistopheles.
Wenn man der Jugend reine Wahrheit sagt,
Das alles derb an eigner
Haut erfahren,
Dann dünkeln sie, es käm’ aus eignem Schopf;
Da heißt es denn: der Meister war ein Tropf.
Baccalaureus.
Die Wahrheit uns direct
in’s Angesicht?
Ein jeder weiß zu mehren wie zu mindern,
Bald ernst, bald heiter klug, zu frommen Kindern.
Mephistopheles.
Zum Lernen gibt es freilich eine Zeit;
Seit manchen Monden,
einigen Sonnen,
Erfahrungsfülle habt ihr wohl gewonnen.
Baccalaureus.
Erfahrungswesen! Schaum und Dust!
Und mit dem Geist nicht ebenbürtig.
Es ist durchaus nicht
wissenswürdig.
Mephistopheles (nach einer Pause).
Mich däucht es längst. Ich war ein Thor,
Nun komm’ ich mir recht schaal und albern vor.
Baccalaureus.
Das freut mich sehr! Da hör’ ich doch Verstand;
Mephistopheles.
Ich suchte nach verborgen-goldnem Schatze,
Gesteht nur, euer
Schädel, eure Glatze
Ist nicht mehr werth als jene hohlen dort?
Mephistopheles (gemüthlich).
Baccalaureus.
Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist.
Mephistopheles
(der mit seinem Rollstuhle immer näher in’s Proscenium rückt, zum
Parterre).
Hier oben wird mir Licht und Luft benommen,
Ich finde wohl bei euch ein Unterkommen?
Baccalaureus.
Anmaßlich find’ ich, daß zur schlechtsten Frist
Des Menschen Leben lebt
im Blut, und wo
Bewegt das Blut sich wie im Jüngling so?
Das ist lebendig Blut in frischer Kraft,
Das neues Leben sich aus Leben schafft.
Das Schwache fällt, das
Tüchtige tritt heran.
Indessen wir die halbe Welt gewonnen
Was habt ihr denn gethan? genickt, gesonnen,
Geträumt, erwogen, Plan und immer Plan.
Im Frost von
grillenhafter Noth;
Hat einer dreyßig Jahr’ vorüber,
So ist er schon so gut wie todt.
Baccalaureus.
Wenn ich nicht will, so darf kein Teufel seyn.
Mephistopheles (abseits).
Der Teufel stellt dir nächstens doch ein Bein.
Baccalaureus.
Dieß ist der Jugend edelster Beruf!
Die Welt sie war nicht eh’ ich sie erschuf;
Mit mir begann der Mond
des Wechsels Lauf;
Da schmückte sich der Tag auf meinen Wegen,
Die Erde grünte, blühte mir entgegen.
Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht,
Wer, außer mir, entband
euch aller Schranken
Philisterhaft einklemmender Gedanken?
Ich aber frei, wie mir’s im Geiste spricht,
Verfolge froh mein innerliches Licht,
Das Helle vor mir,
Finsterniß im Rücken.
(Ab.)
Mephistopheles.
Original fahr’ hin in deiner Pracht! –
Wie würde dich die Einsicht kränken:
Wer kann was Dummes, wer was Kluges denken
In wenig Jahren wird es
anders seyn:
Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet,
Es gibt zuletzt doch noch n’ Wein.
(Zu dem jüngern Parterre das nicht applaudirt.)
Euch guten Kindern laß
ich’s gehen;
Bedenkt: der Teufel der ist alt,
Die Glocke tönt, die
fürchterliche
Nicht länger kann das
Ungewisse
Der ernstesten Erwartung dauern.
Schon hellen sich die Finsternisse;
Schon in der innersten Phiole
Ja wie der herrlichste
Karfunkel,
Verstrahlend Blitze durch das Dunkel.
Ein helles weißes Licht erscheint!
O daß ich’s dießmal nicht verliere! –
Willkommen! es ist gut
gemeint.
Wagner (ängstlich).
Willkommen! zu dem Stern der Stunde.
(Leise.)
Doch haltet Wort und Athem fest im Munde,
Ein herrlich Werk ist gleich zu Stand gebracht.
Mephistopheles (leiser).
Wagner (leiser).
Es wird ein
Mensch gemacht.
Mephistopheles.
Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
Habt ihr in’s Rauchloch eingeschlossen?
Wagner.
Behüte Gott! wie sonst das Zeugen Mode war
Erklären wir für eitel Possen.
Die holde Kraft die aus
dem Innern drang
Und nahm und gab, bestimmt sich selbst zu zeichnen,
Erst Nächstes, dann sich Fremdes anzueignen,
Die ist von ihrer Würde nun entsetzt;
So muß der Mensch mit
seinen großen Gaben
Doch künftig reinern, höhern Ursprung haben.
(Zum Herd gewendet.)
Es leuchtet! seht! – Nun läßt sich wirklich hoffen,
Den Menschenstoff
gemächlich componiren,
In einen Kolben verlutiren
Und ihn gehörig cohobiren,
So ist das Werk im Stillen abgethan.
(Wieder zum Herd gewendet.)
Die Ueberzeugung wahrer,
wahrer!
Was man an der Natur Geheimnißvolles pries,
Das wagen wir verständig zu probiren,
Und was sie sonst organisiren ließ,
Mephistopheles.
Wer lange lebt hat viel erfahren,
Nichts Neues kann für ihn auf dieser Welt geschehn;
Ich habe schon, in meinen Wanderjahren,
Krystallisirtes Menschenvolk gesehn.
Wagner
(bisher immer aufmerksam auf die Phiole).
Im Augenblick ist es
gethan!
Ein großer Vorsatz scheint im Anfang toll;
Doch wollen wir des Zufalls künftig lachen,
Und so ein Hirn, das trefflich denken soll,
Es trübt, es klärt sich;
also muß es werden!
Ich seh’ in zierlicher Gestalt
Ein artig Männlein sich gebärden.
Denn das Geheimniß liegt
am Tage:
Gebt diesem Laute nur Gehör,
Er wird zur Stimme, wird zur Sprache.
Homunculus
(in der Phiole zu Wagner).
Nun Väterchen! wie steht’s? es war kein Scherz!
Doch nicht zu fest, damit
das Glas nicht springe.
Das ist die Eigenschaft der Dinge:
Natürlichem genügt das Weltall kaum,
Was künstlich ist, verlangt geschloss’nen Raum.
(Zu Mephistopheles.)
Im rechten Augenblick,
ich danke dir.
Ein gut Geschick führt dich zu uns herein;
Dieweil ich bin, muß ich auch thätig seyn.
Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen,
Wagner.
Nur noch ein Wort! bisher mußt’ ich mich schämen,
Denn Alt und Jung bestürmt mich mit Problemen.
Zum Beispiel nur: noch niemand konnt’ es fassen
Und doch den Tag sich
immerfort[1] verleiden.
Sodann –
Mephistopheles.
Halt ein! ich
wollte lieber fragen:
Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?
Du kommst, mein Freund, hierüber nie in’s Reine.
Homunculus.
Was gibt’s zu thun?
Mephistopheles
(auf eine Seitenthüre deutend).
Hier zeige deine
Gabe!
Wagner
(immer in die Phiole schauend).
Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe!
(Die Seitenthür öffnet sich, man sieht Faust au[f] dem Lager
hingestreckt.)
Homunculus (erstaunt).
Bedeutend! –
(Die Phiole entschlüpft aus Wagners Händen, schwebt über Faust und
beleuchtet ihn.)
Schön umgeben! –
Klar Gewässer
Im dichten Haine, Frau’n, die sich entkleiden;
Sie setzt den Fuß in das
durchsichtige Helle;
Des edlen Körpers holde Lebensflamme
Doch welch Getöse rasch
bewegter Flügel,
Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
Die Königin sie blickt gelassen drein,
Der Schwäne Fürsten ihrem
Knie sich schmiegen,
Zudringlich zahm. Er scheint sich zu gewöhnen. –
Auf einmal aber steigt ein Dunst empor,
Und deckt mit dichtgewebtem Flor
Mephistopheles.
Was du nicht alles zu erzählen hast!
So klein du bist, so groß bist du Phantast.
Ich sehe nichts –
Homunculus.
Das glaub’ ich.
Du aus Norden,
Im Nebelalter jung geworden,
Wo wäre da dein Auge
frei!
Im Düstern bist du nur zu Hause.
(Umherschauend.)
Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig! –
Das war sein
ahnungsvoller Traum;
Wie wollt’ er sich hierher gewöhnen!
Nun fort mit ihm.
Mephistopheles.
Der Ausweg soll
mich freuen.
Homunculus.
Befiehl den Krieger in die Schlacht,
Das Mädchen führe du zum Reihen,
So ist gleich alles abgemacht.
Ist classische
Walpurgisnacht;
Das Beste was begegnen könnte
Bringt ihn zu seinem Elemente.
Mephistopheles.
Dergleichen hab’ ich nie vernommen.
Homunculus.
Romantische Gespenster
kennt ihr nur allein,
Ein ächt Gespenst auch classisch hat’s zu seyn.
Mephistopheles.
Wohin denn aber soll die Fahrt sich regen?
Mich widern schon antikische Collegen.
Homunculus.
Umbuscht, umbaumt, in
still’ und feuchten Buchten;
Die Ebne dehnt sich zu der Berge Schluchten, –
Mephistopheles.
O weh! hinweg! und laßt mir jene Streite
Von Tyranney und Sklaverey bei Seite.
Mich langeweilt’s; denn kaum ist’s abgethan,
So fangen sie von vorne wieder an;
Vom Asmodeus der dahinter
steckt.
Sie streiten sich, so heißt’s, um Freiheitsrechte,
Genau besehn sind’s Knechte gegen Knechte.
Homunculus.
Den Menschen laß ihr widerspenstig Wesen,
Vom Knaben auf, so wird’s
zuletzt ein Mann.
Hier fragt sich’s nur wie dieser kann genesen?
Hast du ein Mittel so erprob’ es hier,
Vermagst du’s nicht, so überlaß es mir.
Mephistopheles.
Doch Heidenriegel find’
ich vorgeschoben.
Das Griechenvolk es taugte nie recht viel!
Doch blendet’s euch mit freiem Sinnen-Spiel,
Verlockt des Menschen Brust zu heitern Sünden,
Du bist ja sonst
nicht blöde;
Und wenn ich von Thessalischen Hexen rede,
So denk’ ich hab’ ich was gesagt.
Mephistopheles (lüstern).
Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen
Mit ihnen Nacht für Nacht
zu wohnen
Ich glaube nicht daß es behagt;
Doch zum Besuch, Versuch, –
Homunculus.
Den Mantel her,
Und um den Ritter umgeschlagen!
Den einen mit dem andern
tragen,
Ich leuchte vor.
Wagner (ängstlich).
Und ich?
Homunculus.
Eh nun,
Du bleibst zu Hause Wichtigstes zu thun.
Entfalte du die alten Pergamente,
Und füge sie mit Vorsicht
eins an’s andre.
Das Was bedenke, mehr bedenke Wie?
Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre
Solch einen Lohn verdient
ein solches Streben:
Gold, Ehre, Ruhm, gesundes langes Leben,
Und Wissenschaft und Tugend – auch vielleicht.
Leb’ wohl!
Wagner (betrübt).
Leb’ wohl! Das
drückt das Herz mir nieder.
Mephistopheles.
Nun zum Peneios frisch hinab,
Herr Vetter ist nicht zu verachten.
(Ad Spectatores.)
Am Ende hängen wir doch ab
Tret’ ich einher,
Erichtho, ich die düstre;
Nicht so abscheulich wie die leidigen Dichter mich
Im Uebermaß verlästern… Endigen sie doch nie
Als Nachgesicht der sorg-
und grauenvollsten Nacht.
Wie oft schon wiederholt sich’s! Wird sich immerfort
In’s Ewige wiederholen… Keiner gönnt das Reich
Dem Andern, dem gönnt’s keiner der’s mit Kraft erwarb
Nicht zu regieren weiß,
regierte gar zu gern
Des Nachbars Willen, eignem stolzem Sinn gemäß…
Hier aber ward ein großes Beispiel durchgekämpft:
Wie sich Gewalt Gewaltigerm entgegenstellt,
Der starre Lorbeer sich
um’s Haupt des Herrschers biegt.
Hier träumte Magnus früher Größe Blüthentag,
Dem schwanken Zünglein lauschend wachte Cäsar dort!
Das wird sich messen. Weiß die Welt doch wem’s gelang.
Der Boden haucht
vergoss’nen Blutes Wiederschein,
Und angelockt von seltnem Wunderglanz der Nacht,
Versammelt sich hellenischer Sage Legion.
Um alle Feuer schwankt unsicher, oder sitzt
Der Mond, zwar
unvollkommen, aber leuchtend hell,
Erhebt sich, milden Glanz verbreitend überall;
Der Zelten Trug verschwindet, Feuer brennen blau.
Doch, über mir! welch unerwartet Meteor?
Das bringt mir bösen Ruf
und frommt mir nicht.
Schon sinkt es nieder. Weich’ ich aus mit Wohlbedacht.
(Entfernt sich.)
(Die Luftfahrer oben.)
Homunculus.
Ueber Flamm- und
Schaudergrauen;
Ist es doch in Thal und Grunde,
Gar gespenstisch anzuschauen.
Mephistopheles.
Seh’ ich, wie durch’s alte Fenster,
Ganz abscheuliche
Gespenster;
Bin ich hier wie dort zu Haus.
Homunculus.
Sieh! da schreitet eine Lange
Weiten Schrittes vor uns hin.
Mephistopheles.
Sah uns durch die
Lüfte ziehn.
Homunculus.
Laß sie schreiten! setz’ ihn nieder
Deinen Ritter, und sogleich
Kehret ihm das Leben wieder,
Faust (den Boden berührend).
Wüßten’s nicht zu
sagen,
Doch hier wahrscheinlich zu erfragen.
In Eile magst du, eh’ es tagt,
Von Flamm’ zu Flamme spürend gehen:
Hat weiter nichts zu
überstehen.
Mephistopheles.
Auch ich bin hier an meinem Theil;
Doch wüßt’ ich bess’res nicht zu unserm Heil,
Als: jeder möge durch die Feuer
Dann, um uns wieder zu
vereinen,
Laß deine Leuchte, Kleiner, tönend scheinen.
Homunculus.
So soll es blitzen, soll es klingen.
(Das Glas dröhnt und leuchtet gewaltig.)
Nun frisch zu neuen Wunderdingen!
Faust (allein).
Wär’s nicht die Scholle
die sie trug,
Die Welle nicht die ihr entgegen schlug,
So ist’s die Luft die ihre Sprache sprach.
Hier! durch ein Wunder, hier in Griechenland!
Wie mich, den Schläfer,
frisch ein Geist durchglühte,
Durchforsch’ ich ernst
dieß Labyrinth der Flammen.
(Entfernt sich.)
Mephistopheles (umherspürend).
So find’ ich mich doch
ganz und gar entfremdet,
Fast alles nackt, nur hie und da behemdet:
Die Sphinxe schamlos, unverschämt die Greife,
Und was nicht alles, lockig und beflügelt,
Zwar sind auch wir von
Herzen unanständig,
Doch das Antike find’ ich zu lebendig;
Das müßte man mit neustem Sinn bemeistern
Und mannichfaltig modisch überkleistern…
Als neuer Gast anständig
sie zu grüßen…
Glück zu! den schönen Frau’n, den klugen Greisen.
Greif (schnarrend).
Nicht Greisen! Greifen! – Niemand hört es gern
Daß man ihn Greis nennt. Jedem Worte klingt
Grau, grämlich,
griesgram, gräulich, Gräber, grimmig,
Etymologisch gleicherweise stimmig,
Verstimmen uns.
Mephistopheles.
Und doch, nicht
abzuschweifen,
(wie oben und immer so
fort).
Zwar oft gescholten, mehr
jedoch gelobt;
Man greife nun nach Mädchen, Kronen, Gold,
Dem Greifenden ist meist Fortuna hold.
Ameisen
(von der kolossalen Art).
Ihr sprecht von Gold, wir hatten viel gesammelt,
Das Arimaspen-Volk hat’s
ausgespürt,
Sie lachen dort, wie weit sie’s weggeführt.
Greife.
Wir wollen sie schon zum Geständniß bringen.
Arimaspen.
Nur nicht in freier Jubelnacht.
Es wird uns dießmal wohl
gelingen.
Mephistopheles
(hat sich zwischen die Sphinxe gesetzt).
Wie leicht und gern ich mich hieher gewöhne,
Denn ich verstehe Mann für Mann.
Sphinx.
Wir hauchen unsre Geistertöne
Jetzt nenne dich bis wir
dich weiter kennen.
Mephistopheles.
Mit vielen Namen glaubt man mich zu nennen –
Das wäre hier für sie ein
würdig Ziel.
Sie zeugten auch: im alten Bühnen-Spiel
Sah man mich dort als old
Iniquity.
Sphinx.
Wie kam man drauf?
Mephistopheles.
Ich weiß es
selbst nicht wie.
Sphinx.
Was sagst du zu der
gegenwärtigen Stunde?
Mephistopheles (aufschauend).
Stern schießt nach Stern, beschnittner Mond scheint helle
Und mir ist wohl an dieser trauten Stelle,
Ich wärme mich an deinem Löwenfelle.
Gib Räthsel auf, gib
allenfalls Charaden.
Sphinx.
Sprich nur dich selbst aus, wird schon Räthsel seyn.
Versuch einmal dich innigst aufzulösen:
„Dem frommen Manne nöthig wie dem bösen,
Cumpan dem andern, Tolles
zu vollführen,
Und beydes nur, um Zeus zu amüsiren.“
Erster Greif (schnarrend).
Was will uns der?
Beide.
Der Garstige gehöret nicht hierher!
Mephistopheles (brutal).
Nicht auch so gut wie
deine scharfen Klauen?
Versuch’s einmal
Sphinx (milde).
Du magst nur
immer bleiben,
Wird dich’s doch selbst aus unsrer Mitte treiben;
In deinem Lande thust dir was zu Gute,
Mephistopheles.
Du bist recht appetitlich oben anzuschauen,
Doch unten hin, die Bestie macht mir Grauen.
Sphinx.
Du Falscher kommst zu deiner bittern Buße,
Denn unsre Tatzen sind gesund;
Behagt es nicht in unserm
Bund.
Sirenen (präludiren oben).
Mephistopheles.
Wer sind die Vögel in den Aesten
Der Stromes-Pappeln hingewiegt?
Sphinx.
Gewahrt euch nur! die Allerbesten
Ach was wollt ihr
euch verwöhnen
In dem häßlich Wunderbaren!
Horcht, wir kommen hier zu Schaaren
Und in wohlgestimmten Tönen.
Sphinxe
(sie verspottend in derselben Melodie).
Nöthigt sie herabzusteigen!
Sie verbergen in den Zweigen
Ihre garstigen Habichtskrallen,
Euch verderblich anzufallen,
Sirenen.
Weg! das Hassen weg! das Neiden,
Sammeln wir die klarsten Freuden,
Unterm Himmel ausgestreut!
Auf dem Wasser, auf der Erde,
Die man dem
Willkommnen beut.
Mephistopheles.
Das sind die saubern Neuigkeiten
Wo aus der Kehle, von den Saiten
Ein Ton sich um den andern flicht.
Es krabbelt wohl mir um
die Ohren
Sprich nicht vom Herzen!
das ist eitel;
Ein lederner verschrumpfter Beutel
Faust (herantretend).
Wie wunderbar! das Anschaun thut mir Gnüge,
Im Widerwärtigen große tüchtige Züge.
Ich ahne schon ein günstiges Geschick;
Wohin versetzt mich dieser ernste Blick?
(Auf die Sphinxe deutend.)
(Auf die Sirenen
deutend.)
Vor solchen krümmte sich Ulyß in hänfnen Banden;
(Auf die Ameisen deutend.)
Von solchen ward der höchste Schatz gespart;
(Auf die Greife deutend.)
Von diesen treu und ohne Fehl bewahrt.
Vom frischen Geiste fühl’ ich mich durchdrungen,
Mephistopheles.
Sonst hättest du dergleichen weggeflucht,
Doch jetzo scheint es dir zu frommen;
Denn wo man die Geliebte sucht
Sind Ungeheuer selbst willkommen.
Faust (zu den Sphinxen).
Wir reichen nicht hinauf
zu ihren Tagen,
Die letztesten hat Hercules erschlagen.
Von Chiron könntest du’s erfragen;
Wenn er dir steht so hast
du’s weit gebracht.
Sirenen.
Sollte dir’s doch auch nicht fehlen!…
Wie Ulyß bei uns verweilte,
Schmähend nicht vorübereilte,
Würden alles dir
vertrauen,
Wolltest du zu unsern Gauen
Dich an’s grüne Meer verfügen.
Sphinx.
Laß dich Edler nicht betrügen.
Laß unsern guten Rath
dich binden;
Kannst du den hohen Chiron finden,
Erfährst du was ich dir verhieß.
Faust (entfernt sich).
Mephistopheles (verdrießlich).
Was krächzt vorbei mit Flügelschlag?
Und immer eins dem andern
nach,
Den Jäger würden sie ermüden.
Sphinx.
Dem Sturm des Winterwinds vergleichbar,
Und wohlgemeint ihr
Krächzegruß,
Mit Geyerschnabel und Gänsefuß.
Sie möchten gern in unsern Kreisen
Als Stammverwandte sich erweisen.
Mephistopheles
(wie verschüchtert).
Sphinx.
Vor diesen sey euch ja nicht bange,
Es sind die Köpfe der Lernäischen Schlange,
Vom Rumpf getrennt und glauben was zu seyn. –
Doch sagt was soll nur aus euch werden?
Wo wollt ihr hin? Begebt
euch fort! ..
Ich sehe, jener Chorus dort
Macht euch zum Wendehals. Bezwingt euch nicht,
Geht hin! begrüßt manch reizendes Gesicht.
Mit Lächelmund und
frechen Stirnen
Wie sie dem Satyrvolk behagen;
Ein Bocksfuß darf dort alles wagen.
Mephistopheles.
Ihr bleibt doch hier? daß ich euch wiederfinde.
Sphinx.
Wir, von Egypten her,
sind längst gewohnt
So regeln wir die
Mond- und Sonnentage.
Zu der Völker
Hochgericht,
Ueberschwemmung, Krieg und Frieden –
Rege dich du
Schilfgeflüster!
Säuselt leichte
Weidensträuche,
Lispelt Pappelzitterzweige
Unterbrochnen Träumen zu!
Weckt mich doch ein grauslich Wittern,
Aus dem Wallestrom und
Ruh.
Faust
(an dem Fluß tretend).
Hör’ ich recht, so muß ich glauben:
Hinter den verschränkten Lauben
Dieser Zweige, dieser Stauden
Scheint die Welle doch
ein Schwätzen,
Am besten geschäh’
dir
Du legtest dich nieder,
Ermüdete Glieder,
Genössest der immer
Dich meidenden Ruh;
Wir säuseln, wir rieseln,
Faust.
Ich wache ja! O laßt sie walten
Die unvergleichlichen Gestalten
Wie sie dorthin mein Auge schickt.
So wunderbar bin ich durchdrungen!
Schon einmal warst du so
beglückt.
Gewässer schleichen durch die Frische
Der dichten, sanft bewegten Büsche,
Nicht rauschen sie, sie rieseln kaum;
Vereinen sich, im
reinlich hellen,
Zum Bade flach vertieften Raum.
Gesunde junge Frauenglieder
Vom feuchten Spiegel doppelt wieder
Gesellig dann und
fröhlich badend,
Erdreistet schwimmend, furchtsam watend;
Doch immer weiter strebt
mein Sinn.
Der Blick dringt scharf nach jener Hülle,
Das reiche Laub der grünen Fülle
Verbirgt die hohe Königin.
Aus den Buchten
hergeschwommen,
Majestätisch rein bewegt.
Ruhig schwebend, zart gesellig,
Aber stolz und selbstgefällig
Einer aber scheint vor
allen
Brüstend kühn sich zu gefallen,
Segelnd rasch durch alle fort;
Sein Gefieder bläht sich schwellend,
Dringt er zu dem heiligen
Ort…
Die andern schwimmen hin und wieder
Mit ruhig glänzendem Gefieder,
Bald auch in regem prächtigen Streit
Daß sie an ihren Dienst
nicht denken,
Nur an die eigne Sicherheit.
Nymphen.
Leget Schwestern euer Ohr
An des Ufers grüne Stufe;
Schnelle Botschaft
zugebracht.
Faust.
Ist mir doch als dröhnt die Erde
Dorthin mein Blick!
Ein günstiges Geschick
Soll es mich schon erreichen?
O Wunder ohne Gleichen!
Er scheint von Geist und
Muth begabt,
Von blendend-weißem Pferd getragen…
Ich irre nicht, ich kenn’ ihn schon,
Der Philyra berühmter Sohn! –
Chiron.
Was gibt’s? Was ist’s?
Faust.
Bezähme deinen
Schritt!
Chiron.
Ich raste nicht.
Faust.
So bitte! Nimm
mich mit!
Chiron.
Sitz’ auf! so kann ich nach Belieben fragen:
Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
Faust (aufsitzend).
Der, sich zum Ruhm, ein
Heldenvolk erzog,
Den schönen Kreis der edlen Argonauten,
Chiron.
Das lassen wir an seinem Ort!
Selbst Pallas kommt als Mentor nicht zu Ehren;
Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort
Als wenn sie nicht erzogen wären.
Faust.
Die Wurzeln bis in’s
Tiefste kennt,
Dem Kranken Heil, dem Wunden Lindrung schafft,
Umarm’ ich hier in Geist- und Körperkraft!
Chiron.
Ward neben mir ein Held verletzt,
Doch ließ ich meine Kunst
zuletzt
Den Wurzelweibern und den Pfaffen.
Faust.
Du bist der wahre große Mann
Der Lobeswort nicht hören kann.
Und thut als gäb’ es
Seinesgleichen.
Chiron.
Du scheinest mir geschickt zu heucheln,
So wirst du mir denn doch
gestehn:
Dem Edelsten in Thaten
nachgestrebt,
Halbgöttlich-ernst die Tage durchgelebt.
Doch unter den heroischen Gestalten
Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?
Chiron.
War jeder brav nach
seiner eignen Weise,
Und, nach der Kraft die ihn beseelte,
Konnt’ er genügen wo’s den andern fehlte.
Die Dioskuren haben stets gesiegt
Entschluß und schnelle
That zu andrer Heil,
Den Boreaden ward’s zum schönen Theil.
Nachsinnend, kräftig, klug, im Rath bequem,
So herrschte Jason, Frauen angenehm.
Schlug er die Leyer Allen
übermächtig.
Scharfsichtig Lynceus, der, bei Tag und Nacht,
Das heilige Schiff durch Klipp’ und Strand gebracht.
Gesellig nur läßt sich Gefahr erproben:
Faust.
Von Hercules willst nichts erwähnen?
Chiron.
Noch Ares, Hermes, wie
sie heißen;
Was alle Menschen
göttlich preisen.
So war er ein geborner König,
Als Jüngling herrlichst anzuschaun;
Dem ältern Bruder unterthänig
Den zweyten zeugt nicht
Gäa wieder;
Nicht führt ihn Hebe himmelein;
Vergebens mühen sich die Lieder,
Vergebens quälen sie den Stein.
Faust.
So herrlich kam er nie
zur Schau.
Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
Nun sprich auch von der schönsten Frau!
Chiron.
Was!… Frauen-Schönheit will nichts heißen,
Nur solch ein Wesen kann
ich preisen
Das froh und lebenslustig quillt.
Die Schöne bleibt sich selber selig;
Die Anmuth macht unwiderstehlich,
Faust.
Du trugst sie?
Chiron.
Bin ich nicht schon
verwirrt genug,
Und solch ein Sitz muß mich beglücken!
Chiron.
Sie faßte so mich in das Haar
Faust.
O ganz und gar
Verlier’ ich mich! Erzähle wie?
Sie ist mein einziges Begehren!
Woher, wohin, ach, trugst du sie?
Chiron.
Die Frage läßt sich leicht gewähren.
Das Schwesterchen aus
Räuberfaust befreit.
Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,
Ermannten sich und stürmten hinterdrein.
Da hielten der Geschwister eiligen Lauf
Die Brüder wateten, ich
patschte, schwamm hinüber;
Da sprang sie ab und streichelte
Die feuchte Mähne, schmeichelte
Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt.
Faust.
Erst sieben Jahr!…
Chiron.
Ich seh’ die
Philologen,
Der Dichter bringt sie,
wie er’s braucht, zur Schau;
Stets appetitlicher
Gestalt,
Wird jung entführt, im Alter noch umfreit;
G’nug, den Poeten bindet keine Zeit.
Faust.
So sey auch sie durch keine Zeit gebunden!
Selbst außer aller Zeit.
Welch seltnes Glück:
Errungen Liebe gegen das Geschick!
Und sollt’ ich nicht, sehnsüchtigster Gewalt,
In’s Leben ziehn die einzigste Gestalt?
So groß als zart, so hehr
als liebenswürdig.
Du sahst sie einst, heut hab’ ich sie gesehn,
So schön wie reizend, wie ersehnt so schön.
Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen,
Chiron.
Mein fremder Mann! als Mensch bist du entzückt;
Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
Nun trifft sich’s hier zu deinem Glücke;
Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
Der Tochter Aesculaps; im
stillen Beten
Fleht sie zum Vater: daß, zu seiner Ehre,
Er endlich doch der Aerzte Sinn verkläre
Nicht fratzenhaft bewegt,
wohlthätig milde;
Ihr glückt es wohl, bei einigem Verweilen,
Mit Wurzelkräften dich von Grund zu heilen.
Faust.
Geheilt will ich nicht seyn! mein Sinn ist mächtig!
Chiron.
Versäume nicht das Heil der edlen Quelle!
Geschwind herab! Wir sind zur Stelle.
Faust.
Sag’ an! Wohin hast du, in grauser Nacht,
Durch Kiesgewässer, mich an’s Land gebracht?
Chiron.
Peneios rechts, links den
Olymp zur Seite,
Das größte Reich das sich im Sand verliert.
Der König flieht, der Bürger triumphirt.
Blick’ auf! hier steht, bedeutend nah,
Manto
(inwendig träumend).
Von Pferdes-Hufe
Erklingt die heilige Stufe,
Halbgötter treten heran.
Chiron.
Ganz recht!
Willkommen! ich seh’ du
bleibst nicht aus.
Chiron.
Steht dir doch auch dein Tempelhaus!
Manto.
Streifst du noch immer unermüdet?
Chiron.
Wohnst du doch immer still umfriedet,
Manto.
Ich harre, mich umkreis’t die Zeit.
Und dieser?
Chiron.
Die verruf’ne
Nacht
Hat strudelnd ihn hierher gebracht.
Helenen mit verrückten Sinnen,
Und weiß nicht wie und wo
beginnen;
Asklepischer Cur vor andern werth.
Manto.
Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt.
Chiron
(ist schon weit weg).
Manto.
Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen!
In des Olympus hohlem Fuß
Benutz’ es besser,
frisch! beherzt!
Plätschernd ziemt es da
zu schwimmen,
Lied um Lieder anzustimmen,
Dem unseligen Volk zu gut.
Ohne Wasser ist kein Heil!
Eilig zum ägäischen
Meere,
Schäumend kehrt die Welle
wieder,
Fließt nicht mehr im Bett darnieder;
Kies und Ufer berstend
raucht.
Flüchten wir! Kommt alle, kommt!
Niemand dem das Wunder frommt.
Fort! ihr edlen frohen Gäste
Ufernetzend, leise
schwellen;
Da wo Luna doppelt leuchtet,
Uns mit heiligem Thau befeuchtet.
Hier ein ängstlich
Erde-Beben;
Eile jeder Kluge fort!
Schauderhaft ist’s um den Ort.
Seismos
(in der Tiefe brummend und polternd).
Einmal noch mit Kraft geschoben,
So gelangen wir nach
oben,
Wo uns alles weichen muß.
Sphinxe.
Welch ein widerwärtig Zittern,
Häßlich grausenhaftes Wittern!
Schaukelnd Hin- und
Wiederstreben!
Welch unleidlicher Verdruß!
Doch wir ändern nicht die Stelle,
Bräche los die ganze Hölle.
Wundersam. Es ist
derselbe,
Jener Alte, längst Ergraute,
Er, mit Streben, Drängen,
Drücken,
Arme straff, gekrümmt den Rücken,
Wie ein Atlas an Gebärde,
Hebt er Boden, Rasen, Erde,
Unsres Ufers stille
Betten.
So zerreißt er eine Strecke
Quer des Thales ruhige Decke.
Angestrengtest, nimmer müde,
Trägt ein furchtbar
Steingerüste,
Noch im Boden bis zur Büste;
Weiter aber soll’s nicht kommen,
Sphinxe haben Platz genommen.
Seismos.
Man wird mir’s endlich
zugestehn:
Und hätt’ ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
Wie wäre diese Welt so schön? –
Wie ständen eure Berge droben
Hätt’ ich sie nicht
hervorgeschoben
Zu mahlerisch-entzückter Schau!
Als, Angesichts der höchsten Ahnen,
Der Nacht, des Chaos, ich mich stark betrug
Bis überdrüssig, noch
zuletzt
Wir dem Parnaß, als eine Doppelmütze,
Appollen hält ein froh
Verweilen
Dort nun mit seliger Musen Chor.
Selbst Jupitern und seinen Donnerkeilen
Hob ich den Sessel hoch empor.
Drang aus dem Abgrund ich
herauf,
Und fordre laut, zu neuem Leben,
Mir fröhliche Bewohner auf.
Sphinxe.
Uralt müßte man gestehen
Hätten wir nicht selbst
gesehen
Wie sich’s aus dem Boden würgte.
Bebuschter Wald verbreitet sich hinan,
Noch drängt sich Fels auf Fels bewegt heran;
Wir lassen uns im
heiligen Sitz nicht stören.
Greife.
Gold in Blättchen, Gold in Flittern
Durch die Ritzen seh’ ich zittern.
Laßt euch solchen Schatz nicht rauben;
Wie ihn die Riesigen
Empor geschoben,
Ihr Zappelfüßigen
Geschwind nach oben!
In solchen Ritzen
Ist jedes Bröselein
Werth zu besitzen.
Das Allermindeste
Auf das
geschwindeste
In allen Ecken.
Allemsig müßt ihr seyn,
Ihr Wimmelschaaren;
Den Berg laßt
fahren.
Greife.
Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf!
Wir legen unsre Klauen drauf,
Sind Riegel von der besten Art,
Pygmäen.
Haben wirklich Platz genommen,
Wissen nicht wie es geschah.
Fraget nicht woher wir kommen,
Eignet sich ein jedes
Land;
Zeigt sich eine Felsenritze,
Ist auch schon der Zwerg zur Hand.
Zwerg’ und Zwergin, rasch zum Fleiße,
Weiß nicht, ob es
gleicher Weise
Schon im Paradiese war.
Doch wir finden’s hier zum besten,
Segnen dankbar unsern Stern;
Zeugt die Mutter Erde
gern.
Daktyle.
Hat sie in einer Nacht
Die Kleinen hervorgebracht;
Sie wird die Kleinsten erzeugen,
Pygmäen-Aelteste.
Eilet, bequemen
Sitz einzunehmen,
Eilig zum Werke!
Schnelle für Stärke.
Baut euch die
Schmiede,
Harnisch und Waffen
Dem Heer zu schaffen.
Ihr Imsen alle,
Und ihr Daktyle,
Kleinste, so viele,
Euch sey befohlen
Schichtet zusammen
Heimliche Flammen,
Schaffet uns Kohlen.
Generalissimus.
Mit Pfeil und Bogen
An jenem Weiher
Schießt mir die Reiher
Unzählig nistende,
Hochmüthig brüstende,
Alle wie Einen;
Daß wir erscheinen
Mit Helm und Schmuck.
Imsen und Daktyle.
Wer wird uns retten!
Sie schmieden
Ketten.
Uns los zu reißen
Ist noch nicht zeitig,
Drum seyd geschmeidig.
Die Kraniche des Ibykus.
Dringt herauf zu
unsern Höhn!
Alle sind sie schon ertödtet,
Mißgestaltete
Begierde
Raubt des Reihers edle Zierde.
Weht sie doch schon auf dem Helme
Dieser Fettbauch-Krummbein-Schelme.
Reihenwanderer des
Meeres,
Euch berufen wir zur Rache
In so nahverwandter Sache.
Keiner spare Kraft und Blut,
(Zerstreuen sich
krächzend in den Lüften.)
Mephistopheles
(in der Ebene).
Die nordischen Hexen wußt’ ich wohl zu meistern,
Mir wird’s nicht just mit diesen fremden Geistern.
Der Blocksberg bleibt ein gar bequem Local,
Wo man auch sey, man findet sich zumal.
Auf seiner Höh’ wird Heinrich munter
seyn,
Die Schnarcher schnauzen zwar das Elend an,
Doch alles ist für tausend Jahr gethan.
Wer weiß denn hier nur wo er geht und steht,
Ich wandle lustig durch
ein glattes Thal
Von meinen Sphinxen mich
jedoch zu trennen
Das Thal hinab, und
flammt um’s Abenteuer…
Noch tanzt und schwebt mir lockend, weichend vor
Spitzbübisch gaukelnd, der galante Chor.
Nur sachte drauf! Allzugewohnt an’s Naschen
Lamien
(Mephistopheles nach sich ziehend).
Geschwind, geschwinder!
Und immer weiter!
Dann wieder zaudernd,
Geschwätzig plaudernd.
Den alten Sünder
Uns nach zu ziehen,
Zu schwerer Buße
Mit starrem Fuße
Einher gestolpert;
Er schleppt das Bein,
Wie wir ihn fliehen,
Uns hinterdrein.
Mephistopheles (stillstehend).
Von Adam her verführte
Hansen!
Alt wird man wohl, wer aber klug?
Nichts haben sie Gesundes
zu erwiedern,
Wo man sie anfaßt, morsch in allen Gliedern.
Man weiß, man sieht’s, man kann es greifen,
Und dennoch tanzt man wenn die Luder pfeifen.
Lamien (innehaltend).
Entgegnet ihm daß er euch
nicht entgeht!
Mephistopheles (fortschreitend).
Nur zu! und laß dich in’s Gewebe
Der Zweifeley nicht thörig ein;
Denn wenn es keine Hexen gäbe,
Lamien (anmuthigst).
Kreisen wir um diesen Helden;
Liebe wird in seinem Herzen
Sich gewiß für Eine melden.
Mephistopheles.
Zwar bei ungewissem Schimmer
Und so möcht’ ich euch
nicht schelten.
Empuse (eindringend).
Auch nicht mich! als eine solche
Laßt mich ein in eure Folge.
Lamien.
Die ist in unserm Kreis zuviel,
(zu Mephistopheles).
Begrüßt von Mühmichen Empuse,
Der Trauten mit dem Eselsfuße!
Du hast nur einen Pferdefuß,
Und doch, Herr Vetter, schönsten Gruß!
Mephistopheles.
Und finde leider
Nahverwandte,
Es ist ein altes Buch zu blättern:
Vom Harz bis Hellas immer Vettern!
Empuse.
Entschieden weiß ich gleich zu handeln,
Doch euch zu Ehren hab’
ich jetzt
Das Eselsköpfchen aufgesetzt.
Mephistopheles.
Ich merk’ es hat bei diesen Leuten
Verwandtschaft Großes zu bedeuten;
Den Eselskopf möcht’ ich
verleugnen.
Lamien.
Laß diese Garstige, sie verscheucht
Was irgend schön und lieblich däucht;
Was irgend schön und lieblich wär’,
Mephistopheles.
Auch diese Mühmchen, zart und schmächtig,
Fürcht’ ich doch auch
Metamorphosen.
Lamien.
Greif zu! Und hast du
Glück im Spiele
Erhasche dir das beste Loos.
Was soll das lüsterne Geleyer?
Du bist ein miserabler Freier,
Nun mischt er sich in
unsre Schaaren;
Laßt nach und nach die Masken fahren,
Und gebt ihm euer Wesen bloß.
Mephistopheles.
Die schönste hab’ ich mir erlesen...
(Sie umfassend.)
(Eine andere
ergreifend.)
Und diese?... Schmähliches Gesicht!
Lamien.
Verdienst du’s besser? dünk' es nicht.
Mephistopheles.
Die Kleine möcht’ ich mir verpfänden...
Lacerte schlüpft mir aus den Händen!
Dagegen faß’ ich mir die
Lange...
Da pack’ ich eine Thyrsusstange!
Den Pinienapfel als den Kopf.
Wo will’s hinaus?... Noch eine Dicke,
Recht quammig, quappig,
das bezahlen
Mit hohem Preis Orientalen…
Doch ach! der Bovist platzt entzwey!
Lamien.
Blitzartig, schwarzen
Flugs, umgebet
Den eingedrungnen Hexensohn!
Unsichre schauderhafte Kreise!
Schweigsamen Fittichs, Fledermäuse;
Mephistopheles
(sich schüttelnd).
Viel klüger, scheint es, bin ich nicht geworden;
Absurd ist’s hier, absurd im Norden,
Gespenster hier wie dort vertrackt,
Volk und Poeten abgeschmackt.
Wie überall ein
Sinnentanz.
Ich griff nach holden Maskenzügen
Und faßte Wesen daß mich’s schauerte…
Ich möchte gerne mich betrügen,
(Sich zwischen dem
Gestein ver[irren]d.)
Wo bin ich denn? Wo will’s hinaus?
Das war ein Pfad, nun ist’s ein Graus.
Ich kam daher auf glatten Wegen,
Wo find’ ich meine
Sphinxe wieder?
So toll hätt’ ich mir’s nicht gedacht,
Ein solch Gebirg in Einer Nacht!
Das heiß’ ich frischen Hexenritt,
Oreas (vom Naturfels).
Herauf hier! Mein Gebirg ist alt,
Steht in ursprünglicher Gestalt.
Verehre schroffe Felsensteige,
Des Pindus letztgedehnte Zweige.
Als über mich Pompejus
floh.
Daneben, das Gebild des Wahns,
Verschwindet schon beim Krähn des Hahns.
Dergleichen Mährchen seh’ ich oft entstehn
Mephistopheles.
Sey Ehre dir, ehrwürdiges Haupt!
Von hoher Eichenkraft umlaubt.
Der allerklarste Mondenschein
Dringt nicht zur Finsterniß herein. –
Ein Licht das gar
bescheiden glüht.
Wie sich das alles fügen muß!
Fürwahr! es ist Homunculus.
Und möchte gern im besten
Sinn entstehn,
Voll Ungeduld mein Glas entzwey zu schlagen;
Allein was ich bisher gesehn
Hinein da möcht’ ich mich nicht wagen.
Zwey Philosophen bin ich
auf der Spur,
Ich horchte zu, es hieß: Natur! Natur!
Von diesen will ich mich nicht trennen,
Sie müssen doch das irdische Wesen kennen;
Wohin ich mich am
allerklügsten wende.
Mephistopheles.
Das thu’ auf deine eigne Hand.
Denn, wo Gespenster Platz genommen,
Ist auch der Philosoph willkommen.
Erschafft er gleich ein
Dutzend neue.
Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.
Willst du entstehn, entsteh’ auf eigne Hand!
Homunculus.
Ein guter Rath ist auch nicht zu verschmähn.
Mephistopheles.
(Trennen sich.)
Anaxagoras (zu Thales).
Dein starrer Sinn will sich nicht beugen,
Die Welle beugt sich
jedem Winde gern,
Doch hält sie sich vom schroffen Felsen fern.
Anaxagoras.
Thales.
Im Feuchten ist Lebendiges erstanden.
Homunculus[4]
(zwischen beiden).
Laßt mich an eurer Seite gehn,
Mir selbst gelüstet’s zu entstehn!
Anaxagoras.
Hast du, o Thales, je, in Einer Nacht,
Thales.
Nie war Natur und ihr lebendiges Fließen
Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen.
Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
Und selbst im Großen ist es nicht Gewalt.
Anaxagoras.
Aeolischer Dünste
Knallkraft, ungeheuer,
Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste
Daß neu ein Berg sogleich entstehen mußte.
Thales.
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt?
Mit solchem Streit
verliert man Zeit und Weile
Schnell quillt der Berg
von Myrmidonen,
Die Felsenspalten zu bewohnen,
Und andre thätig kleine
Dinge.
(Zum Homunculus.)
Nie hast du Großem nachgestrebt,
Einsiedlerisch-beschränkt gelebt;
Kannst du zur Herrschaft dich gewöhnen,
Homunculus.
Was sagt mein Thales?
Thales.
Will’s nicht
rathen;
Mit Kleinen thut man kleine Thaten,
Mit Großen wird der Kleine groß.
Sieh hin! die schwarze Kranich-Wolke!
Und würde so dem König
drohn.
Mit scharfen Schnäbeln, Krallen-Beinen,
Sie stechen nieder auf die Kleinen;
Verhängniß-Wetter leuchtet schon.
Umstellend ruhigen
Friedensweiher.
Doch jener Mordgeschosse Regen,
Schafft grausam-blutigen Rache-Segen,
Erregt der Nahverwandten Wuth,
Was hilft der
Reiherstrahl den Zwergen?
Wie sich Daktyl und Imse bergen!
Schon wankt, es flieht, es stürzt das Heer.
Anaxagoras
(nach einer Pause feierlich).
So wend’ ich mich in
diesem Fall nach oben…
Du! droben ewig unveraltete,
Dreynamig-Dreygestaltete,
Dich ruf’ ich an bei meines Volkes Weh,
Du Brust-erweiternde, im
Tiefsten-sinnige,
Du ruhig-scheinende, gewaltsam-innige,
Eröffne deiner Schatten grausen Schlund,
Die alte Macht sey ohne Zauber kund!
(Pause.)
Hat mein Flehn
Nach jenen Höhn
Die Ordnung der Natur gestört?
Und größer, immer größer nahet schon
Dem Auge furchtbar,
ungeheuer!
In’s Düstre röthet sich sein Feuer…
Nicht näher! drohend-mächtige Runde,
In frevlend magischem
Vertrauen,
Von deinem Pfad herabgesungen?
Verderblichstes dir abgerungen?…
Das lichte Schild hat sich umdunkelt,
Welch ein Geprassel!
Welch ein Zischen!
Ein Donnern, Windgethüm dazwischen! –
Demüthig zu des Thrones Stufen –
Verzeiht! Ich hab’ es hergerufen.
(Wirft sich auf’s Angesicht.)
Thales.
Ich weiß nicht recht wie
uns geschah,
Auch hab’ ich’s nicht mit ihm empfunden.
Gestehen wir, es sind verrückte Stunden,
Und Luna wiegt sich ganz bequem
Homunculus.
Schaut hin nach der Pygmäen Sitz,
Der Berg war rund, jetzt ist er spitz.
Ich spürt’ ein ungeheures Prallen,
Der Fels war aus dem Mond gefallen,
So Freund als Feind
gequetscht, erschlagen.
Doch muß ich solche Künste loben,
Die schöpferisch, in einer Nacht,
Zugleich von unten und von oben,
Sey ruhig! Es war nur
gedacht.
Sie fahre hin die garstige Brut!
Daß du nicht König warst ist gut.
Nun fort zum heitern Meeresfeste,
(Entfernen sich.)
Mephistopheles
(an der Gegenseite kletternd).
Da muß ich mich durch steile Felsentreppen,
Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen!
Auf meinem Harz der harzige Dunst
Hat was vom Pech und das hat meine Gunst;
Ist von dergleichen kaum
die Spur zu riechen;
Neugierig aber wär’ ich, nachzuspüren
Womit sie Höllenqual und Flamme schüren.
Dryas.
In deinem Lande sey einheimisch klug,
Du solltest nicht den
Sinn zur Heimath kehren,
Der heiligen Eichen Würde hier verehren.
Mephistopheles.
Man denkt an das was man verließ,
Was man gewohnt war bleibt ein Paradies.
Die Phorkyaden! Wage dich
zum Ort,
Und sprich sie an, wenn dich nicht schauert.
Mephistopheles.
Warum denn nicht! – Ich sehe was, und staune!
Dergleichen hab’ ich nie
gesehn,
Die sind ja schlimmer als Alraune.…
Wird man die urverworfnen Sünden
Im mindesten noch häßlich finden,
Wir litten sie nicht auf
den Schwellen
Der grauenvollsten unsrer Höllen.
Hier wurzelt’s in der Schönheit Land,
Das wird mit Ruhm antik genannt.…
Sie zwitschern pfeifend,
Fledermaus-Vampyren.
Phorkyaden.
Gebt mir das Auge, Schwestern, daß es frage,
Wer sich so nah an unsre Tempel wage.
Mephistopheles.
Verehrteste! Erlaubt mir euch zu nahen
Ich trete vor, zwar noch
als Unbekannter,
Doch, irr’ ich nicht, weitläufiger Verwandter.
Altwürdige Götter hab’ ich schon erblickt,
Vor Ops und Rhea tiefstens mich gebückt;
Ich schweige nun und
fühle mich entzückt.
Phorkyaden.
Er scheint Verstand zu haben dieser Geist.
Mephistopheles.
Und sagt! wie kam’s, wie
konnte das geschehn?
Im Bilde hab’ ich nie euch Würdigste gesehn;
Versuch’s der Meißel doch euch zu erreichen,
Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen.
Phorkyaden.
Hat unser Drey noch nie
daran gedacht!
Mephistopheles.
Wie sollt’ es auch? da ihr der Welt entrückt,
Hier niemand seht und niemand euch erblickt.
Da müßtet ihr an solchen Orten wohnen
Wo jeden Tag, behend, im
Doppelschritt,
Ein Marmorblock als Held in’s Leben tritt.
Wo –
Phorkyaden.
Schweige still und gib uns kein Gelüsten!
Was hülf’ es uns und wenn wir’s besser wüßten?
Beinah uns selbst, ganz
allen unbekannt.
Mephistopheles.
In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen,
In zwey die Wesenheit der
drey zu fassen,
Der dritten Bildniß mir zu überlassen,
Auf kurze Zeit.
Eine.
Wie dünkt’s euch!
ging es an?
Die Andern.
Versuchen wir’s! – doch ohne Aug’ und Zahn.
Mephistopheles.
Wie würde da das
strengste Bild vollkommen!
Eine
Drück’ du ein Auge zu, ’s ist leicht geschehn,
Laß alsofort den Einen Raffzahn sehn,
Und, im Profil, wirst du sogleich erreichen
Mephistopheles.
Viel Ehr’! Es sey!
Phorkyaden.
Es sey!
Mephistopheles
(als Phorkyas im Profil).
Da steh’ ich
schon,
Des Chaos vielgeliebter Sohn!
Phorkyaden.
Des Chaos Töchter sind wir unbestritten.
Mephistopheles.
Wir haben zwey der Augen,
zwey der Zähne.
Mephistopheles.
Vor aller Augen muß ich mich verstecken,
Im Höllenpfuhl die Teufel zu erschrecken.
(auf den Klippen umher
gelagert, flötend und singend).
Haben sonst bei nächtigem Grauen
Frevelhaft
herabgezogen,
Blicke ruhig von dem Bogen
Deiner Nacht auf Zitterwogen
Mildeblitzend Glanzgewimmel,
Das sich aus den
Wogen hebt.
Dir zu jedem Dienst erbötig,
Schöne Luna sey uns gnädig!
Nereiden und Tritonen
(als Meerwunder).
Tönet laut in schärfern Tönen,
Vor des Sturmes
grausen Schlünden
Wichen wir zu stillsten Gründen,
Holder Sang zieht uns heran.
Uns mit goldnen
Ketten schmücken;
Auch zu Kron’ und Edelsteinen,
Spang- und Gürtelschmuck vereinen.
Alles das ist eure Frucht.
Habt ihr uns
herangesungen,
Ihr Dämonen unsrer Bucht.
Sirenen.
Wissen’s wohl, in Meeresfrische
Glatt behagen sich die Fische,
Doch! ihr festlich
regen Schaaren,
Heute möchten wir erfahren,
Daß ihr mehr als Fische seyd.
Nereiden und Tritonen.
Ehe wir hieher gekommen
Schwestern, Brüder,
jetzt geschwind!
Heut bedarf’s der kleinsten Reise,
Zum vollgültigsten Beweise,
Daß wir mehr als Fische sind.
Nach Samothrace
grade zu,
Verschwunden mit günstigem Wind.
Was denken sie zu vollführen
Im Reiche der hohen Kabiren?
Die sich immerfort
selbst erzeugen,
Und niemals wissen was sie sind.
Bleibe auf deinen Höhn,
Holde Luna, gnädig stehn;
Uns der Tag nicht
vertreibe.
Thales
(am Ufer zu Homunculus).
Ich führte dich zum alten Nereus gern;
Zwar sind wir nicht von seiner Höhle fern,
Doch hat er einen harten Kopf
Das ganze menschliche
Geschlecht
Macht’s ihm, dem Griesgram, nimmer recht.
Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,
Dafür hat jederman Respect,
Auch hat er manchem
wohlgethan.
Homunculus.
Probiren wir’s und klopfen an!
Sind’s Menschenstimmen
die mein Ohr vernimmt?
Gebilde, strebsam Götter
zu erreichen,
Und doch verdammt sich immer selbst zu gleichen.
Seit alten Jahren konnt’ ich göttlich ruhn,
Doch trieb mich’s an den Besten wohlzuthun;
So war es ganz als hätt’
ich nicht gerathen.
Thales.
Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir;
Du bist der Weise, treib’ uns nicht von hier!
Schau’ diese Flamme, menschenähnlich zwar,
Nereus.
Was Rath! Hat Rath bei Menschen je gegolten?
Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.
So oft auch That sich grimmig selbst gescholten,
Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor.
Eh’ sein Gelüst ein
fremdes Weib umgarnt.
Am griechischen Ufer stand er kühnlich da,
Ihm kündet ich was ich im Geiste sah:
Die Lüfte qualmend, überströmend Roth,
Troja’s Gerichtstag,
rhythmisch festgebannt,
Jahrtausenden so schrecklich als gekannt.
Des Alten Wort dem Frechen schien’s ein Spiel,
Des Pindus Adlern gar
willkommnes Mahl.
Ulyssen auch! sagt’ ich ihm nicht voraus
Der Circe Listen, des Cyklopen Graus?
Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn,
Bis vielgeschaukelt ihn,
doch spät genug,
Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug.
Thales.
Dem weisen Mann gibt solch Betragen Qual;
Der gute doch versucht es noch einmal.
Die Centner Undanks
völlig überwiegen.
Denn nichts Geringes haben wir zu flehn:
Der Knabe da wünscht weislich zu entstehn.
Nereus.
Verderbt mir nicht den seltensten Humor!
Die Töchter hab’ ich alle
herbeschieden,
Die Grazien des Meeres, die Doriden.
Nicht der Olymp, nicht euer Boden trägt
Ein schön Gebild das sich so zierlich regt.
Vom Wasserdrachen auf
Neptunus Pferde,
Dem Element auf’s zarteste vereint,
Daß selbst der Schaum sie noch zu heben scheint.
Im Farbenspiel von Venus Muschelwagen
In Paphos wird als Göttin
selbst verehrt.
Und so besitzt die Holde, lange schon,
Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron.
Nicht Haß dem Herzen,
Scheltwort nicht dem Munde.
Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann:
Wie man entstehn und sich verwandeln kann.
(Entfernt sich gegen das Meer.)
Thales.
Wir haben nichts durch diesen Schritt gewonnen,
Und steht er euch, so
sagt er nur zuletzt
Was Staunen macht und in Verwirrung setzt.
Du bist einmal bedürftig solchen Raths,
Versuchen wir’s und wandeln unsres Pfads!
(Entfernen sich.)
Sirenen
(oben auf den Felsen).
Das Wellenreich
durchgleiten?
Als wie nach Windes Regel
Anzögen weiße Segel,
So hell sind sie zu schauen,
Laßt uns herunter
klimmen,
Was wir auf Händen tragen
Soll allen euch behagen.
Entglänzt ein streng
Gebilde:
Sind Götter die wir bringen;
Müßt hohe Lieder singen.
Sirenen.
Klein von Gestalt,
Der Scheiternden
Retter,
Uralt verehrte Götter.
Nereiden und Tritonen.
Wir bringen die Kabiren,
Ein friedlich Fest zu führen;
Neptun wird freundlich
schalten.
Sirenen.
Wir stehen euch nach;
Wenn ein Schiff zerbrach,
Unwiderstehbar an Kraft
Nereiden und Tritonen.
Drey haben wir mitgenommen,
Der Vierte wollte nicht kommen,
Er sagte er sey der Rechte,
Macht wohl zu Spott.
Ehrt ihr alle Gnaden,
Fürchtet jeden Schaden.
Nereiden und Tritonen.
Sind eigentlich ihrer Sieben.
Sirenen.
Nereiden und Tritonen.
Wir wüßten’s nicht zu sagen,
Sind im Olymp zu erfragen,
Dort wes’t auch wohl der Achte,
An den noch niemand dachte!
Doch alle noch nicht
fertig.
Diese Unvergleichlichen
Wollen immer weiter,
Sehnsuchtsvolle Hungerleider
Sirenen.
Wir sind gewohnt:
Wo es auch thront,
In Sonn und Mond
Dieses Fest anzuführen!
Sirenen.
Die Helden des Alterthums
Ermangeln des Ruhms,
Wo und wie er auch prangt,
Ihr die Kabiren.
(Wiederholt als Altgesang.)
Wenn sie das goldne Vließ erlangt,
Wir! ihr! die Kabiren.
Nereiden und Tritonen
(ziehen vorüber).
Homunculus.
Die Ungestalten seh’ ich an
Nun stoßen sich die
Weisen dran
Und brechen harte Köpfe.
Thales.
Das ist es ja was man begehrt:
Der Rost macht erst die Münze werth.
Proteus (unbemerkt).
Je wunderlicher desto
respectabler.
Thales.
(bauchrednerisch, bald
nah, bald fern).
Hier! und hier!
Thales.
Den alten Scherz verzeih’ ich dir;
Doch, einem Freund nicht eitle Worte!
Proteus
(als aus der Ferne).
Leb’ wohl!
Thales
(leise zu Homunculus).
Er ist ganz nah.
Nun leuchte frisch,
Er ist neugierig wie ein Fisch;
Und wo er auch gestaltet stockt,
Durch Flammen wird er hergelockt.
Homunculus.
Bescheiden doch, daß ich
das Glas nicht sprenge.
Proteus
(in Gestalt einer Riesen-Schildkröte).
Was leuchtet so anmuthig schön?
Thales
(den Homunculus verhüllend).
Gut! Wenn du Lust hast kannst du’s näher sehn.
Die kleine Mühe lass’ dich nicht verdrießen,
Mit unsern Gunsten sey’s,
mit unserm Willen,
Weltweise Kniffe sind dir
noch bewußt.
Thales.
Gestalt zu wechseln bleibt noch deine Lust.
(Hat den Homunculus enthüllt.)
Proteus (erstaunt).
Thales.
Es fragt um Rath, und möchte gern entstehn.
Er ist, wie ich von ihm vernommen,
Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen.
Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
Bis jetzt gibt ihm das
Glas allein Gewicht,
Doch wär’ er gern zunächst verkörperlicht.
Proteus.
Du bist ein wahrer Jungfern-Sohn,
Eh’ du seyn solltest bist du schon!
Thales (leise).
Er ist, mich dünkt,
hermaphroditisch.
Proteus.
Da muß es desto eher glücken,
So wie er anlangt wird sich’s schicken.
Doch gilt es hier nicht viel besinnen,
Und freut sich Kleinste
zu verschlingen,
Man wächst so nach und nach heran,
Und bildet sich zu höherem Vollbringen.
Homunculus.
Es grunelt so und mir
behagt der Duft!
Proteus.
Das glaub’ ich, allerliebster Junge!
Und weiter hin wird’s viel behäglicher,
Auf dieser schmalen Strandeszunge
Da vorne sehen wir den
Zug,
Der eben herschwebt, nah genug.
Kommt mit dahin!
Thales.
Ich gehe mit.
Homunculus.
Dreyfach merkwürd’ger Geisterschritt!
auf Hippokampen und
Meerdrachen, Neptunens Dreyzack handhabend.
Chor.
Entgegnet Neptunus dem
gräulichen Rollen;
Und wie auch von oben es zackig erblitzt,
Und was auch dazwischen
in Aengsten gerungen,
Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen;
Weßhalb er uns heute den Scepter gereicht, –
Nun schweben wir festlich, beruhigt und leicht.
Sirenen.
Heiteren Tags
Gebenedeiten,
Gruß zur Stunde, die bewegt
Luna’s Hochverehrung regt!
Telchinen.
Alllieblichste Göttin am Bogen da droben!
Der seligen Rhodus
verleihst du ein Ohr,
Dort steigt ihm ein ewiger Päan hervor.
Beginnt er den Tagslauf und ist es gethan,
Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an.
Gefallen dem Gotte, sind
lieblich und helle.
Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein,
Ein Strahl und ein Lüftchen und die Insel ist rein!
Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden,
Wir ersten wir waren’s,
die Göttergewalt
Laß du sie singen,
laß sie prahlen!
Der Sonne heiligen Lebestrahlen
Das bildet,
schmelzend, unverdrossen;
Und haben sie’s in Erz gegossen,
Dann denken sie es wäre was.
Was ist’s zuletzt mit diesen Stolzen?
Zerstörte sie ein
Erdestoß;
Längst sind sie wieder eingeschmolzen.
Das Erdetreiben, wie’s auch sey,
Ist immer doch nur Plackerey;
Dich trägt in’s
ewige Gewässer
Proteus-Delphin.
(Er verwandelt sich.)
Schon ist’s
gethan!
Da soll es dir zum schönsten glücken,
Ich nehme dich auf meinen Rücken,
Thales.
Gib nach dem löblichen Verlangen
Von vorn die Schöpfung anzufangen!
Zu raschem Wirken sey bereit!
Da regst du dich nach ewigen Normen,
(besteigt den
Proteus-Delphin).
Proteus.
Komm geistig mit in feuchte Weite,
Da lebst du gleich in Läng’ und Breite,
Beliebig regest du dich hier;
Denn bist du erst ein
Mensch geworden,
Dann ist es völlig aus mit dir.
Thales.
Nachdem es kommt; ’s ist auch wohl fein
Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu seyn.
Proteus (zu Thales).
Das hält noch eine Weile
nach;
Denn unter bleichen Geisterschaaren
Seh’ ich dich schon seit vielen hundert Jahren.
Sirenen
(auf dem Felsen).
Welch ein Ring[6] von
Wölkchen ründet
Tauben sind es,
liebentzündet,
Fittige wie Licht so weiß.
Paphos hat sie hergesendet
Ihre brünstige Vogelschaar;
(zu Thales tretend).
Nennte wohl ein nächtiger Wandrer
Diesen Mondhof Lufterscheinung;
Doch wir Geister sind ganz andrer
Tauben sind es, die
begleiten
Meiner Tochter Muschelpfad,
Wunderflugs besondrer Art,
Angelernt vor alten Zeiten.
Thales.
Was dem wackern Mann
gefällt,
Wenn im stillen warmen Neste
Sich ein Heiliges lebend hält.
Psellen und Marsen
(auf Meerstieren, Meerkälbern und Widdern).
In Cyperns rauhen Höhle-Grüften,
Vom Seismos nicht
zerrüttet,
Umweht von ewigen Lüften,
Und, wie in den ältesten Tagen,
In still-bewußtem Behagen,
Und führen, beim Säuseln
der Nächte,
Durch liebliches Wellengeflechte
Unsichtbar dem neuen Geschlechte,
Weder Adler, noch
geflügelten Leuen,
Weder Kreuz noch Mond,
Wie es oben wohnt und thront,
Sich wechselnd wägt und regt,
Saaten und Städte
niederlegt.
Wir, so fortan,
Bringen die lieblichste Herrin heran,
Sirenen.
Leicht bewegt, in mäßiger Eile,
Bald verschlungen
Zeil’ an Zeile
Schlangenartig reihenweis,
Naht euch rüstige Nereiden,
Derbe Frau’n, gefällig wild,
Galate’n der Mutter
Bild:
Ernst, den Göttern gleich zu schauen,
Würdiger Unsterblichkeit,
Doch wie holde Menschenfrauen
Doriden
(im Chor am Nereus vorbeiziehend, sämmtlich auf Delphinen).
Leih’ uns Luna Licht und Schatten,
Klarheit diesem Jugendflor!
Denn wir zeigen liebe Gatten
Unserm Vater bittend vor.
Aus der Brandung
grimmem Zahn,
Sie, auf Schilf und Moos gebettet,
Aufgewärmt zum Licht heran;
Die es nun mit heißen Küssen
Schau’ die Holden
günstig an!
Nereus.
Hoch ist der Doppelgewinn zu schätzen:
Barmherzig seyn, und sich zugleich ergötzen.
Doriden.
Lobst du Vater unser Walten,
Lass’ uns fest,
unsterblich halten
Sie an ewiger Jugendbrust.
Nereus.
Mög’t euch des schönen Fanges freuen,
Den Jüngling bildet euch als Mann;
Was Zeus allein gewähren
kann.
Die Welle, die euch wogt und schaukelt,
Läßt auch der Liebe nicht Bestand,
Und hat die Neigung ausgegaukelt,
Doriden.
Ihr holde Knaben seyd uns werth;
Doch müssen wir traurig scheiden.
Wir haben ewige Treue begehrt,
Uns wackre
Schiffer-Knaben;
Wir haben’s nie so gut gehabt
Und wollen’s nicht besser haben.
Galatee
(auf dem Muschelwagen nähert sich).
Nereus.
Du bist es, mein Liebchen!
Galatee.
O Vater! das
Glück!
Nereus.
Vorüber schon, sie ziehen vorüber
In kreisenden Schwunges Bewegung!
Was kümmert sie die innre, herzliche Regung!
Ach! nähmen sie mich mit hinüber!
Daß er das ganze Jahr
ersetzt.
Thales.
Heil! Heil! auf’s neue!
Wie ich mich blühend freue,
Vom Schönen, Wahren durchdrungen…
Alles wird durch das
Wasser erhalten!
Ocean gönn’ uns dein ewiges Walten.
Wenn du nicht Wolken sendetest,
Die Ströme nicht
vollendetest,
Was wären Gebirge, was Ebnen und Welt?
Du bist’s der das frischeste Leben erhält.
Echo
(Chorus der sämmtlichen Kreise).
Du bist’s dem das frischeste Leben entquellt.
Nereus.
Bringen nicht mehr Blick
zu Blick;
In gedehnten Kettenkreisen
Sich festgemäß zu erweisen,
Windet sich die unzählige Schaar.
Seh’ ich schon und aber
schon,
Er glänzt wie ein Stern
Durch die Menge.
Geliebtes leuchtet durch’s Gedränge!
Schimmert’s hell und
klar,
Immer nah und wahr.
Homunculus.
In dieser holden Feuchte
Was ich auch hier beleuchte
Proteus.
In dieser Lebensfeuchte
Erglänzt erst deine Leuchte
Welch neues Geheimniß in
Mitte der Schaaren
Was flammt um die Muschel
um Galate’s Füße?
Bald lodert es mächtig, bald lieblich, bald süße,
Als wär’ es von Pulsen der Liebe gerührt?
Thales.
Homunculus ist es, von Proteus verführt…
Mir ahnet das Aechzen
beängsteten Dröhnens;
Er wird sich zerschellen am glänzenden Thron;
Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergießet sich schon.
Sirenen.
Welch feuriges Wunder verklärt uns die Wellen,
So leuchtet’s und
schwanket und hellet hinan:
Die Körper sie glühen auf nächtlicher Bahn,
Und rings ist alles vom Feuer umronnen;
So herrsche denn Eros der alles begonnen!
Von dem heiligen
Feuer umzogen;
Heil dem Wasser! Heil dem Feuer!
Heil dem seltnen Abenteuer!
All Alle!
Heil den mildgewognen Lüften!
Hochgefeiert seyd
allhier
Helena.
Bewundert viel und viel gescholten, Helena,
Vom Strande komm’ ich wo wir erst gelandet sind,
Geschaukel, das vom
phrygischen Blachgefild uns her
Auf sträubig-hohem Rücken, durch Poseidons Gunst
Und Euros Kraft in vaterländische Buchten trug.
Dort unten freuet nun der König Menelas
Du aber heiße mich
willkommen hohes Haus,
Das Tyndareos, mein Vater, nach dem Hange sich
Von Pallas Hügel wiederkehrend aufgebaut;
Und, als ich hier mit Klytämnestren schwesterlich,
Durch euer gastlich
ladendes Weiteröffnen einst
Geschah’s, daß mir, erwählt aus vielen, Menelas
Eröffnet mir sie wieder,
daß ich ein Eilgebot
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.
Cytherens Tempel
besuchend, heiliger Pflicht gemäß,
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört
Chor.
Verschmähe nicht, o herrliche Frau,
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert,
Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt.
Drum schreitet er
stolz,
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.
Helena.
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Doch welchen Sinn er
hegen mag errath’ ich nicht.
Und für der Griechen
lang’ erduldetes Mißgeschick?
Denn Ruf und Schicksal
bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweydeutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
Nur selten an, auch
sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne saß er gegen mir.
Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad
Hinangefahren, der vordern Schiffe Schnäbel kaum
Hier steigen meine
Krieger nach der Ordnung aus,
Ich mustre sie am Strand des Meeres hingereiht,
Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen
Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,
Bis daß zur schönen Ebene
du gelangen magst,
Wo Lakedämon, einst ein fruchtbar weites Feld,
Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut.
Betrete dann das hochgethürmte Fürstenhaus,
Gelassen, sammt der
klugen alten Schaffnerin.
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
In seinem Hause,
wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes wie er’s dort verließ.
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt.
Chor.
Dem stets
vermehrten, Augen und Brust;
Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck
Da ruhn sie stolz und sie dünken sich was;
Doch tritt nur ein und fordre sie auf,
Mich freuet zu sehn
Schönheit in dem Kampf
Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.
Helena.
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
Und mancherlei Gefäße,
die der Opfrer sich
Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch.
Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund;
Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sey
Der Flamme schnell
empfänglich, halte da bereit;
Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt;
Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge hin.
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
Und alles bleibe hohen
Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie däucht;
Geachtet seyn, die
Sterblichen wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des erdgebeugten Thieres Nacken weihend auf,
Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte
Chor.
Was geschehen werde sinnst du nicht aus.
Königin, schreite dahin
Guten Muths!
Gutes und Böses kommt
Auch verkündet
glauben wir’s nicht.
Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schmählichen Tod;
Und sind wir nicht hier
Schauen des Himmels
blendende Sonne
Und das schönste der Erde
Huldvoll, dich, uns Glücklichen!
Helena.
Sey’s wie es sey! Was auch bevorsteht, mir geziemt
Das lang entbehrt, und
viel ersehnt, und fast verscherzt,
Die hohen Stufen die ich
kindisch übersprang.
Chor.
Traurig gefangenen,
Alle Schmerzen in’s Weite;
Theilet der Herrin Glück,
Theilet Helenens Glück,
Zwar mit spät
zurückkehrendem,
Aber mit desto festerem
Fuße freudig herannaht.
Preiset die heiligen,
Und heimführenden
Götter!
Schwebt der Entbundene
Doch wie auf Fittigen
Ueber das Rauhste, wenn umsonst
Ueber die Zinne des
Kerkers hin,
Armausbreitend sich abhärmt.
Aber sie ergriff ein Gott
Die Entfernte;
Trug er hierher sie
zurück
In das alte, das neugeschmückte
Früher Jugendzeit
Angefrischt zu gedenken.
Panthalis
(als Chorführerin).
Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad
Und wendet nach der Thüre Flügeln euern Blick.
Mit heftigen Schrittes
Regung wieder zu uns her?
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterndes begegnen? Du verbirgst es nicht;
Ein edles Zürnen, das mit
Ueberraschung kämpft.
Helena
(welche die Thürflügel offen gelassen hat, bewegt).
Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht,
Und flüchtig-leise Schreckenshand berührt sie nicht;
Doch das Entsetzen, das dem Schoß der alten Nacht,
Wie glühende Wolken aus
des Berges Feuerschlund
Herauf sich wälzt, erschüttert auch des Helden Brust.
So haben heute grauenvoll die Stygischen
In’s Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern
Entlass’nem Gaste gleich,
entfernend scheiden mag.
Doch nein! gewichen bin ich her an’s Licht, und sollt’
Chorführerin.
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.
Helena.
Was ich gesehen sollt ihr selbst mit Augen sehn,
Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich
Doch daß ihr’s wisset,
sag’ ich’s euch mit Worten an:
Als ich des Königs-Hauses ernsten Binnenraum,
Der nächsten Pflicht gedenkend, feierlich betrat,
Erstaunt’ ich ob der öden Gänge Schweigsamkeit.
Dem Ohr, nicht
raschgeschäftiges Eiligthun dem Blick,
Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin,
Die jeden Fremden freundlich sonst begrüßenden.
Als aber ich dem Schoße des Herdes mich genaht,
Am Boden sitzen welch
verhülltes großes Weib,
Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden.
Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf,
Die Schaffnerin mir vermuthend, die indeß vielleicht
Doch eingefaltet sitzt
die unbewegliche;
Nur endlich rührt sie, auf mein Dräun, den rechten Arm,
Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg.
Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich
Allein das Wunder reißt
sich schnell vom Boden auf,
Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich
In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,
Doch red’ ich in die
Lüfte; denn das Wort bemüht
Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
Phöbus hinweg in Höhlen,
oder bändigt sie.
Phorkyas
(auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend).
Chor.
Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke
Jugendlich wallet mir um die Schläfe!
Schreckliches hab’ ich vieles gesehen,
Als es fiel.
Durch das umwölkte, staubende Tosen
Drängender Krieger hört’ ich die Götter
Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht
Mauerwärts.
Ach! sie standen noch, Ilios
Mauern, aber die Flammengluth
Mit des eignen
Sturmes Wehn,
Ueber die nächtliche Stadt hin.
Flüchtend sah ich, durch Rauch und Gluth
Und der züngelnden Flamme Lohe
Schreitend
Wundergestalten,
Riesengroß, durch düsteren
Feuerumleuchteten Qualm hin.
Sah ich’s, oder bildete
Solches Verworrene?
sagen kann
Nimmer ich’s; doch daß ich dieß
Gräßliche hier mit Augen schau’
Solches gewiß ja weiß ich;
Hielte von dem
Gefährlichen
Nicht zurücke die Furcht mich.
Welche von Phorkys
Töchtern nur bist du?
Diesem Geschlechte.
Bist du vielleicht der graugebornen,
Eines Auges und Eines Zahns
Wechselsweis theilhaftigen
Neben der Schönheit,
Dich vor dem Kennerblick
Phöbus zu zeigen?
Denn das Häßliche
schaut Er nicht,
Wie sein heiliges Auge noch
Nie erblickte den Schatten.
Doch uns Sterbliche nöthigt, ach
Zu dem unsäglichen
Augenschmerz,
Den das Verwerfliche, Ewig-unselige
Schönheitliebenden rege macht.
Ja so höre denn, wenn du frech
Höre jeglicher
Schelte Drohn
Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen,
Die von Göttern gebildet sind.
Phorkyas.
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:
Den Weg verfolgen über
der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Wenn nicht das Alter sie
vorher gebändigt hat.
Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
Laut-heiser klingendem
Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Wer seyd denn ihr, daß ihr des Königs Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
Du kriegerzeugte,
schlachterzogne, junge Brut!
Mannlustige du, so wie verführt, verführende!
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
Verzehrerinnen fremden
Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr!
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!
Helena.
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Denn ihr gebührt allein
das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Als wir der Irrfahrt
kummervolle Wechselnoth
Ertrugen, wo sonst jeder sich der nächste bleibt.
Auch hier erwart’ ich gleiches von der muntern Schaar;
Nicht was der Knecht sey, fragt der Herr, nur wie er dient.
Hast du das Haus des
Königs wohl verwahrt bisher,
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.
Phorkyas.
Das gottbeglückten
Herrschers hohe Gattin sich
Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient.
Da du, nun Anerkannte, nun den alten Platz
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
Nimm in Besitz den Schatz
und sämmtlich uns dazu.
Vor allem aber schütze mich die ältere
Vor dieser Schaar, die, neben deiner Schönheit Schwan,
Nur schlecht befittigt schnatterhafte Gänse sind.
Chorführerin.
Phorkyas.
(Von hier an erwiedern die Choretiden, einzeln aus dem Chor heraustretend.)
[192]Von Vater Erebus melde,
melde von Mutter Nacht.
Phorkyas.
So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.
Choretide 2.
An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheu'r empor.
Phorkyas.
Choretide 3.
Die dorten wohnen sind dir alle viel zu jung.
Phorkyas.
Tiresias, den Alten, gehe buhlend an.
Choretide 4.
Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.
Phorkyas.
Harpyen, wähn’ ich, fütterten dich im Unflath auf.
Choretide 5.
Phorkyas.
Mit Blute nicht, wonach du allzulüstern bist.
Choretide 6.
Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!
Phorkyas.
Vampyren-Zähne glänzen dir im frechen Maul.
Chorführerin.
Das deine stopf’ ich wenn ich sage wer du seyst.
Phorkyas.
Nicht zürnend, aber
trauernd schreit’ ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
In schnell vollbrachter
That wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her,
Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn,
Die mich umdrängen, daß
ich selbst zum Orcus mich
Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz.
Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich’s? Werd’ ich’s künftig seyn,
Die Mädchen schaudern,
aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständig Wort.
Phorkyas.
Wer langer Jahre mannichfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
In Lebensreihe sahst nur
Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.
Helena.
Durch Castor dann und
Pollux aber bald befreit,
Umworben standst du ausgesuchter Helden-Schaar.
Helena.
Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’,
Phorkyas.
Doch Vaterwille traute dich an Menelas,
Den kühnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.
Helena.
Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm.
Aus ehlichem Beiseyn sproßte dann Hermione.
Phorkyas.
Dir Einsamen da erschien
ein allzuschöner Gast.
Helena.
Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft?
Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs!
Phorkyas.
Auch jene Fahrt mir freigebornen Creterin
Helena.
Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher,
Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz.
Phorkyas.
Die du verließest, Ilios umthürmter Stadt
Unendlichkeit ergoß sich
über Brust und Haupt.
Phorkyas.
Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild,
In Ilios gesehen und in Aegypten auch.
Helena.
Verwirre wüsten Sinnes Aberwitz nicht gar.
Phorkyas.
Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf
Gesellte sich inbrünstig noch Achill zu dir!
Dich früher liebend gegen allen Geschicks Beschluß.
Helena.
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich.
Ich schwinde hin und
werde selbst mir ein Idol.
(Sinkt dem Halbchor in die Arme.)
Chor.
Schweige, schweige!
Mißblickende, mißredende du!
Aus so gräßlichen einzahnigen
Solchem furchtbaren
Gräuelschlund.
Denn der Bösartige wohlthätig erscheinend,
Wolfesgrimm unter schafwolligem Vließ,
Mir ist er weit schrecklicher als des drey-
Wann? wie? wo nur
bricht’s hervor
Solcher Tücke
Tiefauflauerndes Ungethüm?
Letheschenkenden
holdmildesten Worts,
Regest du auf aller Vergangenheit
Bösestes mehr denn Gutes,
Und verdüsterst allzugleich,
Auch der Zukunft
Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht.
Schweige, schweige!
Daß der Königin Seele,
Sich noch halte,
fest halte
Die Gestalt aller Gestalten
Welche die Sonne jemals beschien.
(Helena hat sich erholt und steht wieder in der Mitte.)
Phorkyas.
Tritt hervor aus flüchtigen Wolken hohe Sonne dieses Tags,
Wie die Welt sich dir
entfaltet schaust du selbst mit holdem Blick.
Tret’ ich schwankend aus
der Oede die im Schwindel mich umgab,
Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so müd’ ist mein Gebein:
Sich zu fassen, zu
ermannen, was auch drohend überrascht.
Phorkyas.
Stehst du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, daß du befiehlest, was befiehlst du? sprich es aus.
Helena.
Eures Haders frech Versäumniß auszugleichen seyd bereit,
Phorkyas.
Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreyfuß, scharfes Beil,
Zum Besprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig’ an.
Helena.
Nicht bezeichnet’ es der König.
Phorkyas.
Welch ein Jammer
überfällt dich?
Phorkyas.
Königin, du bist
gemeint!
Helena.
Phorkyas.
Und diese.
Chor.
Weh und Jammer!
Phorkyas.
Fallen wirst du
durch das Beil.
Helena.
Gräßlich! doch geahnt, ich Arme!
Phorkyas.
Unvermeidlich
scheint es mir.
Chor.
Ach! Und uns? was wird begegnen?
Phorkyas.
Sie stirbt einen
edlen Tod;
Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel trägt,
Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach.
Helena und Chor
Geschreckt vom Tag zu
scheiden der euch nicht gehört.
Die Menschen, die Gespenster sämmtlich gleich wie ihr,
Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein;
Doch bittet oder rettet niemand sie vom Schluß;
Genug ihr seyd verloren!
Also frisch an’s Werk.
(Klatscht in die Hände; darauf erscheinen an der Pforte
vermummte Zwerggestalten, welche die ausgesprochenen
Befehle alsobald mit Behendigkeit ausführen.)
Herbei du düstres, kugelrundes Ungethüm,
Wälzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust.
Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz;
Die Wasserkrüge füllet,
abzuwaschen gibt’s
Des schwarzen Blutes gräuelvolle Besudelung.
Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin,
Damit das Opfer niederkniee königlich,
Anständig würdig, aber
doch bestattet sey.
Chorführerin.
Die Königin stehet sinnend an der Seite hier,
Die Mädchen welken gleich gemähtem Wiesengras;
Mir aber däucht, der Aeltesten, heiliger Pflicht gemäß
Du bist erfahren, weise,
scheinst uns gut gesinnt,
Obschon verkennend hirnlos diese Schaar dich traf.
Ist leicht gesagt: von
der Königin hängt allein es ab
Entschlossenheit ist
nöthig und die behendeste.
Chor.
Ehrenwürdigste der Parzen, weiseste Sibylle du,
Halte gesperrt die goldne Scheere, dann verkünd’ uns Tag und Heil,
Denn wir fühlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln, unergötzlich
Ruhten drauf an Liebchens
Brust.
Helena.
Laß diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht;
Doch kennst du Rettung, dankbar sey sie anerkannt.
Dem Klugen, Weitumsichtigen zeigt fürwahr sich oft
Chor.
Sprich und sage, sag’ uns eilig: wie entrinnen wir den grausen,
Garstigen Schlingen, die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide,
Sich um unsre Hälse ziehen? Vorempfinden wir’s, die Armen,
Zum Entathmen, zum Ersticken, wenn du Rhea, aller Götter
Habt ihr Geduld des
Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.
Chor.
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Phorkyas.
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt
Wie auch das Dach zu
sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Doch umgeändert alles, wo
nicht gar zerstört.
Helena.
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Phorkyas.
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Gestad’ und Inseln, alles
streift’ er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Erhabnes Haus? wie stehet
es mit dem Reich umher?
Helena.
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
So viele Jahre stand
verlassen das Thal-Gebirg,
Taygetos im Rücken, wo
als muntrer Bach
Herab Eurotas rollt und dann durch unser Thal
An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt.
Dort hinten still im Gebirgthal hat ein kühn Geschlecht
Und unersteiglich feste
Burg sich aufgethürmt,
Von da sie Land und Leute placken wie’s behagt.
Helena.
Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint’s.
Phorkyas.
Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s.
Helena.
Phorkyas.
Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr.
Ich schelt’ ihn nicht und wenn er schon mich heimgesucht.
Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begnügt er sich
Mit wenigen Freigeschenken, nannt’ er’s, nicht Tribut.
Helena.
Phorkyas.
Nicht übel! mir
gefällt er schon.
Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,
Wie unter Griechen wenig, ein verständiger Mann.
Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht
Ich acht’ auf seine
Großheit, ihm vertraut’ ich mich.
Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn!
Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk
Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt,
Auf rohe Steine stürzend;
dort hingegen, dort
Ist alles senk- und wagerecht und regelhaft.
Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor,
So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl.
Und innen großer Höfe
Raumgelasse, rings
Mit Baulichkeit umgeben aller Art und Zweck.
Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen,
Altane, Galerie’n zu schauen aus und ein,
Chor.
Was sind Wappen?
Phorkyas.
Ajax führte ja
Geschlungne Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn.
Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerey’n
Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll.
Da sah man Mond und Stern’ am nächtigen Himmelsraum,
Und was Bedrängliches
guten Städten grimmig droht.
Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschaar
Auch Streifen, gold und
schwarz und silbern, blau und roth.
Dergleichen hängt in Sälen Reih’ an Reihe fort,
In Sälen, gränzenlosen, wie die Welt so weit;
Da könnt ihr tanzen!
Chor.
Sage, gibt’s auch
Tänzer da?
Phorkyas.
Die duften Jugend! Paris
duftete einzig so,
Als er der Königin zu nahe kam.
Helena.
Du fällst
Ganz aus der Rolle, sage mir das letzte Wort!
Phorkyas.
Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja!
Chor.
O sprich
Das kurze Wort! und rette dich und uns zugleich.
Helena.
Wie? sollt’ ich fürchten, daß der König Menelas
So grausam sich verginge mich zu schädigen?
Phorkyas.
Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,
Und stümmelte mehr so;
Gräuel war es anzuschaun.
Helena.
Das that er jenem, meinetwegen that er das.
Phorkyas.
Untheilbar ist die
Schönheit; der sie ganz besaß
Zerstört sie lieber, fluchend jedem Theilbesitz.
(Trompeten in der Ferne, der Chor fährt zusammen.)
Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid’
Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht
Was einst er besaß und
nun verlor, nicht mehr besitzt.
Chor.
Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?
Phorkyas.
Sey willkommen Herr und König, gerne geb’ ich Rechenschaft.
Chor.
Aber wir?
Phorkyas.
Ihr wißt es
deutlich, seht vor Augen ihren Tod,
(Pause.)
Helena.
Ich sann mir aus das Nächste was ich wagen darf.
Ein Widerdämon bist du, das empfind’ ich wohl,
In tiefem Busen
geheimnißvoll verbergen mag,
Sey jedem unzugänglich. Alte! geh’ voran.
Chor.
O wie gern gehen wir hin,
Eilenden Fußes;
Vor uns abermals
Ragender Veste
Unzugängliche Mauer.
Schütze sie eben so gut,
Die doch endlich nur
Niederträchtiger List erlag.
(Nebel verbreiten sich, umhüllen den Hintergrund, auch die Nähe, nach
Belieben.)
Wie? aber wie!
Schwestern schaut euch um!
Nebel schwanken
streifig empor
Aus Eurotas heil’ger Fluth;
Schon entschwand das liebliche
Schilfumkränzte Gestade dem Blick,
Sanfthingleitenden
Schwäne
In gesell’ger Schwimmlust
Tönen fern heiseren
Ton!
Tod verkündenden sagen sie;
Ach daß uns er nur nicht auch,
Statt verheißener Rettung Heil,
Uns den
schwangleichen, lang-
Schön weißhalsigen, und ach!
Uns’rer Schwanerzeugten.
Weh uns, weh, weh!
Rings mit Nebel
umher.
Sehen wir doch einander nicht!
Was geschieht? gehen wir?
Schweben wir nur
Siehst du nichts?
schwebt nicht etwa gar
Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab
Heischend, gebietend uns wieder zurück
Zu dem unerfreulichen, grautagenden,
Ueberfüllten, ewig
leeren Hades?
Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel
(Innerer Burghof, umgeben von reichen phantastischen Gebäuden des Mittelalters.)
Vorschnell und thöricht,
ächt wahrhaftes Weibsgebild!
Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung
Des Glücks und Unglücks, keins von beiden wißt ihr je
Der andern heftig,
überquer die andern ihr;
In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Ton’s.
Nun schweigt! und wartet horchend was die Herrscherin
Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.
Helena.
Aus diesen Gewölben tritt
hervor der düstern Burg.
Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;
Chorführerin.
Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;
Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht
Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,
Der wundersam aus vielen
eins gewordnen Burg,
Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.
Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits
In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch
Vornehm-willkommnen
Gastempfang verkündet es.
Chor.
Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin,
Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt
Jungholdeste Schaar anständig bewegt
Nur erscheinen
gereiht und gebildet so früh,
Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?
Was bewundr’ ich zumeist! Ist es zierlicher Gang,
Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,
Und eben auch so
weichwollig beflaumt?
Gern biß ich hinein, doch ich schaudre davor,
Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund
Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.
Sie kommen
daher;
Was tragen sie nur?
Stufen zum Thron,
Teppich und Sitz,
artigen
Schmuck,
Unsrer Königin
Haupt;
Eingeladen
herrlichen Pfühl.
Tretet heran,
Stufe für Stufe,
Reihet euch ernst.
Sey gesegnet
ein solcher Empfang!
(Alles vom Chor Ausgesprochene geschieht nach und nach.)
(Nachdem Knaben und Knappen in langem Zug herabgestiegen, erscheint er oben an der Treppe in ritterlicher Hofkleidung des Mittelalters und kommt langsam würdig herunter.)
(ihn aufmerksam
beschauend).
Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter thun,
Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,
Erhabnen Anstand, liebenswerthe Gegenwart
Was er beginnt gelingen,
sey’s in Männerschlacht,
So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Frau’n.
Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,
Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.
(herantretend, einen
Gefesselten zur Seite).
Statt feierlichsten Grußes, wie sich ziemte,
Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring’ ich dir
In Ketten hartgeschlossen solchen Knecht,
Hier kniee nieder! dieser
höchsten Frau
Bekenntniß abzulegen deiner Schuld.
Dieß ist, erhabne Herrscherin, der Mann
Mit seltnem Augenblitz vom hohen Thurm
Und Erdenbreite scharf zu
überspähn,
Was etwa da und dort sich melden mag,
Vom Hügelkreis in’s Thal zur festen Burg
Sich regen mag, der Heerden Woge sey’s,
Begegnen diesem. Heute,
welch Versäumniß!
Du kommst heran, er meldet’s nicht, verfehlt
Ist ehrenvollster schuldigster Empfang
So hohen Gastes. Freventlich verwirkt
Verdienten Todes; doch
nur du allein
Bestrafst, begnadigst, wie dir’s wohl gefällt.
Helena.
So hohe Würde wie du sie vergönnst,
Als Richterin, als Herrscherin, und wär’s
So üb’ ich nun des
Richters erste Pflicht
Laß mich knieen, laß
mich schauen,
Laß mich sterben, laß mich leben,
Dieser gottgegebnen
Frauen.
Harrend auf des Morgens Wonne,
Oestlich spähend ihren Lauf,
Ging auf einmal mir die Sonne
Zog den Blick nach jener Seite,
Statt der Schluchten, statt der Höhn,
Statt der Erd- und Himmelsweite,
Sie die Einzige zu spähn.
Wie dem Luchs auf
höchstem Baum;
Doch nun mußt’ ich mich bemühen
Wie aus tiefem düsterm Traum.
Wüßt’ ich irgend mich zu finden?
Nebel schwanken,
Nebel schwinden,
Solche Göttin tritt hervor!
Aug’ und Brust ihr zugewendet
Sog ich an den milden Glanz,
Völlig das
beschworne Horn;
Drohe nur mich zu vernichten,
Helena.
Das Uebel das ich brachte darf ich nicht
Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick
Verfolgt mich, überall der Männer Busen
So zu bethören, daß sie weder sich
Verführend, fechtend, hin
und her entrückend,
Halbgötter, Helden, Götter, ja Dämonen,
Sie führten mich im Irren her und hin.
Einfach die Welt verwirrt’ ich, doppelt mehr,
Entferne diesen Guten,
laß ihn frei;
Den Gottbethörten treffe keine Schmach.
Faust.
Erstaunt, o Königin, seh’ ich zugleich
Die sicher Treffende, hier den Getroffnen;
Verwundet jenen. Pfeile
folgen Pfeilen
Mich treffend. Allwärts ahn’ ich überquer
Gefiedert schwirrend sie in Burg und Raum.
Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
Unsicher. Also fürcht’
ich schon, mein Heer
Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
Dich Herrin anerkennen,
die sogleich
Auftretend sich Besitz und Thron erwarb.
Lynceus
(mit einer Kiste und Männer die ihm andere nachtragen).
Du siehst mich, Königin, zurück!
Der Reiche bettelt einen Blick,
Sich bettelarm und
fürstenreich.
Was war ich erst? was bin ich nun?
Was ist zu wollen? was zu thun?
Was hilft der Augen schärfster Blitz!
Von Osten kamen wir heran
Und um den Westen war’s gethan;
Ein lang und breites Volksgewicht,
Der erste wußte vom letzten nicht.
Des dritten Lanze
war zur Hand;
Ein jeder hundertfach gestärkt,
Erschlagne Tausend unbemerkt.
Wir drängten fort, wir stürmten fort,
Und wo ich herrisch
heut befahl
Der griff die
allerschönste Frau,
Die Pferde mußten
alle mit.
Ich aber liebte zu erspähn
Das Seltenste was man gesehn,
Und was ein andrer auch besaß,
Den Schätzen war ich auf der Spur,
Den scharfen Blicken folgt’ ich nur,
In alle Taschen blickt’ ich ein,
Durchsichtig war mir jeder Schrein.
Am herrlichsten der
Edelstein:
Nun der Smaragd allein verdient
Daß er an deinem Herzen grünt.
Nun schwanke zwischen Ohr und Mund
Rubinen werden gar
verscheucht,
Das Wangenroth sie niederbleicht.
Und so den allergrößten Schatz
Versetz’ ich hier auf deinen Platz,
Der Eisenkisten hab’
ich mehr;
Erlaube mich auf deiner Bahn
Denn du bestiegest kaum den Thron,
So neigen schon, so beugen schon
Verstand und Reichthum und Gewalt
Sich vor der einzigen Gestalt.
Nun aber lose, wird
es dein,
Ich glaubt’ es würdig, hoch und baar,
Nun seh’ ich, daß es nichtig war.
Verschwunden ist was ich besaß,
O gib mit einem
heitern Blick
Ihm seinen ganzen Werth zurück!
Faust.
Entferne schnell die kühn erworbne Last,
Zwar nicht getadelt aber unbelohnt.
Im Schoß verbirgt,
Besondres ihr zu bieten
Ist unnütz. Geh’ und häufe Schatz auf Schatz
Geordnet an. Der ungeseh’nen Pracht
Erhabnes Bild stell’ auf! Laß die Gewölbe
An Teppich Teppiche sich
wälzen; ihrem Tritt
Begegne sanfter Boden; ihrem Blick,
Lynceus.
Schwach ist was der Herr befiehlt,
Thut’s der Diener, es ist gespielt:
Herrscht doch über Gut und Blut
Dieser Schönheit Uebermuth.
Alle Schwerter
stumpf und lahm,
Vor der herrlichen Gestalt
Selbst die Sonne matt und kalt,
Vor dem Reichthum des Gesichts
(Ab.)
Helena (zu Faust).
Ich wünsche dich zu sprechen, doch herauf
An meine Seite komm’! der leere Platz
Beruft den Herrn und sichert mir den meinen.
Faust.
Erst knieend laß die treue Widmung dir
An deine Seite hebt, laß
mich sie küssen.
Bestärke mich als Mitregenten deines
Gränzunbewußten Reichs, gewinne dir
Verehrer, Diener, Wächter all’ in Einem.
Helena.
Doch wünscht’ ich
Unterricht, warum die Rede
Des Mann’s mir seltsam klang, seltsam und freundlich.
Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,
Ein andres kommt, dem
ersten liebzukosen.
Faust.
Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker
O so gewiß entzückt auch der Gesang,
Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.
Die Wechselrede lockt es,
ruft’s hervor.
Helena.
So sage denn, wie sprech’ ich auch so schön?
Faust.
Das ist gar leicht, es muß vom Herzen gehn.
Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,
Helena.
Wer mit genießt,
Faust.
Nun schaut der Geist nicht vorwärts nicht zurück,
Die Gegenwart allein –
Helena.
Ist unser Glück.
Faust.
Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;
Meine Hand.
Chor.
Gönnet sie dem Herrn der
Burg
Freundliches Erzeigen.
Denn gesteht, sämmtliche sind wir
Ja Gefangene, wie schon öfter
Ilios und der ängstlich-
Labyrinthischen Kummerfahrt.
Fraun, gewöhnt an Männerliebe,
Wählerinnen sind sie nicht,
Und wie goldlockigen
Hirten,
Vielleicht schwarzborstigen Faunen,
Wie es bringt die Gelegenheit,
Ueber die schwellenden Glieder
Nah und näher sitzen sie
schon
An einander gelehnet,
Schulter an Schulter, Knie an Knie;
Hand in Hand wiegen sie sich
Aufgepolsterter
Herrlichkeit.
Nicht versagt sich die Majestät
Heimlicher Freuden
Vor den Augen des Volkes
Ich fühle mich so fern
und doch so nah,
Und sage nur zu gern: da bin ich! da!
Faust.
Ich athme kaum, mir zittert, stockt das Wort,
Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
Helena.
In dich verwebt, dem
Unbekannten treu.
Faust.
Durchgrüble nicht das einzigste Geschick,
Daseyn ist Pflicht und wär’s ein Augenblick.
Phorkyas (heftig eintretend).
Buchstabirt in Liebes-Fibeln,
Müßig liebelt fort
im Grübeln,
Doch dazu ist keine Zeit.
Fühlt ihr nicht ein dumpfes Wettern?
Hört nur die Trompete schmettern,
Menelas mit
Volkes-Wogen
Kommt auf euch herangezogen;
Rüstet euch zu herbem Streit!
Von der Sieger-Schaar umwimmelt,
Büßest du das
Fraun-Geleit.
Bammelt erst die leichte Waare,
Dieser gleich ist am Altare
Auch nicht in Gefahren
mag ich sinnlos Ungestüme.
Den schönsten Boten Unglücksbotschaft häßlicht ihn;
Du Häßlichste gar nur schlimme Botschaft bringst du gern.
Doch dießmal soll dir’s nicht gerathen, leeres Hauchs
(Signale, Explosionen von den Thürmen, Trompeten und Zinken, kriegerische Musik, Durchmarsch gewaltiger Heereskraft.)
Nein gleich sollst
du versammelt schauen
Der Helden ungetrennten Kreis:
Nur der verdient die Gunst der Frauen,
(Zu den Heerführern,
die sich von den Colonnen absondern und herantreten.)
Mit angehaltnem stillen Wüthen,
Das euch gewiß den Sieg verschafft,
Ihr Nordens jugendliche Blüthen,
Ihr Ostens blumenreiche Kraft.
Die Schaar die Reich
um Reich zerbrach,
Sie treten auf, die Erde schüttert,
Und alle kleinen
Königsbande
Zersprengt das ungebundne Heer.
Drängt ungesäumt von diesen Mauern
Jetzt Menelas dem Meer zurück!
Ihm war es Neigung
und Geschick.
Herzoge soll ich euch begrüßen,
Gebietet Sparta’s Königin,
Nun legt ihr Berg und Thal zu Füßen,
Germane du! Corinthus Buchten
Vertheidige mit Wall und Schutz,
Achaia dann mit hundert Schluchten
Empfehl’ ich Gothe deinem Trutz.
Messene sey der
Sachsen Loos,
Normanne reinige die Meere
Und Argolis erschaff’ er groß.
Dann wird ein jeder häuslich wohnen,
Doch Sparta soll
euch überthronen,
Des Landes dem kein
Wohl gebricht;
Bestätigung und
Recht und Licht.
(Faust steigt herab, die Fürsten schließen einen Kreis um ihn, Befehl und
Anordnung näher zu vernehmen.)
Chor.
Wer die Schönste für sich begehrt,
Tüchtig vor allen Dingen
Seh’ er nach Waffen weise sich um;
Was auf Erden das
Höchste;
Aber ruhig besitzt er’s nicht:
Schleicher listig entschmeicheln sie ihm,
Räuber kühnlich entreißen sie ihm,
Unsern Fürsten lob’ ich drum,
Schätz’ ihn höher vor andern,
Wie er so tapfer klug sich verband,
Daß die Starken gehorchend stehn
Seinen Befehl
vollziehn sie treu,
Jeder sich selbst zu eignem Nutz,
Wie dem Herrscher zu lohnendem Dank,
Beiden zu höchlichem Ruhmes-Gewinn.
Doppelt von uns
gegönnt, die er
Sammt ihr zugleich innen mit sicherster Mauer,
Faust.
Die Gaben, diesen hier verliehen –
An jeglichen ein reiches Land –
Sind groß und herrlich, laß sie ziehen!
Wir halten in der Mitte Stand.
Rings um von Wellen
angehüpft,
Nichtinsel dich, mit leichter Hügelkette
Europens letztem Bergast angeknüpft.
Das Land, vor aller Länder Sonnen
Nun meiner Königin
gewonnen,
Das früh an ihr hinaufgeblickt.
Als, mit Eurotas Schilfgeflüster,
Sie leuchtend aus der Schale brach,
Das Licht der Augen
überstach.
Dieß Land, allein zu dir gekehret,
Entbietet seinen höchsten Flor;
Dem Erdkreis, der dir angehöret,
Und duldet auch auf
seiner Berge Rücken
Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,
Läßt nun der Fels sich angegrünt erblicken,
Die Ziege nimmt genäschig kargen Theil.
Und schon sind
Schluchten, Hänge, Matten grün.
Auf hundert Hügeln unterbrochner Fläche
Siehst Wollenheerden ausgebreitet ziehn.
Vertheilt, vorsichtig, abgemessen schreitet
Doch Obdach ist den
sämmtlichen bereitet,
Zu hundert Höhlen wölbt sich Felsenwand.
Pan schützt sie dort und Lebensnymphen wohnen
In buschiger Klüfte feucht erfrischtem Raum,
Erhebt sich zweighaft
Baum gedrängt an Baum.
Alt-Wälder sind’s! die Eiche starret mächtig,
Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;
Der Ahorn mild, von süßem Safte trächtig,
Und mütterlich im stillen Schattenkreise
Quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm;
Obst ist nicht weit, der Ebnen reife Speise,
Die Wange heitert wie der
Mund,
Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich,
Sie sind zufrieden und gesund.
Und so entwickelt sich am reinen Tage
Wir staunen drob; noch
immer bleibt die Frage:
Ob’s Götter, ob es Menschen sind?
So war Apoll den Hirten zugestaltet
Daß ihm der schönsten einer glich;
Ergreifen alle Welten
sich.
(Neben ihr sitzend.)
So ist es mir, so ist es dir gelungen,
Vergangenheit sey hinter uns gethan;
O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen,
Nicht feste Burg soll dich umschreiben!
Noch zirkt, in ewiger Jugendkraft
Für uns, zu wonnevollem Bleiben,
Arkadien in Sparta’s Nachbarschaft.
Du flüchtetest in’s
heiterste Geschick!
Zur Laube wandeln sich die Thronen,
(Der Schauplatz verwandelt sich durchaus. An eine Reihe [227] von Felsenhöhlen lehnen sich geschlossene Lauben. Schattiger Hain bis an die rings umgebende Felsensteile hinan. Faust und Helena werden nicht gesehen. Der Chor liegt schlafend vertheilt umher.)
Wie lange Zeit die
Mädchen schlafen weiß ich nicht,
Vor Augen sah, ist
ebenfalls mir unbekannt.
Drum weck’ ich sie. Erstaunen soll das junge Volk;
Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt,
Glaubhafter Wunder Lösung endlich anzuschaun.
Schlaf aus den Augen!
Blinzt nicht so, und hört mich an!
Chor.
Rede nur, erzähl’, erzähle was sich Wunderlich’s begeben,
Hören möchten wir am liebsten was wir gar nicht glauben können,
Denn wir haben lange Weile diese Felsen anzusehn.
Phorkyas.
So vernehmt: in diesen
Höhlen, diesen Grotten, diesen Lauben
Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare,
Wie, da drinnen?
Phorkyas.
Abgesondert
Von der Welt, nur mich die Eine riefen sie zu stillem Dienste.
Schaut’ ich um nach etwas
andrem. Wendete mich hier- und dorthin,
Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten,
Und so blieben sie allein.
Chor.
Thust du doch als ob da drinnen ganze Weltenräume wären,
Phorkyas.
Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte Tiefen:
Saal an Sälen, Hof an Höfen, diese spürt’ ich sinnend aus.
Doch auf einmal ein Gelächter echo’t in den Höhlen-Räumen;
Schau’ ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Schoß zum Manne,
Wechselnd übertäuben
mich.
Nackt ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Thierheit
Springt er auf den festen Boden, doch der Boden gegenwirkend
Rührt er an das
Hochgewölb.
Aengstlich ruft die Mutter: springe wiederholt und nach Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen, freier Flug ist dir versagt.
Und so mahnt der treue Vater: in der Erde liegt die Schnellkraft,
Wie der Erdensohn Antäus
bist du alsobald gestärkt.
Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante
Zu dem andern und umher so wie ein Ball geschlagen springt.
Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden,
Achselzuckend steh’ ich
ängstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen!
Quasten schwanken von den
Armen, Binden flattern um den Busen,
Tritt er wohlgemuth zur
Kante, zu dem Ueberhang; wir staunen.
Und die Eltern vor Entzücken werfen wechselnd sich an’s Herz.
Denn wie leuchtet’s ihm zu Haupten? Was erglänzt ist schwer zu sagen,
Ist es Goldschmuck, ist es Flamme übermächtiger Geisteskraft.
Künftigen Meister alles
Schönen, dem die ewigen Melodieen
Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr ihn hören,
Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung.
Chor.
Nennst du ein Wunder dieß,
Dichtend belehrendem
Wort
Hast du gelauscht wohl nimmer?
Niemals noch gehört Ioniens,
Nie vernommen auch Hellas
Heutiges Tages
Trauriger Nachklang ist’s
Nicht vergleicht
sich dein Erzählen
Dem, was liebliche Lüge,
Glaubhaftiger als Wahrheit,
Von dem Sohne sang der Maja.
Kaum geborenen
Säugling
Faltet in reinster Windeln Flaum,
Strenget in köstlicher Wickeln Schmuck
Klatschender Wärterinnen Schaar
Kräftig und zierlich
aber zieht
Schon der Schalk die geschmeidigen
Doch elastischen Glieder
Listig heraus, die purpurne
Lassend ruhig an
seiner Statt,
Gleich dem fertigen Schmetterling,
Der aus starrem Puppenzwang
Flügel entfaltend behendig schlüpft,
Und muthwillig
durchflatternd.
So auch er, der behendeste,
Dieß bethätigt er
alsobald
Durch gewandteste Künste.
Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt
Er den Trident, ja dem Ares selbst
Bogen und Pfeil dem
Phöbus auch,
Wie dem Hephästos die Zange;
Selber Zeus, des Vaters, Blitz
Nähm’ er, schreckt’ ihn das Feuer nicht;
In beinstellendem
Ringerspiel.
Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kos’t,
Noch vom Busen den Gürtel.
(Ein reizendes, reinmelodisches Saitenspiel erklingt aus der Höhle.
Alle merken auf und scheinen bald innig gerührt. Von hier
an bis zur bemerkten Pause durchaus mit vollstimmiger Musik.)
Phorkyas.
Höret allerliebste Klänge,
Eurer Götter alt
Gemenge
Laßt es hin, es ist vorbei.
Niemand will euch mehr verstehen,
Fordern wir doch höhern Zoll:
Was auf Herzen
wirken soll.
Bist du fürchterliches
Wesen
Diesem Schmeichelton geneigt,
Fühlen wir als frisch genesen,
Laß der Sonne Glanz verschwinden,
Wenn es in der Seele tagt,
Wir im eignen Herzen finden
Was die ganze Welt versagt.
Helena. Faust. Euphorion
(in dem oben beschriebenen Costume).
Euphorion.
Gleich ist’s euer
eigner Scherz;
Seht ihr mich im Tacte springen,
Hüpft euch elterlich das Herz.
Helena.
Liebe, menschlich zu beglücken,
Doch zu göttlichem
Entzücken
Bildet sie ein köstlich Drey.
Faust.
Alles ist sodann gefunden:
Ich bin dein und du bist mein;
Wohlgefallen vieler Jahre
In des Knaben mildem Schein
Sammelt sich auf diesem Paare.
Euphorion.
Nun laßt mich hüpfen,
Nun laßt mich springen,
Zu allen Lüften
Hinauf zu dringen
Sie faßt mich schon.
Faust.
Nur mäßig! mäßig!
Nicht in’s Verwegne,
Daß Sturz und Unfall
Zu Grund’ uns richte
Der theure Sohn.
Euphorion.
Ich will nicht länger
Am Boden stocken;
Laßt meine Locken,
Laßt meine Kleider,
O denk’! o denke
Wie es uns kränke,
Wie du zerstörest
Das schön errungene
Mein, Dein und Sein.
Chor.
Sich der Verein!
Helena und Faust.
Bändige! bändige,
Eltern zu Liebe,
Ueberlebendige
Ländlich im Stillen
Ziere den Plan.
Euphorion.
Nur euch zu Willen
Halt’ ich mich an.
(Durch den Chor sich schlingend und ihn zum Tanz fortziehend.)
Muntres Geschlecht.
Ist nun die Melodie,
Ist die Bewegung recht?
Helena.
Ja, das ist wohlgethan,
Wäre das doch
vorbei!
Mich kann die Gaukeley
Gar nicht erfreun.
Euphorion und Chor
(tanzend und singend bewegen sich in verschlungenen Reihen).
Lieblich bewegest;
Im Glanz dein lockig Haar
Schüttelnd erregest,
Wenn dir der Fuß so leicht
Dort und da wieder
hin
Glieder um Glied sich ziehn,
Hast du dein Ziel erreicht
Liebliches Kind;
All’ dir geneigt.
(Pause.)
Euphorion.
Ihr seyd so viele
Leichtfüßige Rehe,
Zu neuem Spiele
Ich bin der Jäger,
Willst du uns fangen
Sey nicht behende,
Doch nur am Ende
Dich zu umarmen
Du schönes Bild.
Euphorion.
Nur durch die Haine!
Das leicht Errungene
Das widert mir,
Nur das Erzwungene
Ergötzt mich schier.
Helena und Faust.
Keine Mäßigung ist zu
hoffen,
Klingt es doch wie Hörnerblasen
Ueber Thal und Wälder dröhnend,
Welch ein Unfug! Welch Geschrei!
Chor
(einzeln schnell eintretend).
Mit Verachtung uns
verhöhnend,
Schleppt’ er von dem ganzen Haufen
(ein junges Mädchen
hereintragend).
Schlepp’ ich her die derbe Kleine
Mir zur Wonne, mir zur
Lust
Drück’ ich widerspenstige Brust,
Küss’ ich widerwärtigen Mund,
Thue Kraft und Willen kund.
Mädchen.
Ist auch Geistes Muth und
Kraft;
Deinem gleich ist unser Wille
Nicht so leicht hinweggerafft.
Glaubst du wohl mich im Gedränge?
Halte fest, und ich
versenge
Dich den Thoren mir zum Spiel.
(Sie flammt auf und lodert in die Höhe.)
Folge mir in leichte Lüfte,
Folge mir in starre Grüfte,
Euphorion
(die letzten Flammen abschüttelnd).
Felsengedränge hier
Zwischen dem Waldgebüsch,
Was soll die Enge mir,
Wellen sie brausen
da;
Hör’ ich doch beides fern,
Nah wär’ ich gern.
(Er springt immer höher Fels auf.)
Helena, Faust und Chor.
Wolltest du den Gemsen gleichen?
Euphorion.
Immer höher muß ich steigen,
Immer weiter muß ich schaun.
Weiß ich nun wo ich bin!
Mitten der Insel drinn,
Erde- wie
seeverwandt.
Chor.
Magst nicht in Berg und Wald
Friedlich verweilen,
Suchen wir alsobald
Reben am Hügelrand;
Feigen und Apfelgold.
Ach, in dem holden Land
Bleibe du hold!
Euphorion.
Träume wer träumen
mag.
Krieg ist das Losungswort!
Wer im Frieden
Der ist geschieden
Vom Hoffnungsglück.
Euphorion.
Welche dieß Land gebar
Aus Gefahr in Gefahr,
Verschwendrisch
eignen Bluts,
Mit nicht zu dämpfendem
Heiligem Sinn,
Alle den Kämpfenden
Chor.
Seht hinauf wie hoch gestiegen!
Und erscheint uns doch nicht klein.
Wie im Harnisch, wie zum Siegen,
Wie von Erz und Stahl der Schein.
Euphorion.
Jeder nur sich
selbst bewußt;
Feste Burg um auszudauern
Ist des Mannes eh’rne Brust.
Wollt ihr unerobert wohnen,
Frauen werden
Amazonen
Heilige Poesie
Himmelan steige sie!
Fern und so weiter
fern,
Und sie erreicht uns doch
Immer, man hört sie noch,
Vernimmt sie gern.
Euphorion.
In Waffen kommt der
Jüngling an!
Gesellt zu Starken, Freien, Kühnen,
Hat er im Geiste schon gethan.
Nun fort!
Eröffnet sich zum Ruhm
die Bahn.
Helena und Faust.
Kaum in’s Leben eingerufen,
Heitrem Tag gegeben kaum,
Sehnest du von Schwindelstufen
Sind denn wir
Gar nichts dir?
Ist der holde Bund ein Traum?
Euphorion.
Und hört ihr donnern auf dem Meere?
In Staub und Wellen, Heer
dem Heere,
Ist Gebot,
Helena, Faust und Chor.
Welch Entsetzen! welches Grauen!
Ist der Tod denn dir Gebot?
Euphorion.
Sollt’ ich aus der Ferne schauen?
Nein! ich theile Sorg’ und Noth.
Die Vorigen.
Tödtliches Loos.
Euphorion.
Doch! – und ein Flügelpaar
Faltet sich los!
Dorthin! Ich muß! ich muß!
(Er wirft sich in die
Lüfte, die Gewande tragen ihn einen Augenblick, sein Haupt strahlt, ein
Lichtschweif zieht nach.)
Chor.
Ikarus! Ikarus!
Jammer genug.
Der Freude folgt
sogleich
Grimmige Pein.
Euphorions
(Stimme aus der Tiefe).
Mutter mich nicht
allein!
(Pause.)
Chor.
(Trauergesang.)
Nicht allein! – wo du auch weilest,
Denn wir glauben dich zu kennen,
Ach! wenn du dem Tag enteilest
Wüßten wir doch kaum
zu klagen,
Neidend singen wir dein Loos:
Dir in klar’ und trüben Tagen
Lied und Muth war schön und groß.
Hoher Ahnen, großer
Kraft,
Leider! früh dir selbst verloren,
Jugendblüthe weggerafft.
Scharfer Blick die Welt zu schauen,
Liebesgluth der
besten Frauen
Frei in’s willenlose
Netz,
Dich mit Sitte, mit
Gesetz;
Doch zuletzt das höchste Sinnen
Gab dem reinen Muth Gewicht,
Wolltest Herrliches gewinnen,
Wem gelingt es? – Trübe Frage,
Der das Schicksal sich vermummt,
Wenn am unglückseligsten Tage
Blutend alles Volk verstummt.
Steht nicht länger
tief gebeugt;
Denn der Boden zeugt sie wieder,
Wie von je er sie gezeugt.
(Völlige Pause. Die Musik hört auf.)
Helena (zu Faust).
Ein altes Wort bewährt sich leider auch an mir:
Zerrissen ist des Lebens
wie der Liebe Band;
Bejammernd beide, sag’ ich schmerzlich Lebewohl!
Und werfe mich noch einmal in die Arme dir.
Persephoneia nimm den Knaben auf und mich.
(Sie umarmt Faust, das Körperliche verschwindet, Kleid und Schleier
bleiben ihm in den Armen.)
Phorkyas (zu Faust).
Dämonen an den Zipfeln,
möchten gern
Zur Unterwelt es reißen. Halte fest!
Die Göttin ist’s nicht mehr die du verlorst,
Unschätzbar’n Gunst und
hebe dich empor,
Es trägt dich über alles Gemeine rasch
Am Aether hin, so lange du dauern kannst.
Wir sehn uns wieder, weit gar weit von hier.
(Helenens Gewande lösen sich in Wolken auf, umgeben Faust, heben ihn in
die Höhe und ziehen mit ihm vorüber.)
Phorkyas
(nimmt Euphorions Kleid, Mantel und Lyra von der Erde, tritt in’s
Proscenium, hebt die Exuvien in die Höhe und spricht).
Die Flamme freilich
ist verschwunden,
Doch ist mir um die Welt nicht leid.
Hier bleibt genug Poeten einzuweihen,
Zu stiften Gild- und Handwerksneid.
Verborg’ ich
wenigstens das Kleid.
(Sie setzt sich im Proscenium an eine Säule nieder).
Panthalis.
Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los,
Der alt-thessalischen Vettel wüsten Geisteszwang;
So des Geklimpers viel-verworrner Töne Rausch,
Unmittelbar getreuer
Mägde Schritt gefügt.
Wir finden sie am Throne der Unerforschlichen.
Chor.
Auch im Hades stehen
sie oben an,
Stolz zu ihres Gleichen gesellt,
Mit Persephonen innigst vertraut;
Aber wir im Hintergrunde
Langgestreckten
Pappeln,
Unfruchtbaren Weiden zugesellt,
Welchen Zeitvertreib haben wir?
Fledermaus gleich zu pipsen,
Chorführerin.
Wer keinen Namen sich erwarb, noch Edles will,
Gehört den Elementen an, so fahret hin!
Mit meiner Königin zu seyn verlangt mich heiß;
Nicht nur Verdienst, auch Treue wahrt uns die Person.
(Ab.)
Alle.
Zwar Personen nicht
mehr,
Das fühlen, das wissen wir,
Aber zum Hades kehren wir nimmer.
Ewig lebendige Natur
Wir in dieser tausend
Aeste Flüsterzittern, Säuselschweben,
Reizen tändelnd, locken leise, wurzelauf des Lebens Quellen
Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüthen überschwenglich
Fällt die Frucht,
sogleich versammeln, lebenslustig Volk und Heerden
Sich zum Greifen, sich zum Naschen, eilig kommend, emsig drängend.
Und, wie vor den ersten Göttern, bückt sich alles um uns her.
Ein andrer Theil.
Wir an dieser Felsenwände weithinleuchtend glattem Spiegel
Horchen, lauschen jedem
Laute, Vogelsingen, Röhrigflöten;
Sey es Pans furchtbarer Stimme, Antwort ist sogleich bereit;
Säuselt’s, säuseln wir erwidernd, donnert’s, rollen unsre Donner
Denn es reizen jener
Ferne reichgeschmückte Hügelzüge,
Immer abwärts, immer tiefer, wässern wir, mäandrisch wallend,
Jetzt die Wiese, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus.
Dort bezeichnen’s der Cypressen schlanke Wipfel, über Landschaft,
Ein vierter Theil.
Wallt ihr andern wo’s beliebet, wir umzingeln, wir umrauschen
Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe grünt;
Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leidenschaft des Winzers
Uns des liebevollsten Fleißes zweifelhaft Gelingen sehn.
Betet er zu allen
Göttern, vördersamst zum Sonnengott.
Bacchus kümmert sich, der Weichling, wenig um den treuen Diener,
Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faselnd mit dem jüngsten Faun.
Rechts und links der
kühlen Grüfte ewige Zeiten aufbewahrt.
Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen,
Lüftend, feuchtend, wärmend, gluthend, Beeren-Füllhorn aufgehäuft,
Wo der stille Winzer wirkte, dort auf einmal wird’s lebendig,
Körbe knarren, Eimer
klappern, Tragebutten ächzen hin,
Alles nach der großen Kufe zu der Keltrer kräftigem Tanz;
Und so wird die heilige Fülle reingeborner saftiger Beeren
Frech zertreten; schäumend, sprühend mischt sich’s widerlich zerquetscht.
Denn es hat sich Dionysos
aus Mysterien enthüllt;
Kommt hervor mit Ziegenfüßlern, schwenkend Ziegenfüßlerinnen,
Und dazwischen schreit unbändig grell Silenus öhrig Thier.
Nichts geschont! Gespaltne Klauen treten alle Sitte nieder,
Denn um neuen Most zu
bergen, leert man rasch den alten Schlauch!
(Der Vorhang fällt.)
Phorkyas
Der Einsamkeiten tiefste
schauend unter meinem Fuß,
Entlassend meiner Wolke
Tragwerk, die mich sanft
An klaren Tagen über Land und Meer geführt.
Sie lös’t sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab.
Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug,
Sie theilt sich wandelnd,
wogenhaft, veränderlich.
Doch will sich’s modeln. – Ja! das Auge trügt mich nicht! –
Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt,
Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Fraungebild,
Ruht es in Osten, fernen
Eisgebirgen gleich,
Und spiegelt blendend flüchtiger Tage großen Sinn.
Noch Brust und Stirn,
erheiternd, kühl und schmeichelhaft.
Nun steigt es leicht und zaudernd hoch und höher auf,
Fügt sich zusammen. – Täuscht mich ein entzückend Bild,
Als jugenderstes, längstentbehrtes höchstes Gut?
Aurorens Liebe, leichten
Schwungs, bezeichnet’s mir,
Den schnellempfundnen, ersten, kaum verstandnen Blick,
Der, festgehalten, überglänzte jeden Schatz.
Wie Seelenschönheit steigert sich die holde Form,
Und zieht das Beste
meines Innern mit sich fort.
Ein Sieben-Meilenstiefel (tappt auf).
Ein Anderer folgt alsbald.
Mephistopheles (steigt ab).
Die Stiefel schreiten eilig weiter.
Mephistopheles.
Das heiß’ ich endlich vorgeschritten!
Nun aber sag’, was fällt dir ein?
Steigst ab in solcher Gräuel Mitten,
Ich kenn’ es wohl, doch
nicht an dieser Stelle,
Es fehlt dir nie an
närrischen Legenden,
Fängst wieder an dergleichen auszuspenden.
Mephistopheles (ernsthaft).
Uns, aus der Luft, in
tiefste Tiefen bannte,
Da, wo centralisch glühend, um und um,
Ein ewig Feuer flammend sich durchbrannte,
Wir fanden uns bei allzugroßer Hellung
Die Teufel fingen
sämmtlich an zu husten,
Von oben und von unten auszupusten;
Die Hölle schwoll von Schwefel-Stank und Säure,
Das gab ein Gas! das ging in’s Ungeheure,
So dick sie war,
zerkrachend bersten mußte.
Nun haben wir’s an einem andern Zipfel,
Was ehmals Grund war ist nun Gipfel.
Sie gründen auch hierauf die rechten Lehren
Denn wir entrannen
knechtisch-heißer Gruft
In’s Uebermaß der Herrschaft freier Luft.
Ein offenbar Geheimniß wohl verwahrt
Und wird nur spät den Völkern offenbart.
(Ephes.
6. 12.)
Faust.
Da hat sie rein den
Erdball abgeründet.
Der Gipfel sich, der Schluchten sich erfreut,
Die Hügel dann bequem
hinabgebildet,
Mit sanftem Zug sie in das Thal gemildet.
Da grünt’s und wächst’s, und um sich zu erfreuen
Bedarf sie nicht der tollen Strudeleyen.
Mephistopheles.
Doch weiß es anders der
zugegen war.
Ich war dabei, als noch da drunten, siedend,
Der Abgrund schwoll und strömend Flammen trug;
Als Molochs Hammer, Fels an Felsen schmiedend,
Noch starrt das Land von
fremden Centnermassen;
Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph, er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Das treu-gemeine Volk
allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist’s, der Satan kommt zu Ehren.
Zum Teufelsstein, zur
Teufelsbrücke.
Faust.
Es ist doch auch bemerkenswerth zu achten,
Was geht mich’s an! Natur
sey wie sie sey!
Wir sind die Leute Großes
zu erreichen;
Tumult, Gewalt und Unsinn! sieh das Zeichen! –
Doch, daß ich endlich ganz verständlich spreche,
Gefiel dir nichts an unsrer Oberfläche?
„Die Reiche der Welt und
ihre Herlichkeiten.“
(Matth.
4.)
Doch, ungenügsam wie du bist,
Empfandest du wohl kein Gelüst?
Faust.
Und doch! ein Großes zog mich an.
Mephistopheles.
Das ist bald
gethan.
Ich suchte mir so eine Hauptstadt aus,
Im Kerne Bürger-Nahrungs-Graus,
Krummenge Gäßchen, spitze Giebeln,
Beschränkten Markt, Kohl, Rüben, Zwiebeln;
Die fetten Braten
anzuschmausen;
Da findest du zu jeder Zeit
Gewiß Gestank und Thätigkeit.
Dann weite Plätze, breite Straßen,
Und endlich, wo kein Thor
beschränkt,
Am lärmigen Hin- und
Wiederrutschen,
Zerstreuter
Ameis-Wimmelhaufen.
Und, wenn ich führe, wenn ich ritte,
Erschien ich immer ihre Mitte,
Von Hunderttausenden verehrt.
Faust.
Man freut sich daß das
Volk sich mehrt,
Nach seiner Art behaglich nährt,
Sogar sich bildet, sich belehrt, –
Und man erzieht sich nur Rebellen.
Mephistopheles.
Am lustigen Ort ein
Schloß zur Lust.
Wald, Hügel, Flächen, Wiesen, Feld
Zum Garten prächtig umbestellt.
Vor grünen Wänden Sammet-Matten,
Cascadensturz, durch Fels
zu Fels gepaart,
Und Wasserstrahlen aller Art;
Ehrwürdig steigt es dort, doch an den Seiten,
Da zischt’s und pischt’s, in tausend Kleinigkeiten.
Vertraut-bequeme Häuslein
bauen;
Verbrächte da gränzenlose Zeit
Faust.
Schlecht und modern! Sardanapal!
Mephistopheles.
Erräth man wohl wornach du strebtest?
Es war gewiß erhaben kühn.
Der du dem Mond um so viel näher schwebtest,
Faust.
Mit nichten! dieser Erdenkreis
Gewährt noch Raum zu großen Thaten.
Erstaunenswürdiges soll gerathen,
Ich fühle Kraft zu kühnem Fleiß.
Mephistopheles.
Man merkt’s du kommst von
Heroinen.
Faust.
Herrschaft gewinn’ ich, Eigenthum!
Die That ist alles, nichts der Ruhm.
Mephistopheles.
Doch werden sich Poeten finden,
Durch Thorheit Thorheit
zu entzünden.
Faust.
Von allem ist dir nichts gewährt.
Was weißt du, was der Mensch begehrt?
Dein widrig Wesen, bitter, scharf,
Geschehe denn nach deinem
Willen!
Vertraue mir den Umfang deiner Grillen.
Faust.
Mein Auge war auf’s hohe Meer gezogen;
Es schwoll empor, sich in sich selbst zu thürmen.
Des flachen Ufers Breite
zu bestürmen.
Und das verdroß mich; wie der Uebermuth
Den freien Geist, der alle Rechte schätzt,
Durch leidenschaftlich aufgeregtes Blut
Ich hielt’s für Zufall,
schärfte meinen Blick,
Die Woge stand und rollte dann zurück,
Entfernte sich vom stolz erreichten Ziel;
Die Stunde kommt, sie wiederholt das Spiel.
Mephistopheles
(ad Spectatores).
Das kenn’ ich schon seit
hunderttausend Jahren.
Faust
(leidenschaftlich fortfahrend).
Sie schleicht heran, an aber tausend Enden
Unfruchtbar selbst Unfruchtbarkeit zu spenden;
Nun schwillt’s und wächs’t und rollt und überzieht
Da herrschet Well’ auf
Welle kraftbegeistet,
Zwecklose Kraft
unbändiger Elemente!
Hier möcht’ ich kämpfen,
dieß möcht’ ich besiegen.
Und es ist möglich! – fluthend wie sie sey,
An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbei;
Sie mag sich noch so übermüthig regen,
Geringe Tiefe zieht sie
mächtig an.
Da faßt’ ich schnell im Geiste Plan auf Plan:
Erlange dir das köstliche Genießen
Das herrische Meer vom Ufer auszuschließen,
Und, weit hinein, sie in
sich selbst zu drängen.
Von Schritt für Schritt wußt’ ich mir’s zu erörtern.
Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern!
(Trommeln und kriegerische Musik im Rücken der Zuschauer, aus der Ferne,
von der rechten Seite her.)
Mephistopheles.
Wie leicht ist das! - hörst du die Trommeln fern?
Faust.
Mephistopheles.
Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen
Aus jedem Umstand seinen Vortheil ziehen.
Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu.
Und kurz und gut, was
soll’s? Erkläre dich.
Mephistopheles.
Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen,
Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen,
Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,
Da war die ganze Welt ihm
feil.
Denn jung ward ihm der Thron zu Theil,
Und ihm beliebt’ es falsch zu schließen,
Es könne wohl zusammengehn,
Regieren und[9] zugleich
genießen.
Faust.
Ein großer Irrthum. Wer befehlen soll,
Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.
Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,
Was er den Treusten in
das Ohr geraunt,
Es ist gethan und alle Welt erstaunt.
So wird er stets der Allerhöchste seyn,
Der Würdigste –; Genießen macht gemein.
Mephistopheles.
Indeß zerfiel das Reich
in Anarchie,
Wo Groß und Klein sich kreuz und quer befehdeten,
Der Bischof mit Capitel
und Gemeinde;
Was sich nur ansah waren Feinde.
In Kirchen Mord und Todtschlag, vor den Thoren
Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren.
Denn leben hieß: sich
wehren – Nun, das ging.
Faust.
Es ging, es hinkte, fiel, stand wieder auf,
Dann überschlug sich’s, rollte plump zu Hauf.
Mephistopheles.
Und solchen Zustand durfte niemand schelten,
Der Kleinste selbst er
galt für voll;
Doch war’s zuletzt den Besten allzutoll.
Die Tüchtigen sie standen auf mit Kraft
Und sagten: Herr ist der uns Ruhe schafft:
Den neuen Kaiser, neu das
Reich beseelen,
Indem er jeden sicher stellt,
In einer frisch geschaffnen Welt
Fried’ und Gerechtigkeit vermählen.
Faust.
Mephistopheles.
Pfaffen waren’s
auch,
Der Aufruhr schwoll, der
Aufruhr ward geheiligt;
Und unser Kaiser, den wir froh gemacht,
Faust.
Er jammert mich, er war so gut und offen.
Mephistopheles.
Komm, sehn wir zu, der Lebende soll hoffen.
Befrein wir ihn aus diesem engen Thale!
Einmal gerettet ist’s für tausend Male.
Und hat er Glück, so hat
er auch Vasallen.
(Sie steigen über das Mittelgebirg herüber und beschauen die Anordnung
des Heeres im Thal. Trommeln und Kriegsmusik schallt von unten auf.)
Mephistopheles.
Die Stellung, seh’ ich, gut ist sie genommen;
Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.
Faust.
Was kann da zu erwarten seyn?
Mephistopheles.
Kriegslist um Schlachten zu gewinnen!
Befestige dich bei großen Sinnen,
Indem du deinen Zweck bedenkst.
Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,
Schon manches hast du
durchgemacht,
Nun, so gewinn’ auch eine Schlacht.
Mephistopheles.
Nein, du gewinnst sie! dieses Mal
Faust.
Das wäre mir die rechte Höhe,
Da zu befehlen wo ich nichts verstehe!
Mephistopheles.
Laß du den Generalstab sorgen
Und der Feldmarschall ist geborgen.
Den Kriegsrath gleich
voraus formirt
Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;
Wohl dem der sie zusammenrafft.
Faust.
Was seh’ ich dort was Waffen trägt?
Mephistopheles.
Nein! aber gleich Herrn Peter Squenz
Vom ganzen Praß die Quintessenz.
Die drey Gewaltigen (treten auf).
Sam.
II. 23. 8.
Mephistopheles.
Da kommen meine Bursche ja!
Du siehst, von sehr verschiednen Jahren,
Es liebt sich jetzt ein
jedes Kind
Den Harnisch und den Ritterkragen;
Und, allegorisch wie die Lumpen sind,
Raufebold
(jung, leicht bewaffnet, bunt gekleidet).
Wenn einer mir in’s Auge sieht
Werd’ ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren,
Und eine Memme, wenn sie flieht,
Fass’ ich bei ihren letzten Haaren.
Habebald
(männlich, wohl bewaffnet, reich gekleidet).
Damit verdirbt man seinen
Tag;
Im Nehmen sey nur unverdrossen,
Nach allem andern frag’ hernach.
Haltefest
(bejahrt, stark bewaffnet, ohne Gewand).
Damit ist auch nicht viel gewonnen!
Es rauscht im Lebensstrom
hinab.
Zwar nehmen ist recht gut, doch besser ist’s behalten;
Laß du den grauen Kerl nur walten
Und niemand nimmt dir etwas ab.
(Sie steigen allzusammen tiefer.)
Daß wir in dieß gelegene
Thal
Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen;
Ich hoffe fest uns glückt die Wahl.
Kaiser.
Wie es nun geht, es muß sich zeigen;
Obergeneral.
Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke!
Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke:
Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich,
Den Unsern vortheilhaft, dem Feind verfänglich,
Die Reiterey sie wagt
sich nicht heran.
Kaiser.
Mir bleibt nichts übrig als zu loben;
Hier kann sich Arm und Brust erproben.
Obergeneral.
Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten,
Im Sonnenglanz, durch
Morgennebelduft.
Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat!
Zu Tausenden glüht’s hier auf große That.
Ich trau’ ihr zu der
Feinde Kraft zu trennen.
Kaiser.
Den schönen Blick hab’ ich zum ersten Mal.
Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl.
Obergeneral.
Von unsrer Linken hab’ ich nichts zu melden,
Das Steingeklipp, das
jetzt von Waffen blitzt,
Den wichtigen Paß der engen Klause schützt.
Ich ahne schon hier scheitern Feindeskräfte
Unvorgesehn im blutigen Geschäfte.
Kaiser.
Wie sie mich Oheim,
Vetter, Bruder nannten,
Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,
Dem Scepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten,
Dann, unter sich entzweyt, das Reich verheerten,
Die Menge schwankt im
ungewissen Geist,
Dann strömt sie nach, wohin der Strom sie reißt.
Obergeneral.
Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,
Listig, muthig unsre
Kunst,
Daß wir hin und her gedrungen;
Doch wir bringen wenig Gunst.
Viele schwören reine Huldigung
Doch
Unthätigkeits-Entschuldigung
Innere Gährung, Volksgefahr.
Kaiser.
Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,
Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre.
Daß Nachbars Hausbrand
Euch verzehren soll?
Obergeneral.
Der Zweyte kommt, nur langsam steigt er nieder,
Dem müden Manne zittern alle Glieder.
Zweyter Kundschafter.
Erst gewahrten wir vergnüglich
Unerwartet,
unverzüglich
Trat ein neuer Kaiser auf.
Und auf vorgeschriebenen Bahnen
Zieht die Menge durch die Flur;
Folgen alle. –
Schaafsnatur!
Kaiser.
Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn,
Bei jedem Fest, wenn’s
noch so glänzend war,
Nichts ward vermißt, mir fehlte die Gefahr.
Wie ihr auch seyd, zum Ringspiel riethet ihr,
Mir schlug das Herz, ich athmete Turnier;
Jetzt glänzt’ ich schon
in lichten Heldenthaten.
Selbstständig fühlt’ ich meine Brust besiegelt
Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt;
Das Element drang gräßlich auf mich los;
Von Sieg und Ruhm hab’
ich verwirrt geträumt,
Ich bringe nach was frevelhaft versäumt.
(Die Herolde werden abgefertigt zu Herausforderung des Gegenkaisers.)
Faust geharnischt, mit halbgeschlossenem Helme.
Die drey Gewaltigen gerüstet und gekleidet wie oben.
Faust.
Wir treten auf und hoffen ungescholten;
Auch ohne Noth hat Vorsicht wohl gegolten.
Ist in Natur- und
Felsenschrift studirt.
Die Geister, längst dem flachen Land entzogen,
Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.
Sie wirken still durch labyrinthische Klüfte,
Im steten Sondern, Prüfen
und Verbinden
Erbauen sie durchsichtige
Gestalten;
Erblicken sie der
Oberwelt Ereigniß.
Kaiser.
Vernommen hab ich’s und ich glaube dir;
Doch wackrer Mann, sag’ an: was soll das hier?
Faust.
Der Negromant von Norcia, der Sabiner,
Welch gräulich Schicksal
droht ihm ungeheuer,
Daß Reisig prasselte, schon züngelte das Feuer;
Die trocknen Scheite, rings umher verschränkt,
Mit Pech und Schwefelruthen untermengt;
Die Majestät zersprengte
glühende Ketten.
Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,
Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.
Von jener Stund’ an ganz vergaß er sich,
Er trug uns auf, als
eiligstes Geschäfte,
Bei dir zu stehn. Groß sind des Berges Kräfte;
Da wirkt Natur so übermächtig frei,
Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberey.
Kaiser.
Die heiter kommen, heiter
zu genießen,
Da freut uns jeder wie er schiebt und drängt,
Zur Morgenstunde, die
bedenklich waltet,
Weil über ihr des Schicksals Wage schaltet.
Doch lenket hier, im hohen Augenblick,
Die starke Hand vom willigen Schwert zurück,
Für oder wider mich zu
streiten.
Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron begehrt
Persönlich sey er solcher Ehren werth.
Sey das Gespenst, das gegen uns erstanden,
Des Heeres Herzog,
Lehnsherr unsrer Großen,
Mit eigner Faust in's Todtenreichgestoßen!
Faust.
Wie es auch sey das Große zu vollenden,
Du thust nicht wohl dein Haupt so zu verpfänden.
Er schützt das Haupt das
unsern Muth entzückt.
Was, ohne Haupt, was förderten die Glieder?
Denn schläfert jenes, alle sinken nieder;
Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,
Schnell weiß der Arm sein
starkes Recht zu nützen,
Er hebt den Schild den Schädel zu beschützen;
Das Schwert gewahret seiner Pflicht sogleich,
Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich;
Das ist mein Zorn, so
möcht’ ich ihn behandeln,
Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln!
Herolde (kommen zurück).
Wenig Ehre, wenig Geltung
Unsrer kräftig edlen
Meldung
Lachten sie als schaler Possen:
„Euer Kaiser ist verschollen,
Echo dort im engen Thal;
Mährchen sagt: – Es
war einmal.“
Faust.
Dem Wunsch gemäß der Besten ist’s geschehn,
Die, fest und treu, an deiner Seite stehn.
Dort naht der Feind, die Deinen harren brünstig
Kaiser.
Auf das Commando leist’ ich hier Verzicht.
(Zum Oberfeldherrn.)
In deinen Händen, Fürst, sey deine Pflicht.
Obergeneral.
So trete denn der rechte Flügel an!
Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,
Der Jugendkraft geprüfter
Treue weichen.
Faust
Erlaube denn, daß dieser muntre Held
Sich ungesäumt in deine Reihen stellt,
(Er deutet zur
Rechten.)
Raufebold (tritt vor).
Wer das Gesicht mir zeigt der kehrt’s nicht ab
Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken;
Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp
Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken.
Mit Schwert und Kolben
wie ich wüthe,
So stürzt der Feind, Mann über Mann,
Ersäuft im eigenen Geblüte.
(Ab.)
Obergeneral.
Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,
Ein wenig rechts, dort
hat bereits, erbittert,
Der Unsern Streitkraft ihren Plan erschüttert.
Faust
(auf den Mittelsten deutend).
So folge denn auch dieser deinem Wort.
Habebald
(tritt hervor).
Soll sich der Durst nach
Beute paaren;
Und allen sey das Ziel gestellt:
Des Gegenkaisers reiches Zelt.
Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,
(Marketenderin, sich
an ihn anschmiegend).
Bin ich auch ihm nicht angeweibt,
Er mir der liebste Buhle bleibt.
Für uns ist solch ein Herbst gereift!
Die Frau ist grimmig wenn sie greift,
Im Sieg voran! und alles
ist erlaubt.
(Beide ab.)
Obergeneral.
Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,
Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn
Wird, Mann für Mann, dem wüthenden Beginnen
Faust
(winkt nach der Linken).
So bitte, Herr, auch diesen zu bemerken,
Es schadet nichts wenn Starke sich verstärken.
Haltefest (tritt vor).
Dem linken Flügel keine Sorgen!
Da wo ich bin ist der Besitz geborgen;
Kein Strahlblitz spaltet
was ich halte.
(Ab.)
Mephistopheles
(von oben herunterkommend).
Nun schauet wie im Hintergrunde,
Mit Helm und Harnisch,
Schwertern, Schilden,
In unserm Rücken eine Mauer bilden,
Den Wink erwartend zuzuschlagen.
(Leise zu den Wissenden.)
Woher das kommt müßt ihr nicht fragen.
Die Waffensäle ringsum
aufgeräumt;
Da standen sie zu Fuß, zu Pferde,
Als wären sie noch Herrn der Erde;
Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser,
Gar manch Gespenst hat
sich darein geputzt,
Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.
Welch Teufelchen auch drinne steckt
Für dießmal macht es doch Effect.
(Laut.)
Blechklappernd an
einander stoßen!
Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten,
Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.
Bedenkt hier ist ein altes Volk bereit
(Furchtbarer
Posaunenschall von oben, im feindlichen Heere merkliche Schwankung.)
Faust.
Der Horizont hat sich verdunkelt,
Schon blutig blinken die
Gewehre,
Der ganze Himmel mischt
sich ein.
Mephistopheles.
Die rechte Flanke hält sich kräftig;
Doch seh’ ich ragend unter diesen,
Hans Raufbold, den behenden Riesen,
Kaiser.
Erst sah ich Einen Arm erhoben,
Jetzt seh’ ich schon ein Dutzend toben,
Naturgemäß geschieht es nicht.
Faust.
Vernahmst du nichts von Nebelstreifen
Dort, schwankend klar, im
Tageslicht,
Erhoben zu den Mittellüften,
Gespiegelt in besondern Düften,
Erscheint ein seltsames Gesicht.
Da steigen Gärten auf und
nieder,
Wie Bild um Bild den Aether bricht.
Kaiser.
Doch wie bedenklich! Alle Spitzen
Der hohen Speere seh’ ich blitzen;
Seh’ ich behende
Flämmchen tanzen.
Verzeih', o Herr, das
sind die Spuren
Verschollner geistiger Naturen,
Bei denen alle Schiffer
schwuren,
Sie sammeln hier die letzte Kraft.
Kaiser.
Doch sage: wem sind wir verpflichtet
Daß die Natur, auf uns gerichtet,
Mephistopheles.
Wem als dem Meister, jenem hohen,
Der dein Geschick im Busen trägt?
Durch deiner Feinde starkes Drohen
Ist er im Tiefsten aufgeregt.
Und sollt’ er selbst
daran vergehen.
Kaiser.
Sie jubelten mich pomphaft umzuführen,
Ich war nun was, das wollt’ ich auch probiren,
Und fand’s gelegen, ohne viel zu denken,
Dem Klerus hab’ ich eine
Lust verdorben,
Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben.
Nun sollt’ ich, seit so manchen Jahren,
Laß deinen Blick sich
aufwärts wenden!
Mich däucht Er will ein Zeichen senden,
Gib Acht, es deutet sich sogleich.
Kaiser.
Ein Adler schwebt im Himmelhohen,
Faust.
Gib Acht: gar günstig scheint es mir.
Greif ist ein fabelhaftes Thier;
Wie kann er sich so weit vergessen
Mit ächtem Adler sich zu messen?
Kaiser.
Umziehn sie sich; – in
gleichem Nu
Sie fahren auf einander zu
Sich Brust und Hälse zu zerreißen.
Faust.
Nun merke wie der leidige Greif,
Und mit gesenktem
Löwenschweif,
Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.
Kaiser.
Sey’s, wie gedeutet, so gethan!
(gegen die Rechte).
Müssen unsre Feinde
weichen,
Und, mit ungewissem Fechten,
Drängen sie nach ihrer Rechten
Und verwirren so im Streite
Unsers Phalanx feste
Spitze
Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze
Fährt sie in die schwache Stelle. –
Nun, wie sturmbewegte Welle,
Wild in doppeltem
Gefechte,
Herrlichers ist nichts ersonnen,
Uns ist diese Schlacht gewonnen!
Kaiser
(an der linken Seite zu Faust).
Schau! Mir scheint es dort bedenklich,
Keine Steine seh’ ich
fliegen,
Niedre Felsen sind erstiegen,
Obre stehen schon verlassen.
Jetzt! – der Feind, zu ganzen Massen
Hat vielleicht den Paß
errungen,
Schlußerfolg unheiligen Strebens!
Eure Künste sind vergebens.
Da kommen meine beiden
Raben,
Ich fürchte gar es geht
uns schlecht.
Kaiser.
Was sollen diese leidigen Vögel?
Sie richten ihre schwarzen Segel
Hierher vom heißen Felsgefecht.
Mephistopheles
(zu den Raben).
Wen ihr beschützt ist
nicht verloren,
Denn euer Rath ist folgerecht.
Faust (zum Kaiser).
Von Tauben hast du ja vernommen,
Die aus den fernsten Landen kommen,
Hier ist’s mit wichtigen
Unterschieden:
Die Taubenpost bedient den Frieden,
Der Krieg befiehlt die Rabenpost.
Mephistopheles.
Es meldet sich ein schwer Verhängniß,
Um unsrer Helden
Felsenwand.
Die nächsten Höhen sind erstiegen,
Und würden sie den Paß besiegen,
Ihr habt mich in das Netz
gezogen,
Mir graut seitdem es mich umstrickt.
Mephistopheles.
Nur Muth! Noch ist es nicht mißglückt
Geduld und Pfiff zum letzten Knoten!
Ich habe meine sichern
Boten,
Befehlt daß ich befehlen darf.
Obergeneral
(der indessen herangekommen).
Mit diesen hast du dich vereinigt,
Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt,
Ich weiß nichts an der
Schlacht zu wenden,
Begannen sie’s, sie mögen’s enden,
Ich gebe meinen Stab zurück.
Kaiser.
Behalt’ ihn bis zu bessern Stunden,
Mir schaudert vor dem
garstigen Kunden
Und seiner Rabentraulichkeit.
(Zu Mephistopheles.)
Den Stab kann ich dir nicht verleihen,
Du scheinst mir nicht der rechte Mann,
Geschehe, was geschehen
kann.
Mag ihn der stumpfe Stab
beschützen!
Uns andern könnt’ er wenig nützen,
Es war so was vom Kreuz daran.
Faust.
Mephistopheles.
Es ist gethan! –
Nun schwarze Vettern, rasch im Dienen,
Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen,
Und bittet sie um ihrer Fluthen Schein.
Durch Weiberkünste, schwer zu kennen,
Und jeder schwört das sey
das Seyn.
(Pause.)
Faust.
Den Wasserfräulein müssen unsre Raben
Recht aus dem Grund geschmeichelt haben;
Dort fängt es schon zu rieseln an.
Entwickelt sich die
volle, rasche Quelle;
Um Jener Sieg ist es gethan.
Mephistopheles.
Das ist ein wunderbarer Gruß,
Die kühnsten Klett’rer sind confus.
Faust.
Auf einmal legt er sich
in flache Felsenbreite
Und rauscht und schäumt, nach der und jener Seite,
Was hilft ein tapfres
heldenmäßiges Stemmen?
Die mächtige Woge strömt sie wegzuschwemmen.
Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.
Mephistopheles.
Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen,
Und mich ergötzt der
wunderliche Fall.
Sie stürzen fort zu ganzen hellen Haufen,
Die Narren wähnen zu ersaufen,
Indem sie frei auf festem Lande schnaufen,
Nun ist Verwirrung
überall.
(Die Raben sind wieder gekommen.)
Ich werd’ euch bei dem hohen Meister loben;
Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,
So eilet zu der glühnden Schmiede,
Metall und Stein zu
Funken schlägt.
Verlangt, weitläufig sie beschwatzend,
Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,
Wie man’s im hohen Sinne hegt.
Doch Wetterleuchten in
verworrnen Büschen,
Und Sterne die am feuchten Boden zischen,
So müßt ihr, ohn’ euch
viel zu quälen,
Zuvörderst bitten, dann befehlen.
Raben
(ab. Es geschieht wie vorgeschrieben).
Mephistopheles.
Den Feinden dichte Finsternisse!
Und Tritt und Schritt in's Ungewisse!
Ein Leuchten plötzlich zu
verblenden.
Das alles wäre wunderschön,
Nun aber braucht’s noch Schreckgetön.
Faust.
Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften,
Da droben rasselt’s,
klappert’s lange schon;
Ein wunderbarer falscher Ton.
Mephistopheles.
Ganz recht! sie sind nicht mehr zu zügeln,
Schon schallt’s von ritterlichen Prügeln,
Armschienen, wie der
Beine Schienen,
Als Guelfen und als Ghibellinen,
Erneuen rasch den ewigen Streit.
Fest, im ererbten Sinne wöhnlich,
Zuletzt, bei allen
Teufelsfesten,
Wirkt der Parteyhaß doch zum Besten,
Bis in den allerletzten Graus;
Mitunter grell und scharf
satanisch,
Erschreckend in das Thal hinaus.
So sind wir doch die
ersten hier!
Habebald.
Kein Rabe fliegt so schnell als wir.
Eilebeute.
Wo fang’ ich an! Wo hör’
ich auf?
Habebald.
Steht doch der ganze Raum so voll!
Weiß nicht wozu ich greifen soll.
Eilebeute.
Der Teppich wär’ mir eben recht,
Hier hängt von Stahl ein
Morgenstern,
Dergleichen hätt’ ich lange gern.
Eilebeute.
Den rothen Mantel goldgesäumt,
So etwas hatt’ ich mir geträumt.
Habebald
(die Waffe nehmend).
Man schlägt ihn todt und
geht voran.
Du hast so viel schon aufgepackt,
Und doch nichts Rechtes eingesackt.
Den Plunder laß an seinem Ort,
Dieß ist des Heers
beschiedner Sold,
In seinem Bauche lauter Gold.
Eilebeute.
Dieß hat ein mörderisch Gewicht!
Ich heb’ es nicht, ich trag’ es nicht.
Habebald.
Ich huck’ dir’s auf den
starken Rücken.
Eilebeute.
O weh! O weh! nun ist’s vorbei.
Die Last bricht mir das Kreuz entzwey.
(Das Kistchen stürzt und springt auf.)
Habebald.
Da liegt das rothe Gold zu Hauf,
(kauert nieder).
Geschwinde nur zum Schoß hinein!
Noch immer wird’s zur Gnüge seyn.
Habebald.
Und so genug! und eile doch!
(Sie steht auf.)
O weh die Schürze hat ein Loch!
Verschwenderisch die
Schätze sä’st.
Trabanten
(unsres Kaisers).
Was schafft ihr hier am heiligen Platz?
Was kramt ihr in dem Kaiserschatz?
Habebald.
Wir trugen unsre Glieder feil,
In Feindes-Zelten ist’s
der Brauch,
Und wir, Soldaten sind wir auch.
Trabanten.
Das passet nicht in unsern Kreis:
Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß;
Der sey ein redlicher
Soldat.
Habebald.
Die Redlichkeit die kennt man schon.
Sie heißet: Contribution.
Ihr alle seyd auf gleichem Fuß:
Mach fort und schleppe
was du hast,
Hier sind wir nicht willkommne Gast.
(Ab.)
Erster Trabant.
Sag’, warum gabst du nicht sogleich
Dem frechen Kerl einen Backenstreich?
Zweyter.
Sie waren so
gespensterhaft.
Dritter.
Mir ward es vor den Augen schlecht,
Da flimmert’ es, ich sah nicht recht.
Vierter.
Wie ich es nicht zu sagen weiß:
So bänglich, so beklommen
schwül,
Der eine stand, der andere fiel,
Man tappte hin und schlug zugleich,
Der Gegner fiel vor jedem Streich,
Dann summt’s und saust’s
und zischt im Ohr,
Das ging so fort, nun sind wir da
Und wissen selbst nicht wie’s geschah.
Kaiser mit Vier Fürsten (treten auf).
Es sey nun wie ihm sey!
uns ist die Schlacht gewonnen,
Hier steht der leere
Thron, verrätherischer Schatz,
Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz.
Wir, ehrenvoll, geschützt von eigenen Trabanten,
Erwarten Kaiserlich der Völker Abgesandten;
Beruhigt sey das Reich,
uns freudig zugethan.
Hat sich in unsern Kampf auch Gaukeley geflochten,
Am Ende haben wir uns nur allein gefochten.
Zufälle kommen ja den Streitenden zu gut,
Aus Felsenhöhlen tönt’s
von mächtigen Wunderklängen,
Die unsre Brust erhöhn, des Feindes Brust verengen.
Der Ueberwundne fiel, zu stets erneutem Spott,
Der Sieger, wie er prangt, preis’t den gewognen Gott.
Herr Gott dich loben wir!
aus Millionen Kehlen.
Jedoch zum höchsten Preis, wend’ ich den frommen Blick,
Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zurück.
Ein junger muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden,
Deßhalb denn ungesäumt,
verbind’ ich mich sogleich
Mit euch Vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich.
(Zum Ersten.)
Dein war, o Fürst! des Heers geordnet kluge Schichtung,
Erbmarschall nenn’ ich
dich, verleihe dir das Schwert.
Erbmarschall.
Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschäftigt,
Wenn’s an der Gränze dich und deinen Thron bekräftigt,
Dann sey es uns vergönnt, bei Festesdrang im Saal
Blank trag’ ich’s dir
dann vor, blank halt’ ich dir’s zur Seite,
Der höchsten Majestät zu ewigem Geleite.
Der Kaiser (zum Zweyten).
Der sich, als tapfrer Mann, auch zart gefällig zeigt,
Du! sey Erzkämmerer, der Auftrag ist nicht leicht.
Bei deren innerm Streit
ich schlechte Diener finde;
Dein Beispiel sey fortan in Ehren aufgestellt,
Wie man dem Herrn, dem Hof und Allen wohlgefällt.
Erzkämmerer.
Des Herren großen Sinn zu fördern bringt zu Gnaden,
Dann klar seyn ohne List,
und ruhig ohne Trug!
Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug.
Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken?
Wenn du zur Tafel gehst reich’ ich das goldne Becken,
Zwar fühl’ ich mich zu
ernst auf Festlichkeit zu sinnen,
Doch sey’s! Es fördert auch frohmüthiges Beginnen.
(Zum Dritten.)
Dich wähl’ ich zum Erztruchseß! Also sey fortan,
Der Lieblingsspeise Wahl
laß mir zu allen Zeiten
Wie sie der Monat bringt und sorgsam zubereiten.
Erztruchseß.
Streng Fasten sey für mich die angenehmste Pflicht,
Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht.
Das Ferne beizuziehn, die
Jahrszeit zu beschleun’gen.
Dich reizt nicht Fern und Früh, womit die Tafel prangt,
Einfach und kräftig ist’s wornach dein Sinn verlangt.
Kaiser (zum Vierten).
Weil unausweichlich hier sich’s nur von Festen handelt,
Erzschenke, sorge nun,
daß unsre Kellerey
Auf’s reichlichste versorgt mit gutem Weine sey.
Du selbst sey mäßig, laß nicht über Heiterkeiten,
Durch der Gelegenheit Verlocken, dich verleiten.
Erzschenk.
Steht, eh’ man sich’s
versieht, zu Männern auferbaut.
Auch ich versetze mich zu jenem großen Feste;
Ein blank venedisch Glas,
worin Behagen lauschet,
Des Weins Geschmack sich stärkt und nimmermehr berauschet.
Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr;
Doch deine Mäßigkeit, du Höchster, schützt noch mehr.
Kaiser.
Vernahmt ihr mit Vertraun
aus zuverlässigem Munde.
Des Kaisers Wort ist groß und sichert jede Gift,
Doch zur Bekräftigung bedarf’s der edlen Schrift,
Bedarf’s der Signatur. Die förmlich zu bereiten,
Der Erzbischof (tritt auf).
Kaiser.
Wenn ein Gewölbe sich dem Schlußstein anvertraut,
Dann ist’s mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut.
Du siehst vier Fürsten da! Wir haben erst erörtert,
Was den Bestand zunächst von Haus und Hof befördert.
Sey, mit Gewicht und
Kraft, der Fünfzahl auferlegt.
An Ländern sollen sie vor allen andern glänzen,
Deßhalb erweitr’ ich gleich jetzt des Besitzthums Gränzen,
Vom Erbtheil jener die sich von uns abgewandt.
Zugleich das hohe Recht
euch, nach Gelegenheiten,
Was von Gerechtsamen euch
Landesherrn gehört.
Berufung gelte nicht von
euern höchsten Stellen.
Dann Steuer, Zins und Beth’, Lehn und Geleit und Zoll,
Berg-, Salz- und Münzregal euch angehören soll.
Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben,
Erzbischof.
Im Namen aller sey dir tiefster Dank gebracht,
Du machst uns stark und fest und stärkest deine Macht.
Kaiser.
Euch Fünfen will ich noch erhöht’re Würden geben.
Noch leb’ ich meinem Reich und habe Lust zu leben;
Aus rascher Strebsamkeit
in’s Drohende zurück.
Auch werd’ ich, seiner Zeit, mich von den Theuren trennen,
Dann sey es eure Pflicht den Folger zu ernennen.
Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligen Altar,
Erzcanzler.
Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demuth an Gebärde,
Stehn Fürsten dir gebeugt, die ersten auf der Erde.
So lang das treue Blut die vollen Adern regt,
Für alle Folgezeit durch
Schrift und Zug bestätigt.
Zwar habt ihr den Besitz als Herren völlig frei,
Mit dem Beding jedoch, daß er untheilbar sey.
Und wie ihr auch vermehrt was ihr von uns empfangen,
Erzcanzler.
Dem Pergament alsbald vertrau’ ich wohlgemuth,
Zum Glück dem Reich und uns, das wichtigste Statut;
Reinschrift und Sieglung soll die Canzeley beschäft’gen.
Mit heiliger Signatur wirst du’s, der Herr, bekräft’gen.
Kaiser.
Gesammelt, jederman sich
überlegen mag.
Die weltlichen Fürsten
(entfernen sich).
Der Geistliche
(bleibt und spricht pathetisch).
Der Canzler ging hinweg, der Bischof ist geblieben,
Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben!
Sein väterliches Herz von Sorge bangt um dich.
Kaiser.
Erzbischof.
Mit welchem bittern Schmerz find’ ich, in dieser Stunde,
Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde.
Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron,
Mit heiligem Strahl dein
Reich das sündige zu vernichten.
Denn noch vergaß er nicht wie du, zur höchsten Zeit,
An deinem Krönungstag, den Zauberer befreit.
Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden,
Doch schlag’ an deine
Brust und gib vom frevlen Glück,
Ein mäßig Schärflein, gleich dem Heiligthum zurück.
Den breiten Hügelraum, da wo dein Zelt gestanden,
Wo böse Geister sich zu deinem Schutz verbanden,
Den stifte, fromm
belehrt, zu heiligem Bemühn.
Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken,
Mit Höhen die sich grün zu steter Weide decken,
Fischreichen klaren Seen, dann Bächlein ohne Zahl,
Das breite Thal dann
selbst, mit Wiesen, Gauen, Gründen:
Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden.
Kaiser.
Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt,
Die Gränze sey von dir nach eignem Maß gesteckt.
Erzbischof.
Sey alsobald zum Dienst
des Höchsten angekündigt.
Behende steigt im Geist Gemäuer stark empor,
Sie strömen brünstig
schon, durch’s würdige Portal,
Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Thal,
Von hohen Thürmen tönt’s, wie sie zum Himmel streben,
Der Büßer kommt heran, zu neugeschaffnem Leben.
Wird deine Gegenwart die
höchste Zierde seyn.
Kaiser.
Mag ein so großes Werk den frommen Sinn verkünd’gen,
Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsünd’gen.
Genug! Ich fühle schon wie sich mein Sinn erhöht.
Erzbischof.
Kaiser.
Ein förmlich Document, der Kirche das zu eignen,
Du legst es vor, ich will’s mit Freuden unterzeichnen.
Erzbischof
(hat sich beurlaubt, kehrt aber beim Ausgang wieder um).
Dann widmest du zugleich dem Werke, wie’s entsteht,
Gesammte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Beth’,
Und schwere Kosten macht
die sorgliche Verwaltung.
Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wüsten Platz,
Reichst du uns einiges Gold aus deinem Beuteschatz.
Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,
Die Kirche segnet den der
ihr zu Diensten fährt.
(Ab.)
Kaiser.
Die Sünd’ ist groß und schwer womit ich mich beladen,
Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden.
Erzbischof
(abermals zurückkehrend mit tiefster Verbeugung).
Des Reiches Strand
verliehn; doch diesen trifft der Bann,
Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle
Auch dort den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle.
Kaiser (verdrießlich).
Das Land ist noch nicht da, im Meere liegt es breit.
Erzbischof.
Für uns mög’ Euer Wort in
seinen Kräften bleiben!
Kaiser (allein).
So könnt’ ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.
Ja! sie sind’s die
dunkeln Linden,
Dort, in ihres Alters Kraft.
Nach so langer
Wanderschaft!
Ist es doch die alte Stelle,
Jene Hütte, die mich barg,
Als die sturmerregte Welle
Meine Wirthe möcht’ ich
segnen,
Hülfsbereit, ein wackres Paar,
Das, um heut mir zu begegnen,
Alt schon jener Tage war.
Poch’ ich? ruf’ ich? –
Seyd gegrüßt!
Wenn, gastfreundlich, auch noch heute
(Mütterchen, sehr
alt).
Lieber Kömmling! Leise! Leise!
Langer Schlaf verleiht
dem Greise
Kurzen Wachens rasches Thun.
Wanderer.
Sage, Mutter, bist du’s eben,
Meinen Dank noch zu empfahn,
Mit dem Gatten einst
gethan?
Bist du Baucis, die, geschäftig,
Halberstorbnen Mund erquickt?
(Der Gatte tritt auf.)
Du Philemon, der, so kräftig,
Eure Flammen raschen
Feuers,
Eures Glöckchens Silberlaut,
Jenes grausen Abenteuers
Lösung war euch anvertraut.
Schaun das gränzenlose
Meer;
Laßt mich knieen, laßt mich beten,
Mich bedrängt die Brust so sehr.
Eile nur den Tisch zu
decken,
Laß ihn rennen, ihn
erschrecken,
Denn er glaubt nicht was er sieht.
(Ihm folgend.)
Philemon
(neben dem Wanderer stehend).
Das euch grimmig mißgehandelt,
Wog’ auf Woge, schäumend wild,
Seht ein paradiesisch
Bild.
Aelter, war ich nicht zu Handen,
Hülfreich nicht wie sonst bereit;
Und, wie meine Kräfte schwanden,
Kluger Herren kühne
Knechte
Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte,
Herrn an seiner Statt zu seyn.
Anger, Garten, Dorf und
Wald.
Komm nun aber und genieße,
Denn die Sonne scheidet bald. –
Doch! im Fernsten ziehen Segel!
Kennen doch ihr Nest die
Vögel –
Erst des Meeres blauen
Saum,
Dichtgedrängt bewohnten
Raum.
(Am Tische zu Drey.)
Baucis
(zum Fremdling).
Bleibst du stumm? und keinen Bissen
Bringst du zum verlechzten Mund?
Philemon.
Möcht’ er doch vom Wunder wissen,
Baucis.
Wohl! ein Wunder ist’s gewesen!
Läßt mich heut noch nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.
Philemon.
Der das Ufer ihm
verliehn?
Thät’s ein Herold nicht verkündigen
Schmetternd im Vorüberziehn?
Nicht entfernt von unsern Dünen
Zelte, Hütten! – Doch im
Grünen,
Tags umsonst die Knechte
lärmten,
Hack’ und Schaufel, Schlag um Schlag,
Stand ein Damm den andern
Tag.
Menschenopfer mußten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Qual,
Meerab flossen Feuergluthen,
Gottlos ist er, ihn
gelüstet
Unsre Hütte, unser Hain;
Wie er sich als Nachbar brüstet
Soll man unterthänig seyn.
Philemon.
Schönes Gut im neuen
Land!
Baucis.
Traue nicht dem Wasserboden,
Halt auf deiner Höhe Stand.
Philemon.
Laßt uns zur Capelle treten!
Laßt uns läuten, knieen,
beten!
Und dem alten Gott vertraun.
(durch’s Sprachrohr).
Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe
Sie ziehen munter hafenein.
Auf dem Canale hier zu
seyn.
Die bunten Wimpel wehen fröhlich,
Die starren Masten stehn bereit,
In dir preis’t sich der Bootsmann selig,
(Das Glöckchen läutet
auf der Düne.)
Faust (auffahrend).
Verdammtes Läuten! Allzuschändlich
Verwundet’s, wie ein tückischer Schuß;
Vor Augen ist mein Reich unendlich,
Im Rücken neckt mich der Verdruß,
Mein Hochbesitz er ist
nicht rein,
Der Lindenraum, die braune Baute,
Das morsche Kirchlein ist nicht mein.
Und wünscht’ ich dort mich zu erholen,
Ist Dorn den Augen, Dorn
den Sohlen,
Wie segelt froh der bunte
Kahn,
Mit frischem Abendwind heran!
In Kisten, Kasten, Säcken
auf!
(Prächtiger Kahn, reich und bunt beladen mit Erzeugnissen fremder
Weltgegenden.)
Mephistopheles. Die drey gewaltigen Gesellen.
Chorus.
Da landen wir,
Da sind wir schon.
Glück an! dem Herren,
(Sie steigen aus, die
Güter werden an’s Land geschafft.)
Mephistopheles.
So haben wir uns wohl erprobt,
Vergnügt wenn der Patron es lobt.
Nur mit zwey Schiffen ging es fort,
Mit zwanzig sind wir nun im Port.
Das sieht man unsrer
Ladung an.
Das freie Meer befreit den Geist,
Wer weiß da was Besinnen heißt!
Da fördert nur ein rascher Griff,
Und ist man erst der Herr
zu drey
Man hat Gewalt, so hat
man Recht.
Ich müßte keine
Schifffahrt kennen:
Krieg, Handel und Piraterie,
Dreyeinig sind sie, nicht zu trennen.
Die drey gewaltigen Gesellen.
Nicht Dank und Gruß!
Als brächten wir
Dem Herrn Gestank!
Er macht ein
widerlich Gesicht;
Gefällt ihm nicht.
Mephistopheles.
Erwartet weiter
Keinen Lohn,
Nahmt ihr doch euren
Die Gesellen.
Das ist nur für
Die Langeweil,
Wir alle fordern
Saal an Saal
Die Kostbarkeiten
Allzumal.
Und tritt er zu
Berechnet er alles
Mehr genau,
Er sich gewiß
Nicht lumpen läßt
Fest nach Fest.
Die bunten Vögel kommen morgen,
Für die werd’ ich zum besten sorgen.
(Die Ladung wird weggeschafft.)
Mephistopheles (zu Faust).
Mit ernster Stirn, mit düsterm Blick
Die hohe Weisheit wird
gekrönt,
Das Ufer ist dem Meer versöhnt,
Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn,
Das Meer die Schiffe willig an,
Dein Arm die ganze Welt
umfaßt.
Von dieser Stelle ging es aus,
Hier stand das erste Breterhaus,
Ein Gräbchen ward hinabgeritzt
Erwarb des Meers, der
Erde Preis.
Von hier aus –
Faust.
Das verfluchte hier!
Das eben leidig lastet mir.
Mir gibt’s im Herzen
Stich um Stich,
Mir ist’s unmöglich zu ertragen!
Und wie ich’s sage, schäm’ ich mich.
Die Alten droben sollten weichen,
Die wenigen Bäume, nicht
mein eigen,
Verderben mir den Welt-Besitz.
Dort wollt’ ich, weit umher zu schauen,
Von Ast zu Ast Gerüste bauen,
Zu sehn was alles ich
gethan,
Zu überschaun mit einem Blick
Des Menschengeistes Meisterstück,
Bethätigend, mit klugem Sinn,
So sind am härtsten wir gequält:
Im Reichthum fühlend was uns fehlt.
Des Glöckchens Klang, der Linden Duft
Umfängt mich wie in Kirch’ und Gruft.
Das Glöcklein läutet und
ich wüthe.
Mephistopheles.
Natürlich, daß ein Hauptverdruß
Wer läugnet’s! Jedem
edlen Ohr
Kommt das Geklingel widrig vor.
Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel
Umnebelnd heitern Abendhimmel,
Vom ersten Bad bis zum
Begräbniß,
Als wäre, zwischen Bimm und Baum,
Das Leben ein verschollner Traum.
Faust.
Das Widerstehn, der Eigensinn
Daß man, zu tiefer,
grimmiger Pein,
Ermüden muß gerecht zu seyn.
Mephistopheles.
Was willst du dich denn hier geniren,
Mußt du nicht längst colonisiren?
Faust.
Das schöne Gütchen kennst
du ja,
Das ich dem Alten ausersah.
Mephistopheles.
Man trägt sie fort und setzt sie nieder,
Versöhnt ein schöner
Aufenthalt.
(Er pfeift gellend.)
Die Drey treten auf.
Mephistopheles.
Kommt! Wie der Herr gebieten läßt,
Und morgen gibt ein Flottenfest.
Die Drey.
Der alte Herr empfing uns schlecht,
Mephistopheles (ad Spectatores).
Auch hier geschieht was längst geschah,
Denn Naboths Weinberg war schon da.
Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Gefällt mir die
Welt.
Ich blick’ in die Ferne,
Ich seh’ in der Näh’,
Den Mond und die Sterne
Die ewige Zier,
Und wie mir’s gefallen
Gefall’ ich auch mir.
Was je ihr gesehn,
Es sey wie es wolle
Es war doch so schön!
(Pause.)
Nicht allein mich zu ergötzen
Welch ein gräuliches
Entsetzen
Droht mir aus der finstern Welt!
Funkenblicke seh’ ich sprühen
Durch der Linden Doppelnacht,
Von der Zugluft
angefacht.
Ach! die inn’re Hütte lodert,
Die bemoos’t und feucht gestanden,
Schnelle Hülfe wird gefodert,
Ach! die guten alten
Leute,
Sonst so sorglich um das Feuer,
Werden sie dem Qualm zur Beute!
Welch ein schrecklich Abenteuer!
Steht das schwarze
Moosgestelle,
Retteten sich nur die Guten
Aeste dürr, die
flackernd brennen,
Glühen schnell und stürzen ein.
Sollt ihr Augen dieß erkennen!
Muß ich so weitsichtig seyn!
Von der Aeste Sturz
und Last;
Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen,
Schon die Gipfel angefaßt.
Bis zur Wurzel glühn die hohlen
(Lange Pause,
Gesang.)
Was sich sonst dem Blick empfohlen,
Mit Jahrhunderten ist hin.
Faust
(auf dem Balkon, gegen die Dünen).
Von oben welch ein singend Wimmern?
Das Wort ist hier, der Ton zu spat,
Verdrießt die ungeduldige
That.
Doch sey der Lindenwuchs vernichtet,
Zu halbverkohlter Stämme Graun,
Ein Luginsland ist bald errichtet,
Da seh’ ich auch die neue
Wohnung,
Die jenes alte Paar umschließt,
Das, im Gefühl großmüthiger Schonung,
Verzeiht! es ging nicht
gütlich ab.
Wir klopften an, wir pochten an,
Und immer ward nicht aufgethan;
Wir rüttelten, wir pochten fort,
Wir riefen laut und
drohten schwer,
Allein wir fanden kein Gehör.
Und wie’s in solchem Fall geschicht,
Sie hörten nicht, sie wollten nicht,
Behende dir sie
weggeräumt.
Das Paar hat sich nicht viel gequält,
Vor Schrecken fielen sie entseelt.
Ein Fremder, der sich dort versteckt,
In wilden Kampfes kurzer
Zeit,
Von Kohlen, rings umher gestreut,
Entflammte Stroh. Nun lodert’s frei,
Als Scheiterhaufen dieser drey.
Faust.
Tausch wollt’ ich, wollte
keinen Raub.
Dem unbesonnenen wilden Streich
Ihm fluch’ ich! theilt es unter euch.
Chorus.
Das alte Wort, das Wort erschallt:
So wage Haus und Hof und
– Dich.
(Ab.)
Faust (auf dem Balkon).
Die Sterne bergen Blick und Schein,
Das Feuer sinkt und lodert klein;
Bringt Rauch und Dunst zu
mir heran.
Geboten schnell, zu schnell gethan! –
Ich heiße der Mangel.
Zweyte.
Ich heiße die
Schuld.
Dritte.
Vierte.
Ich heiße die
Noth.
Zu drey.
Die Thür ist verschlossen wir können nicht ein,
Drinn wohnet ein Reicher wir mögen nicht ’nein.
Mangel.
Da werd’ ich zu
nicht.
Noth.
Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht.
Sorge.
Die Sorge sie schleicht
sich durch’s Schlüsselloch ein.
(Sorge verschwindet.)
Mangel.
Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier.
Schuld.
Ganz nah an der Seite verbind’ ich mich dir.
Noth.
Ganz nah an der Ferse begleitet die Noth.
Zu drey.
Dahinten, dahinten! von
ferne von ferne,
Da kommt er der Bruder, da kommt er der – – – – – Tod.
Faust (im Palast).
Vier sah ich kommen, drey nur gehn,
Den Sinn der Rede konnt’ ich nicht verstehn.
Ein düstres Reimwort
folgte – Tod.
Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
Noch hab’ ich mich in’s Freie nicht gekämpft.
Könnt’ ich Magie von meinem Pfad entfernen,
Da wär’s der Mühe werth
ein Mensch zu seyn.
Das war ich sonst, eh’ ich’s im Düstern suchte,
Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.
Daß niemand weiß wie er
ihn meiden soll.
Wenn auch Ein Tag uns klar vernünftig lacht,
In Traumgespinnst verwickelt uns die Nacht;
Wir kehren froh von junger Flur zurück,
Von Aberglauben früh und
spat umgarnt.
Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt.
Und so verschüchtert, stehen wir allein;
Die Pforte knarrt und niemand kommt herein.
(Erschüttert.)
Sorge.
Die Frage fordert
Ja!
Faust.
Und du, wer bist denn du?
Sorge.
Bin einmal da.
Faust.
Entferne dich!
Sorge.
Nimm dich in Acht und
sprich kein Zauberwort.
Sorge.
Würde mich kein Ohr vernehmen
In verwandelter
Gestalt
Ueb’ ich grimmige Gewalt.
Auf den Pfaden, auf der Welle,
Ewig ängstlicher Geselle;
So geschmeichelt wie
verflucht.
Hast du die Sorge nie gekannt? –
Faust.
Ich bin nur durch die Welt gerannt;
Ein jed’ Gelüst ergriff ich bei den Haaren,
Was mir entwischte ließ
ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht,
Und abermals gewünscht, und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig;
Der Erdenkreis ist mir
genug bekannt.
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
Thor! wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seines gleichen dichtet!
Dem Tüchtigen ist diese
Welt nicht stumm.
Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!
Im Weiterschreiten find’
er Qual und Glück,
Er! unbefriedigt jeden Augenblick.
Sorge.
Wen ich einmal mir besitze
Dem ist alle Welt nichts nütze,
Sonne geht nicht auf
noch unter,
Bei vollkommnen äußern Sinnen
Wohnen Finsternisse drinnen.
Und er weiß von allen Schätzen
Glück und Unglück
wird zur Grille,
Er verhungert in der Fülle,
Sey es Wonne, sey es Plage,
Schiebt er’s zu dem andern Tage,
Und so wird er
niemals fertig.
Faust.
Hör’ auf! so kommst du mir nicht bei!
Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
Fahr’ hin! die schlechte Litaney
Sorge.
Soll er gehen? soll er kommen?
Der Entschluß ist ihm genommen;
Auf gebahnten Weges Mitte
Siehet alle Dinge
schiefer,
Sich und andre lästig drückend,
Athem holend und erstickend;
Nicht erstickt und ohne Leben,
So ein unaufhaltsam
Rollen
Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
Bald Befreien, bald Erdrücken,
Halber Schlaf und schlecht Erquicken
Und bereitet ihn zur
Hölle.
Faust.
Unselige Gespenster! so behandelt ihr
Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;
Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
Dämonen, weiß ich, wird
man schwerlich los,
Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen.
Sorge.
Mich mit
Verwünschung von dir wende!
Die Menschen sind im gan[z]en Leben blind,
Nun Fauste werde du’s am Ende! –
Die Nacht scheint tiefer
tief hereinzudringen,
Was ich gedacht ich eil’
es zu vollbringen;
Des Herren Wort es gibt allein Gewicht.
Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!
Laßt glücklich schauen was ich kühn ersann.
Das Abgesteckte muß
sogleich gerathen.
Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß,
Erfolgt der allerschönste Preis;
Daß sich das größte Werk vollende
Herbei herbei!
Herein herein!
Ihr schlotternden Lemuren,
Aus Bändern, Sehnen und Gebein
Geflickte Halbnaturen.
Lemuren im Chor.
Und, wie wir halb
vernommen,
Es gilt wohl gar ein weites Land
Warum an uns der Ruf
geschah
Das haben wir vergessen.
Mephistopheles.
Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
Verfahret nur nach eignen Maßen;
Ihr andern lüftet rings
umher den Rasen;
Wie man’s für unsre Väter that,
Vertieft ein längliches Quadrat!
Aus dem Palast in’s enge Haus,
Lemuren (mit neckischen Gebärden grabend).
Wie jung ich war und lebt’ und liebt’,
Mich däucht das war wohl süße;
Wo’s fröhlich klang und lustig ging
Da rührten sich meine Füße.
Mit seiner Krücke
getroffen;
Ich stolpert’ über Grabes Thür,
Warum stand sie just offen!
Faust (aus dem Palaste tretend, tastet an den Thürpfosten).
Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt!
Die Erde mit sich selbst
versöhnet,
Den Wellen ihre Gränze setzt,
Du bist doch nur für uns
bemüht
Denn du bereitest schon
Neptunen,
Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
In jeder Art seyd ihr verloren; –
Die Elemente sind mit uns verschworen,
Faust.
Aufseher!
Mephistopheles.
Hier!
Faust.
Wie es auch
möglich sey
Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge,
Ermuntre durch Genuß und Strenge,
Bezahle, locke, presse[10] bei!
Wie sich verlängt der
unternomm’ne Graben.
Mephistopheles (halblaut).
Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
Von keinem Graben, doch vom – Grab.
Faust.
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Den faulen Pfuhl auch
abzuziehn,
Das Letzte wär’ das Höchsterrungne.
Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
Sogleich behaglich auf
der neusten Erde,
Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Und wie sie nascht
gewaltsam einzuschießen,
Gemeindrang eilt die Lücke zu verschließen.
Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluß:
Der täglich sie erobern
muß.
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Zum Augenblicke dürft’
ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdetagen
Nicht in Aeonen untergehn. –
(Faust sinkt zurück, die Lemuren fassen ihn auf und legen ihn auf den Boden.)
Ihn sättigt keine Lust,
ihm gnügt kein Glück,
So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
Den letzten, schlechten, leeren Augenblick
Die Zeit wird Herr, der
Greis hier liegt im Sand.
Die Uhr steht still –
Chor.
Steht still! Sie
schweigt wie Mitternacht.
Der Zeiger fällt.
Mephistopheles.
Er fällt, es ist
vollbracht.
Chor.
Mephistopheles.
Vorbei! ein
dummes Wort.
Warum vorbei?
Vorbei und reines Nichts, vollkommnes Einerlei!
Was soll uns denn das ew’ge Schaffen!
Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!
Es ist so gut als wär’ es
nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis als wenn es wäre.
Wer hat das Haus so
schlecht gebaut,
Lemuren. Chor.
Dir dumpfer Gast im hänfnen Gewand
Wer hat den Saal so
schlecht versorgt?
Wo blieben Tisch und Stühle?
Lemuren. Chor.
Der Gläubiger sind
so viele.
Mephistopheles.
Der Körper liegt und will der Geist entfliehn,
Ich zeig’ ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; –
Doch leider hat man jetzt so viele Mittel
Auf altem Wege stößt man
an,
Auf neuem sind wir nicht empfohlen;
Sonst hätt’ ich es allein gethan,
Jetzt muß ich Helfershelfer holen.
Herkömmliche Gewohnheit,
altes Recht,
Man kann auf gar nichts mehr vertrauen.
Sonst mit dem letzten Athem fuhr sie aus,
Ich paßt’ ihr auf und, wie die schnellste Maus,
Nun zaudert sie und will
den düstern Ort,
Des schlechten Leichnams ekles Haus nicht lassen;
Die Elemente die sich hassen,
Die treiben sie am Ende schmählich fort.
Das Ob? sogar ist
lange zweifelhaft;
Oft sah ich lüstern auf die starren Glieder;
(Phantastisch-Flügelmännische Beschwörungs-Gebärden.)
Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt,
Ihr Herrn vom graden, Herrn vom krummen Horne,
Vom alten Teufelsschrot und Korne
Bringt ihr zugleich den Höllenrachen mit.
Nach Standsgebühr und
Würden schlingt sie ein;
Doch wird man auch bei diesem letzten Spiele
Ins künftige nicht so bedenklich seyn.
(Der gräuliche Höllenrachen thut sich links auf.)
Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes
Und in dem Siedequalm des
Hintergrundes
Seh’ ich die Flammenstadt in ewiger Gluth.
Die rothe Brandung schlägt hervor bis an die Zähne,
Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an;
Und sie erneuen ängstlich
heiße Bahn.
In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken,
So viel Erschrecklichstes im engsten Raum!
Ihr thut sehr wohl die Sünder zu erschrecken,
Ihr glüht so recht vom
Höllenschwefel feist;
Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken!
Hier unten lauert ob’s wie Phosphor gleißt:
Die rupft ihr aus, so
ist’s ein garstiger Wurm;
Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln,
Dann fort mit ihr im Feuer-Wirbel-Sturm.
Paßt auf die niedern Regionen,
Ob’s ihr beliebte da zu
wohnen,
So accurat weiß man das nicht.
Im Nabel ist sie gern zu Haus,
Nehmt es in Acht sie wischt euch dort heraus.
(Zu den Dürrteufeln vom langen, krummen Horne.)
Greift in die Luft,
versucht euch ohne Rast;
Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen,
Daß ihr die Flatternde, die Flüchtige faßt.
Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus,
Glorie von oben, rechts.
Himmlische Heerschaar.
Folget Gesandte,
Sündern vergeben,
Allen Naturen
Freundliche Spuren
Wirket im Schweben
Des weilenden Zugs.
Mephistopheles.
Von oben kommt’s mit
unwillkommnem Tag;
Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
Wie frömmelnder Geschmack sich’s lieben mag.
Ihr wißt wie wir, in tiefverruchten Stunden,
Das Schändlichste was wir
erfunden
Ist ihrer Andacht eben recht.
Sie kommen gleißnerisch, die Laffen!
So haben sie uns manchen weggeschnappt,
Es sind auch Teufel, doch
verkappt.
Hier zu verlieren wär’ euch ew’ge Schande;
An’s Grab heran und haltet fest am Rande!
Chor der Engel
(Rosen streuend).
Rosen, ihr blendenden,
Flatternde,
schwebende,
Knospenentsiegelte,
Frühling entsprieße!
Purpur und Grün;
Tragt Paradiese
Dem Ruhenden hin.
Mephistopheles
(zu den Satanen).
So haltet Stand und laßt
sie streuen.
An seinen Platz ein jeder Gauch!
Sie denken wohl mit solchen Blümeleyen
Die heißen Teufel einzuschneien;
Nun pustet, Püstriche! –
Genug genug!
Vor eurem Broden bleicht der ganze Flug. –
Nicht so gewaltsam! schließet Maul und Nasen!
Fürwahr, ihr habt zu stark geblasen.
Das schrumpft nicht nur,
es bräunt sich dort, es brennt!
Schon schwebt’s heran mit giftig klaren Flammen,
Stemmt euch dagegen, drängt euch fest zusammen! –
Die Kraft erlischt! dahin ist aller Muth!
Engel.
Blüthen die seligen,
Wonne bereiten sie,
Worte die wahren,
Aether im Klaren
Ewigen Schaaren
Ueberall Tag!
Mephistopheles.
Satane stehen auf den
Köpfen,
Die Plumpen schlagen Rad auf Rad
Und stürzen ärschlings in die Hölle.
Gesegn’ euch das verdiente heiße Bad!
(Sich mit den schwebenden Rosen herumschlagend.)
Irrlichter fort! du! leuchte noch so stark,
Du bleibst gehascht ein ekler Gallert-Quark.
Was flatterst du? Willst du dich packen! –
Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.
Engel. Chor.
Müsset ihr meiden,
Was euch das Innre stört
Dürft ihr nicht leiden.
Dringt es gewaltig ein,
Liebe nur Liebende
Mir brennt der Kopf, das
Herz, die Leber brennt,
Ein überteuflisch Element!
Drum jammert ihr so
ungeheuer,
Unglückliche Verliebte! die verschmäht,
Verdrehten Halses nach der Liebsten späht.
Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite?
Der Anblick war mir sonst
so feindlich scharf.
Hat mich ein Fremdes durch und durchgedrungen?
Ich mag sie gerne sehn die allerliebsten Jungen;
Was hält mich ab, daß ich nicht fluchen darf? –
Wer heißt denn künftighin
der Thor? –
Die Wetterbuben, die ich hasse,
Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor! –
Ihr schönen Kinder laßt mich wissen:
Ihr seyd so hübsch,
fürwahr ich möcht’ euch küssen,
Mir ist’s als kommt ihr eben recht.
Es ist mir so behaglich, so natürlich,
Als hätt’ ich euch schon tausendmal gesehn;
Mit jedem Blick auf’s
neue schöner schön.
Wir kommen schon, warum
weichst du zurück?
(Die Engel nehmen, umherziehend, den ganzen Raum ein.)
(der in’s Proscenium
gedrängt wird).
Und seyd die wahren
Hexenmeister;
Denn ihr verführet Mann und Weib. –
Welch ein verfluchtes Abenteuer!
Ist dieß das Liebeselement?
Ich fühle kaum daß es im
Nacken brennt. –
Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder,
Ein bißchen weltlicher bewegt die holden Glieder;
Fürwahr der Ernst steht euch recht schön!
Das wäre mir ein ewiges
Entzücken.
Ich meine so, wie wenn Verliebte blicken,
Ein kleiner Zug am Mund so ist’s gethan.
Dich langer Bursche, dich mag ich am liebsten leiden,
So sieh’ mich doch ein
wenig lüstern an!
Auch könntet ihr anständig-nackter gehen,
Das lange Faltenhemd ist übersittlich –
Sie wenden sich – Von hinten anzusehen! –
Wendet zur Klarheit
Euch, liebende Flammen!
Die sich verdammen
Heile die Wahrheit;
Froh sich erlösen,
Um in dem Allverein
Selig zu seyn.
Mephistopheles (sich fassend).
Wie wird mir! – Hiobsartig, Beul’ an Beule
Und triumphirt zugleich
wenn er sich ganz durchschaut,
Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut:
Gerettet sind die edlen Teufelstheile,
Der Liebespuk er wirft sich auf die Haut;
Und, wie es sich gehört,
fluch ich euch allzusammen!
Chor der Engel.
Heilige Gluthen!
Wen sie umschweben
Fühlt sich im Leben
Alle vereinigt
Hebt euch und preis’t,
Luft ist gereinigt,
(Sie erheben sich, Faustens Unsterbliches entführend.)
[332]Unmündiges Volk du hast
mich überrascht,
Sind mit der Beute himmelwärts entflogen;
Drum haben sie an dieser Gruft genascht!
Mir ist ein großer einziger Schatz entwendet,
Die haben sie mir pfiffig
weggepascht.
Bei wem soll ich mich nun beklagen?
Wer schafft mir mein erworbnes Recht?
Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,
Ich habe schimpflich
mißgehandelt,
Ein großer Aufwand, schmählich! ist verthan,
Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt
Den ausgepichten Teufel an.
Der Klugerfahrne sich
beschäftigt,
So ist fürwahr die Thorheit nicht gering
Die seiner sich am Schluß bemächtigt.
Heilige Anachoreten
(Gebirgauf vertheilt, gelagert zwischen Klüften).
Waldung, sie schwankt
heran,
Wurzeln sie klammern an,
Stamm dicht an Stamm hinan;
Woge nach Woge spritzt,
Höhle die tiefste schützt;
Freundlich um uns herum,
Ehren geweihten Ort
Heiligen Liebeshort.
Pater ecstaticus
(auf- und abschwebend).
Ewiger Wonnebrand,
Siedender Schmerz der
Brust,
Schäumende Gottes Lust.
Pfeile durchdringet mich,
Lanzen bezwinget mich,
Blitze durchwettert mich;
Daß ja das Nichtige,
Pater profundus
(tiefe Region).
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums der Fluth,
Der Stamm sich in die
Lüfte trägt:
So ist es die allmächtige Liebe
Die alles bildet, alles hegt.
Ist um mich her ein wildes Brausen
Und doch stürzt,
liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen gleich das Thal zu wässern;
Der Blitz, der flammend niederschlug
Die Gift und Dunst im
Busen trug,
Sind Liebesboten, sie verkünden
Was ewig schaffend uns umwallt.
Mein Innres mög’ es auch entzünden
Verquält in stumpfer
Sinne Schranken,
Scharfangeschloss’nem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken,
(mittlere Region).
Durch der Tannen
schwankend Haar!
Ahn’ ich was im Innern lebet?
Es ist junge Geisterschaar.
Chor seliger Knaben.
Sag’ uns, Vater, wo wir wallen,
Glücklich sind wir, allen
allen
Ist das Daseyn so gelind.
Pater Seraphicus.
Knaben! Mitternachts Geborne,
Halb erschlossen Geist und Sinn,
Für die Engel zum Gewinn.
Daß ein Liebender zugegen
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
Doch von schroffen Erdewegen
Steigt herab in meiner
Augen
Welt- und erdgemäß Organ,
Könnt sie als die euern brauchen,
Schaut euch diese Gegend an.
(Er nimmt sie in sich.)
Wasserstrom, der
abestürzt
Und mit ungeheurem Wälzen
Das ist mächtig
anzuschauen;
Schüttelt uns mit Schreck
und Grauen.
Edler, Guter, laß uns fort!
Pater Seraphicus.
Steigt hinan zu höhrem Kreise,
Wachset immer unvermerkt,
Gottes Gegenwart
verstärkt.
Denn das ist der Geister Nahrung
Die im freisten Aether waltet:
Ewigen Liebens Offenbarung
Chor seliger Knaben (um die höchsten Gipfel kreisend).
Hände verschlinget
Freudig zum Ringverein,
Regt euch und singet
Heilige Gefühle drein;
Dürft ihr vertraun,
Den ihr verehret
Werdet ihr schaun.
Engel (schwebend in der höhern Atmosphäre,
Faustens Unsterbliches tragend).
Gerettet ist das edle Glied
Wer immer strebend sich
bemüht
Von oben Theil genommen,
Mit herzlichem
Willkommen.
Die jüngeren Engel.
Jene Rosen, aus den Händen
Liebend-heiliger Büßerinnen,
Halfen uns den Sieg gewinnen,
Diesen Seelenschatz
erbeuten.
Böse wichen als wir streuten,
Teufel flohen als wir trafen.
Statt gewohnter Höllenstrafen
Selbst der alte
Satans-Meister
War von spitzer Pein durchdrungen.
Jauchzet auf! es ist gelungen.
Die vollendeteren Engel.
Uns bleibt ein Erdenrest
Und wär’ er von Asbest
Er ist nicht reinlich.
Wenn starke Geisteskraft
Die Elemente
Der innigen Beiden,
Die ewige Liebe nur
Die jüngern Engel.
Nebelnd um Felsenhöh’
Spür’ ich so eben,
Regend sich in der Näh’,
Ein Geister-Leben.
Ich seh’ bewegte Schaar
Seliger Knaben,
Los von der Erde Druck,
Im Kreis gesellt,
Am neuen Lenz und Schmuck
Der obern Welt.
Sey er zum Anbeginn,
Steigendem Vollgewinn,
Die seligen Knaben.
Freudig empfangen wir
Diesen im Puppenstand;
Also erlangen wir
Englisches Unterpfand.
Die ihn umgeben,
Schon ist er schön und groß
(in der höchsten,
reinlichsten Zelle).
Hier ist die Aussicht frei,
Dort ziehen Frau’n
vorbei,
Schwebend nach oben;
Die Herrliche mitteninn
Im Sternenkranze,
Ich seh’s am Glanze.
(Entzückt.)
Höchste Herrscherin der Welt!
Lasse mich, im blauen,
Ausgespannten Himmelszelt
Billige was des Mannes
Brust
Ernst und zart beweget
Und mit heiliger Liebeslust
Dir entgegen träget.
Wenn du hehr gebietest,
Plötzlich mildert sich die Gluth
Wie du uns befriedest.
Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
Uns erwählte Königin,
Sich leichte
Wölkchen,
Ein zartes Völkchen,
Um Ihre Knie
Den Aether schlürfend,
Gnade bedürfend.
Ist es nicht benommen
Daß die leicht Verführbaren
Traulich zu dir kommen.
In die Schwachheit hingerafft
Wer zerreißt aus eigner
Kraft
Der Gelüste Ketten?
Wie entgleitet schnell der Fuß
Schiefem glattem Boden?
Schmeichelhafter Odem?
Mater gloriosa
(schwebt einher).
Chor der Büßerinnen.
Du schwebst zu Höhen
Der ewigen Reiche,
Vernimm das Flehen
Bei der Liebe, die den
Füßen
Deines gottverklärten Sohnes
Thränen ließ zum Balsam fließen,
Beim Gefäße das so
reichlich
Tropfte Wohlgeruch hernieder;
Bei den Locken die so weichlich
Trockneten die heiligen Glieder –
Mulier Samaritana (St.
Joh. IV.)
Abram ließ die Heerde
führen;
Bei dem Eimer, der dem Heiland
Kühl die Lippe durft berühren;
Bei der reinen reichen Quelle,
Ueberflüssig, ewig helle,
Rings durch alle Welten fließet –
Maria Aegyptiaca (Acta
Sanctorum).
Bei dem hochgeweihten Orte,
Wo den Herrn man niederließ;
Warnend mich zurücke
stieß;
Bei der vierzigjährigen Buße,
Der ich treu in Wüsten blieb;
Bei dem seligen Scheidegruße,
Die du großen Sünderinnen
Deine Nähe nicht verweigerst,
Und ein büßendes Gewinnen
In die Ewigkeiten steigerst,
Die sich einmal nur
vergessen,
Die nicht ahnte daß sie fehle,
Dein Verzeihen angemessen!
Una Poenitentium
(sonst Gretchen genannt. Sich anschmiegend).
Neige, neige
Du Strahlenreiche,
Dein Antlitz gnädig meinem Glück!
Der früh Geliebte,
Nicht mehr Getrübte,
Selige Knaben
(in Kreisbewegung sich nähernd).
Er überwächs’t uns schon
An mächtigen Gliedern,
Wird treuer Pflege Lohn
Reichlich erwiedern.
Von Lebechören;
Doch dieser hat gelernt,
Vom edlen Geisterchor
umgeben,
Er ahnet kaum das frische
Leben
So gleicht er schon der heiligen Schaar.
Sieh wie er jedem Erdenbande
Der alten Hülle sich entrafft,
Hervortritt erste
Jugendkraft!
Vergönne mir ihn zu belehren,
Noch blendet ihn der neue Tag.
Mater gloriosa.
Komm! hebe dich zu höhern Sphären,
Doctor Marianus.
(Auf dem Angesicht anbetend.)
Blicket auf zum Retterblick
Alle reuig Zarten,
Euch zu seligem Geschick
Dankend umzuarten.
Dir zum Dienst
erbötig;
Jungfrau, Mutter, Königin,
Göttin bleibe gnädig!
Chorus mysticus.
Alles Vergängliche
Das Unzulängliche
Hier ist es gethan;
Zieht uns hinan.