[2] WS: Bibliotheksstempel und Signatur
[3][4]
[5]Ihr naht euch wieder,
schwankende Gestalten!
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Versuch’ ich wohl euch diesmal fest zu halten?
Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
Wie ihr aus Dunst und
Nebel um mich steigt;
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert.
Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,
Gleich einer alten,
halbverklungnen Sage,
Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf;
Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,
Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.
Sie hören nicht die
folgenden Gesänge,
Die Seelen, denen ich die ersten sang,
Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
Mein Lied[1] ertönt
der unbekannten Menge,
Ihr Beyfall selbst macht meinem Herzen bang,
Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,
Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.
Nach jenem stillen,
ernsten Geisterreich,
Es schwebet nun, in unbestimmten Tönen,
Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich,
Ein Schauer faßt mich, Thräne folgt den Thränen,
Was ich besitze seh’ ich
wie im weiten,
Und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten.
[8]
[9]Director.
Ihr beyden die ihr mir so oft,
In Noth und Trübsal, beygestanden,
Von unsrer Unternehmung
hofft?
Ich wünschte sehr der Menge zu behagen,
Besonders weil sie lebt und leben läßt.
Die Pfosten sind, die Breter aufgeschlagen,
Sie sitzen schon, mit
hohen Augenbraunen,
Gelassen da und möchten gern erstaunen.
Ich weiß wie man den Geist des Volks versöhnt;
Doch so verlegen bin ich nie gewesen;
Allein sie haben
schrecklich viel gelesen.
Wie machen wir’s? daß alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefällig sey.
Denn freylich mag ich gern die Menge sehen,
Und mit gewaltig
wiederholten Wehen,
Sich durch die enge Gnadenpforte zwängt;
Bey hellem Tage, schon vor Vieren,
Mit Stößen sich bis an die Kasse ficht
Um ein Billet sich fast
die Hälse bricht.
Dieß Wunder wirkt auf so verschiedne Leute
Der Dichter nur; mein Freund, o! thu es heute.
Dichter.
O sprich mir nicht von jener bunten Menge,
Verhülle mir das wogende
Gedränge,
Das wider Willen uns zum Strudel zieht.
Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge,
Wo nur dem Dichter reine Freude blüht;
Mit Götterhand erschaffen und erpflegen.
Ach! was in tiefer Brust
uns da entsprungen,
Was sich die Lippe schüchtern vorgelallt,
Mißrathen jetzt und jetzt vielleicht gelungen,
Oft wenn es erst durch
Jahre durchgedrungen
Erscheint es in vollendeter Gestalt.
Was glänzt ist für den Augenblick geboren,
Das Aechte bleibt der Nachwelt unverloren.
Lustige Person.
Gesetzt daß ich von
Nachwelt reden wollte,
Wer machte denn der Mitwelt Spaß?
Den will sie doch und soll ihn haben.
Die Gegenwart von einem braven Knaben
Wer sich behaglich
mitzutheilen weiß,
Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;
Er wünscht sich einen großen Kreis,
Um ihn gewisser zu erschüttern.
Laßt Phantasie, mit allen ihren Chören,
Vernunft, Verstand,
Empfindung, Leidenschaft,
Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören.
Director.
Besonders aber laßt genug geschehn!
Wird vieles vor den Augen
abgesponnen,
So daß die Menge staunend gaffen kann,
Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen,
Ihr seyd ein vielgeliebter Mann.
Ein jeder sucht sich
endlich selbst was aus.
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Gebt ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!
Leicht ist es vorgelegt,
so leicht als ausgedacht.
Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht,
Das Publikum wird es euch doch zerpflücken.
Dichter.
Ihr fühlet nicht wie schlecht ein solches Handwerk sey!
Der saubern Herren
Pfuscherey
Ist, merk’ ich, schon bey euch Maxime.
Director.
Ein solcher Vorwurf läßt mich ungekränkt;
Ein Mann, der recht zu wirken denkt,
Bedenkt, ihr habet
weiches Holz zu spalten,
Und seht nur hin für wen ihr schreibt!
Wenn diesen Langeweile treibt,
Kommt jener satt vom übertischten Mahle,
Gar mancher kommt vom
Lesen der Journale.
Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten,
Und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;
Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten
Was träumet ihr auf eurer
Dichter-Höhe?
Was macht ein volles Haus euch froh?
Beseht die Gönner in der Nähe!
Halb sind sie kalt, halb sind sie roh.
Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen.
Was plagt ihr armen Thoren
viel,
Zu solchem Zweck, die holden Musen?
Ich sag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr,
Sucht nur die Menschen zu
verwirren,
Sie zu befriedigen ist schwer – –
Was fällt euch an? Entzückung oder Schmerzen?
Dichter.
Geh hin und such dir einen andern Knecht!
Das Menschenrecht, das
ihm Natur vergönnt,
Um deinetwillen freventlich verscherzen!
Wodurch bewegt er alle Herzen?
Wodurch besiegt er jedes Element?
Und in sein Herz die Welt
zurücke schlingt.
Wenn die Natur des Fadens ew’ge Länge,
Gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt,
Wenn aller Wesen unharmon’sche Menge
Wer theilt die fließend
immer gleiche Reihe
Belebend ab, daß sie sich rythmisch regt?
Wer ruft das Einzelne zur
allgemeinen Weihe?
Wo es in herrlichen Accorden schlägt,
Das Abendroth im ernsten
Sinne glühn?
Wer schüttet alle schönen Frühlingsblüten
Auf der Geliebten Pfade hin?
Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter
Wer sichert den Olymp?
vereinet Götter?
Des Menschen Kraft im Dichter offenbart.
Lustige Person.
So braucht sie denn die schönen Kräfte
Und treibt die dicht’rischen Geschäfte,
Zufällig naht man sich,
man fühlt, man bleibt
Und nach und nach wird man verflochten;
Es wächst das Glück, dann wird es angefochten,
Man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran,
Laßt uns auch so ein
Schauspiel geben!
Greift nur hinein ins volle Menschenleben!
Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt,
Und wo ihr’s packt, da
ist’s interessant.
Viel Irrthum und ein
Fünkchen Wahrheit,
So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.
Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte
Dann sauget jedes
zärtliche Gemüthe
Aus eurem Werk sich melanchol’sche Nahrung;
Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt,
Ein jeder sieht was er im Herzen trägt.
Sie ehren noch den
Schwung, erfreuen sich am Schein;
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen,
Ein Werdender wird immer dankbar seyn.
Dichter.
So gieb mir auch die Zeiten wieder,
Da sich ein Quell
gedrängter Lieder
Ununterbrochen neu gebar,
Da Nebel mir die Welt verhüllten,
Die Knospe Wunder noch versprach,
Die alle Thäler reichlich
füllten.
Ich hatte nichts und doch genug,
Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.
Gieb ungebändigt jene Triebe,
Des Hasses Kraft, die
Macht der Liebe,
Gieb meine Jugend mir zurück!
Lustige Person.
Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls
Wenn dich in Schlachten Feinde drängen,
Sich allerliebste Mädchen
hängen,
Wenn fern des schnellen Laufes Kranz
Vom schwer erreichten Ziele winket,
Wenn nach dem heftgen Wirbeltanz
Doch ins bekannte
Saitenspiel
Mit Muth und Anmuth einzugreifen,
Nach einem selbgesteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuschweifen,
Und wir verehren euch darum
nicht minder.
Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder.
Director.
Der Worte sind genug gewechselt,
Indeß ihr Complimente
drechselt,
Kann etwas nützliches geschehn.
Was hilft es viel von Stimmung reden?
Dem Zaudernden erscheint sie nie.
So kommandirt die Poesie.
Euch ist bekannt was wir bedürfen,
Wir wollen stark Getränke schlürfen;
Nun braut mir unverzüglich dran!
Und keinen Tag soll man
verpassen,
Das Mögliche soll der Entschluß
Beherzt sogleich beym Schopfe fassen,
Er will es dann nicht fahren lassen,
Ihr wißt, auf unsern
deutschen Bühnen
Probirt ein jeder was er mag;
Drum schonet mir an diesem Tag
Prospecte nicht und nicht Maschinen.
Die Sterne dürfet ihr
verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
An Thier und Vögeln fehlt es nicht.
So schreitet in dem engen Breterhaus
Und wandelt, mit
bedächtger Schnelle,
Vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle.
[20]
[21][22]
[23]Die drey Erzengel treten vor.
Raphael.
Die Sonne tönt, nach alter Weise,
In Brudersphären Wettgesang,
Vollendet sie mit
Donnergang.
Ihr Anblick giebt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag.
Die unbegreiflich hohen Werke
Gabriel.
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde
Pracht;
Es wechselt Paradieses-Helle
Mit tiefer schauervoller Nacht;
Am tiefen Grund der
Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen
In ewig schnellem Sphärenlauf.
Michael.
Und Stürme brausen um die Wette
Und bilden wüthend eine
Kette
Der tiefsten Wirkung rings umher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags.
Das sanfte Wandeln deines
Tags.
Zu Drey.
Der Anblick giebt den Engeln Stärke
Da keiner dich ergründen mag,
Und alle deine hohen Werke
Mephistopheles.
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst wie alles sich bey uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst;
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Und wenn mich auch der
ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Der kleine Gott der Welt
bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd’ er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Nur thierischer als jedes
Thier zu seyn.
Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Cicaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und läg’ er nur noch immer
in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.
Der Herr.
Hast du mir weiter nichts zu sagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Mephistopheles.
Nein Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen.
Der Herr.
Kennst du den Faust?
Mephistopheles.
Den Doctor?
Der Herr.
Meinen Knecht!
Mephistopheles.
Nicht irdisch ist des
Thoren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gährung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne,
Und alle Näh’ und alle
Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
Der Herr.
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient;
So werd’ ich ihn bald in die Klarheit führen.
Daß Blüt’ und Frucht die
künft’gen Jahre zieren.
Mephistopheles.
Was wettet ihr? den sollt ihr noch verlieren!
Wenn ihr mir die Erlaubniß gebt
Ihn meine Straße sacht zu führen.
Der Herr.
So lange sey dir’s nicht
verboten.
Es irrt der Mensch so lang er strebt.
Mephistopheles.
Da dank’ ich euch; denn mit den Todten
Hab’ ich mich niemals gern befangen.
Für einen Leichnam bin
ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
Der Herr.
Nun gut, es sey dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Auf deinem Wege mit
herab,
Und steh’ beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch, in seinem dunkeln Drange,
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
Mephistopheles.
Mir ist für meine Wette
gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Der Herr.
Du darfst auch da nur frey erscheinen;
Ich habe deines gleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern die verneinen
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb’ ich gern ihm den
Gesellen zu,
Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, schaffen.
Doch ihr, die ächten Göttersöhne,
Das Werdende, das ewig
wirkt und lebt,
Umfaß’ euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken.
Der Himmel schließt, die Erzengel vertheilen sich,
Mephistopheles allein.
Und hüte mich mit ihm zu
brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
[30]
[31][32]
[33]In einem hochgewölbten, engen, gothischen Zimmer Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.
Faust.
Habe nun, ach! Philosophie,
Und leider auch
Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh’ ich nun, ich armer Thor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Und ziehe schon an die
zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, daß wir nichts
wissen können!
Zwar bin ich gescheidter
als alle die Laffen,
Doctoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Bilde mir nicht ein was
rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
Es möchte kein Hund so
länger leben!
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund;
Zu sagen brauche, was ich
nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
O sähst du, voller
Mondenschein,
Zum letztenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Trübsel’ger Freund,
erschienst du mir!
Ach! könnt’ ich doch auf Berges-Höh’n,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöle mit Geistern schweben,
Von allem Wissensqualm
entladen,
In deinem Thau gesund mich baden!
Weh! steck’ ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!
Trüb’ durch gemahlte
Scheiben bricht.
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
Den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den, bis an’s hohe Gewölb’ hinauf,
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Mit Instrumenten
vollgepfropft,
Urväter Hausrath drein gestopft –
Das ist deine Welt! das heißt eine Welt!
Sich bang’ in deinem
Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Umgiebt in Rauch und
Moder nur
Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.
Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dieß geheimnißvolle Buch,
Ist dir es nicht Geleit
genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Die heil’gen Zeichen dir
erklärt,
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir,
Antwortet mir, wenn ihr mich hört!
Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.
Auf einmal mir durch alle
meine Sinnen!
Ich fühle junges, heil’ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?
Das arme Herz mit Freude
füllen,
Und mit geheimnißvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen.
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
Die wirkende Natur vor
meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn’ ich was der Weise spricht:
„Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist todt!
Die ird’sche Brust im Morgenroth!“
Er beschaut das Zeichen.
Wie alles sich zum Ganzen
webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
Mit segenduftenden
Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all’ das All durchklingen!
Welch Schauspiel! aber ach! ein Schauspiel nur!
Euch Brüste, wo? Ihr
Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welke Brust sich drängt –
Ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so vergebens?
Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.
Du, Geist der Erde, bist
mir näher;
Schon fühl’ ich meine Kräfte höher,
Schon glüh’ ich wie von neuem Wein,
Ich fühle Muth, mich in die Welt zu wagen,
Mit Stürmen mich herumzuschlagen,
Und in des Schiffbruchs
Knirschen nicht zu zagen,
Es wölkt sich über mir –
Der Mond verbirgt sein Licht –
Es dampft! – Es zucken
rothe Strahlen
Mir um das Haupt – Es weht
Ein Schauer vom Gewölb’ herab
Und faßt mich an!
Enthülle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reißt!
Zu neuen Gefühlen
All’ meine Sinnen sich erwühlen!
Du mußt! du mußt! und kostet’ es mein Leben!
Er faßt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnißvoll aus. Es zuckt eine röthliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.
Geist.
Wer ruft mir?
Faust abgewendet.
Schreckliches
Gesicht!
Geist.
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang’ gesogen,
Faust.
Weh! ich ertrag’
dich nicht!
Geist.
Du flehst erathmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn,
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen
Wo ist die Brust? die
eine Welt in sich erschuf,
Und trug und hegte; die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben.
Wo bist du, Faust? deß Stimme mir erklang,
Bist Du es? der, von
meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenstiefen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm!
Faust.
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
In Lebensfluthen, im
Thatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff’ ich am sausenden Webstuhl der Zeit,
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Faust.
Geschäftiger Geist, wie
nah fühl’ ich mich dir!
Geist.
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Verschwindet.
Faust zusammenstürzend.
Nicht dir!
Ich Ebenbild der
Gottheit!
Und nicht einmal dir!
[42] Es klopft.
O Tod! ich kenn’s – das ist
mein Famulus –
Es wird mein schönstes Glück zu nichte!
Der trockne Schleicher
stören muß!
Wagner.
Verzeiht! ich hör’ euch declamiren;
Ihr las’t gewiß ein griechisch Trauerspiel?
In dieser Kunst möcht’ ich ’was profitiren,
Ich hab’ es öfters rühmen
hören,
Ein Komödiant könnt’ einen Pfarrer lehren.
Faust.
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.
Wagner.
Und sieht die Welt kaum
einen Feyertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten,
Wie soll man sie durch Ueberredung leiten?
Faust.
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Und mit urkräftigem
Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
Aus eurem Aschenhäufchen
’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wagner.
Allein der Vortrag macht des Redners Glück;
Ich fühl’ es wohl, noch bin ich weit zurück.
Faust.
Such’ Er den redlichen Gewinn!
Sey er kein schellenlauter Thor!
Mit wenig Kunst sich
selber vor;
Und wenn’s euch Ernst ist was zu sagen,
Ist’s nöthig Worten
nachzujagen?
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
Sind unerquicklich wie
der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
Wagner.
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
Doch oft um Kopf und
Busen bang’.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh’ man nur den halben Weg erreicht,
Faust.
Das Pergament, ist das der heilge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
Wagner.
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Und wie wir’s dann
zuletzt so herrlich weit gebracht.
Faust.
O ja, bis an die Sterne weit!
Sind uns ein Buch mit
sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Man läuft euch bey dem
ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer,
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaction,
Mit trefflichen, pragmatischen Maximen,
Wagner.
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist!
Möcht’ jeglicher doch was davon erkennen.
Faust.
Ja was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr
Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.
Ich bitt’ euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wagner.
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit euch mich zu besprechen.
Doch Morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
ab.
Faust allein.
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
Darf eine solche Menschenstimme hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
Doch ach! für dießmal dank’ ich dir,
Die mir die Sinne schon
zerstören wollte.
Ach! die Erscheinung war so Riesen-groß,
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon
Sein selbst genoß, in
Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freye Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Sich ahndungsvoll vermaß,
wie muß ich’s büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen.
Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn besessen;
In jenem sel’gen
Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß,
Soll ich gehorchen jenem
Drang?
Ach! unsre Thaten selbst, so gut als unsre Leiden,
Sie hemmen unsres Lebens Gang.
Dem herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
Wenn wir zum Guten dieser
Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erstarren in dem irdischen Gewühle.
Und hoffnungsvoll zum
Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr nun genug,
Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
Unruhig wiegt sie sich
und störet Lust und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Und was du nie verlierst
das mußt du stets beweinen.
Den Göttern gleich’ ich nicht! zu tief ist es gefühlt;
Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwühlt;
Den, wie er sich im Staube nährend lebt,
Ist es nicht Staub? was diese hohe Wand,
Aus hundert Fächern, mir verenget;
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand,
In dieser Mottenwelt mich dränget?
Soll ich vielleicht in
tausend Büchern lesen,
Daß überall die Menschen sich gequält,
Daß hie und da ein Glücklicher gewesen? –
Was grinsest du mir hohler Schädel her?
Den leichten Tag gesucht
und in der Dämmrung schwer,
Mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirret.
Zwar euer Bart ist kraus,
doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnißvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleyers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
Du alt Geräthe das ich
nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
So lang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.
Als mit dem wenigen
belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinen Vätern hast
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht nützt ist eine schwere Last,
Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle?
Die ich mit Andacht nun
herunterhole,
In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.
Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,
Ich sehe dich, es wird
der Schmerz gelindert,
Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,
Des Geistes Fluthstrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewiesen,
Zu neuen Ufern lockt ein
neuer Tag.
Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,
An mich heran! Ich fühle mich bereit
Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen,
Dieß hohe Leben, diese
Götterwonne!
Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?
Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
Hier ist es Zeit durch
Thaten zu beweisen,
Daß Mannes-Würde nicht der Götterhöhe weicht,
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,
Nach jenem Durchgang
hinzustreben,
Um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;
Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen
Und, wär’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.
Hervor aus deinem alten
Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht.
Du glänztest bey der Väter Freudenfeste,
Erheitertest die ernsten Gäste,
Der vielen Bilder
künstlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,
Auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugend-Nacht,
Mit brauner Flut erfüllt
er deine Höhle.
Den ich bereitet, den ich wähle,
Er setzt die Schaale an den Mund.
Christ ist
erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Mängel
umwanden.
Faust.
Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton,
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon
Ihr Chöre singt ihr schon
den tröstlichen Gesang?
Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang,
Mit Spezereyen
Wir seine
Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tücher und Binden
Reinlich umwanden wir,
Christ nicht
mehr hier.
Chor der Engel.
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die Betrübende,
Prüfung
bestanden.
Faust.
Was sucht ihr, mächtig und gelind,
Ihr Himmelstöne mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
Das Wunder ist des
Glaubens liebstes Kind.
Und doch, an diesen Klang
von Jugend auf gewöhnt,
Sonst stürzte sich der
Himmels-Liebe Kuß
Auf mich herab, in ernster Sabathstille;
Da klang so ahndungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
Trieb mich durch Wald und
Wiesen hinzugehn,
Und unter tausend heißen Thränen,
Fühlt’ ich mir eine Welt entstehn.
Dieß Lied verkündete der Jugend muntre Spiele,
Erinnrung hält mich nun,
mit kindlichem Gefühle,
Vom letzten, ernsten Schritt zurück.
O! tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!
Chor der Jünger.
Schon sich nach
oben,
Lebend Erhabene,
Ach! an der
Erde Brust,
Sind wir zum Leide da.
Ließ er die Seinen
Schmachtend uns hier zurück;
Meister dein
Glück!
Chor der Engel.
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schoos.
Reißet von Banden
Thätig ihn
preisenden,
Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,
Euch ist der
Meister nah’,
Einige Handwerksbursche.
Warum denn dort hinaus?
Andre.
Wir gehn hinaus auf’s Jägerhaus.
Die Ersten.
Ein Handwerksbursch.
Ich rath’ euch nach dem Wasserhof zu gehn.
Zweyter.
Der Weg dahin ist gar nicht schön.
Die Zweyten.
Was thust denn du?
Ein Dritter.
Ich gehe mit den
andern.
Vierter.
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr
Und Händel von der ersten
Sorte.
Fünfter.
Du überlustiger Gesell,
Juckt dich zum drittenmal das Fell?
Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.
Dienstmädchen.
Andre.
Wir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln stehen.
Erste.
Das ist für mich kein großes Glück;
Er wird an deiner Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Andre.
Heut ist er sicher nicht allein,
Der Krauskopf, sagt er, würde bey ihm seyn.
Schüler.
Blitz wie die wackern Dirnen schreiten!
Herr Bruder komm! wir müssen sie begleiten.
Und eine Magd im Putz das
ist nun mein Geschmack.
Bürgermädchen.
Da sieh mir nur die schönen Knaben!
Es ist wahrhaftig eine Schmach,
Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben,
Zweyter Schüler zum ersten.
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwey,
Sie sind gar niedlich angezogen,
’s ist meine Nachbarin dabey;
Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
Und nehmen uns doch auch
am Ende mit.
Erster.
Herr Bruder nein! Ich bin nicht gern genirt.
Die Hand, die Samstags
ihren Besen führt,
Bürger.
Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!
Nun, da er’s ist, wird er nur täglich dreister.
Und für die Stadt was thut denn er?
Wird es nicht alle Tage schlimmer?
Und zahlen mehr als je
vorher.
Bettler singt.
Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,
So wohlgeputzt und backenroth,
Belieb’ es euch mich anzuschauen,
Laßt hier mich nicht
vergebens leyern!
Nur der ist froh, der geben mag.
Ein Tag den alle Menschen feyern,
Er sey für mich ein Aerndetag.
Andrer Bürger.
Die Völker auf einander
schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Dann kehrt man Abends
froh nach Haus,
Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.
Dritter Bürger.
Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn,
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
Doch nur zu Hause bleib’s
beym Alten.
Alte zu den Bürgermädchen.
Ey! wie geputzt! das schöne junge Blut!
Wer soll sich nicht in euch vergaffen? –
Nur nicht so stolz! es ist schon gut!
Bürgermädchen.
Agathe fort! ich nehme mich in Acht
Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;
Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht,
Soldatenhaft, mit
mehreren Verwegnen;
Ich seh’ mich um, ich such’ ihn überall,
Allein mir will er nicht begegnen.
Soldaten.
Burgen mit hohen
Mädchen mit stolzen
Höhnenden Sinnen
Möcht’ ich gewinnen!
Kühn ist das Mühen,
Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das ist ein Leben!
Mädchen und Burgen
Und die Soldaten
Ziehen davon.
Faust.
Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche,
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Der alte Winter, in
seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
Aber die Sonne duldet
kein Weißes,
Ueberall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Kehre dich um, von diesen
Höhen
Dringt ein buntes
Gewimmel hervor.
Sie feyern die
Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes Banden,
Aus der Straßen
quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur sieh! wie behend sich die Menge
Wie der Fluß, in Breit’
und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Blinken uns farbige
Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Wagner.
Mit euch, Herr Doctor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd’ ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Ist mir ein gar verhaßter
Klang;
Sie toben wie vom bösen Geist getrieben
Und nennen’s Freude, nennen’s Gesang.
Tanz und Gesang.
Der Schäfer putzte sich zum
Tanz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll
Und alles tanzte schon wie toll.
Juchhe! Juchhe!
So ging der Fiedelbogen.
Er drückte hastig sich heran,
Da stieß er an ein Mädchen an,
Mit seinem Ellenbogen;
Und sagte: nun das find’
ich dumm
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Seyd nicht so ungezogen.
Sie tanzten rechts sie
tanzten links
Und alle Röcke flogen.
Sie wurden roth, sie wurden warm
Und ruhten athmend Arm in Arm,
Juchheisa! Heisa! He!
Und Hüft’ an Ellenbogen.
Und thu mir doch nicht so vertraut!
Er schmeichelte sie doch
bey Seit’
Und von der Linde scholl es weit:
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Alter Bauer.
Herr Doctor, das ist schön von euch,
Daß ihr uns heute nicht verschmäht,
Und unter dieses Volksgedräng’,
Als ein so Hochgelahrter, geht.
Den wir mit frischem
Trunk gefüllt,
Ich bring’ ihn zu und wünsche laut,
Daß er nicht nur den Durst euch stillt;
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Faust.
Ich nehme den Erquickungs-Trank,
Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.
Fürwahr es ist sehr wohl
gethan,
Daß ihr am frohen Tag erscheint;
An bösen Tagen gut
gemeynt!
Gar mancher steht lebendig hier,
Den euer Vater noch zuletzt
Der heißen Fieberwuth entriß,
Auch damals ihr, ein
junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus,
Dem Helfer half der
Helfer droben.
Alle.
Gesundheit dem bewährten Mann,
Daß er noch lange helfen kann!
Faust.
Vor jenem droben steht gebückt,
Er geht mit Wagnern weiter.
[69]Welch ein Gefühl mußt du,
o großer Mann!
Bey der Verehrung dieser Menge haben!
O! glücklich! wer von seinen Gaben
Solch einen Vortheil ziehen kann.
Ein jeder fragt und
drängt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mützen fliegen in die Höh’;
Als käm’ das Venerabile.
Faust.
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
Hier saß ich oft gedankenvoll allein
An Hoffnung reich, im
Glauben fest,
Mit Thränen, Seufzen, Händeringen
Dacht’ ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes werth gewesen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
In Redlichkeit, jedoch
auf seine Weise,
Mit grillenhafter Mühe sann.
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze Küche schloß,
Das Widrige zusammengoß.
Da ward ein rother Leu, ein kühner Freyer,
Im lauen Bad, der Lilie vermählt
Und beyde dann, mit offnem Flammenfeuer,
Erschien darauf, mit
bunten Farben,
Die junge Königin im Glas,
Hier war die Arzeney, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
In diesen Thälern, diesen
Bergen,
Sie welkten hin, ich muß
erleben
Wagner.
Wie könnt ihr euch darum betrüben!
Thut nicht ein braver Mann genug;
Die Kunst, die man ihm übertrug,
Gewissenhaft und pünctlich auszuüben.
So wirst du gern von ihm
empfangen;
Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst,
So kann dein Sohn zu höhrem Ziel gelangen.
Faust.
O! glücklich! wer noch hoffen kann
Was man nicht weiß das
eben brauchte man,
Und was man weiß kann man nicht brauchen.
Doch laß uns dieser Stunde schönes Gut,
Durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!
Die grünumgebnen Hütten
schimmern.
O! daß kein Flügel mich
vom Boden hebt,
Ich säh’ im ewigen
Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,
Den Silberbach in goldne Ströme fließen.
Der wilde Berg mit allen
seinen Schluchten;
Schon thut das Meer sich mit erwärmten Buchten
Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;
Ich eile fort ihr ew’ges
Licht zu trinken,
Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,
Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
Kein körperlicher Flügel
sich gesellen.
Doch ist es jedem eingeboren,
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
Wenn über schroffen
Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und über Flächen, über Seen,
Der Kranich nach der Heimat strebt.
Wagner.
Doch solchen Trieb hab’
ich noch nie empfunden.
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt,
Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden,
Da werden Winternächte
hold und schön,
Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen;
So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.
Faust.
O lerne nie den andern
kennen!
Zwey Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die andre hebt gewaltsam
sich vom Dust,
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O giebt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd’ und Himmel herrschend weben,
Und führt mich weg, zu
neuem buntem Leben!
Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!
Und trüg’ er mich in fremde Länder,
Mir sollt’ er, um die köstlichsten Gewänder,
Wagner.
Berufe nicht die wohlbekannte Schaar,
Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet,
Dem Menschen tausendfältige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
Auf dich herbey, mit
pfeilgespitzten Zungen;
Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,
Und nähren sich von deinen Lungen;
Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,
Um dich und Feld und Aue
zu ersäufen.
Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen;
Und lispeln englisch,
wenn sie lügen.
Doch gehen wir! ergraut ist schon die Welt,
Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!
Am Abend schätzt man erst das Haus. –
Was kann dich in der
Dämmrung so ergreifen?
Faust.
Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?
Wagner.
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
Faust.
Betracht’ ihn recht! für was hältst du das Thier?
Wagner.
Sich auf der Spur des
Herren plagt.
Faust.
Und irr’ ich nicht, so
zieht ein Feuerstrudel
Wagner.
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel,
Es mag bey euch wohl Augentäuschung seyn.
Faust.
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen,
Zu künft’gem Band, um unsre Füße zieht.
Wagner.
Weil er, statt seines
Herrn, zwey Unbekannte sieht.
Faust.
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
Wagner.
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
Faust.
Geselle dich zu uns! Komm hier!
Wagner.
Du sprichst ihn an, er
strebt an dir hinauf;
Nach deinem Stock ins
Wasser springen.
Faust.
Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur.
Wagner.
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Ja, deine Gunst verdient
er ganz und gar
Sie gehen in das Stadt-Thor.
[78]
Verlassen hab’ ich
Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
In uns die bessre
Seele weckt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe,
Mit jedem ungestümen Thun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Sey ruhig Pudel! renne nicht hin und wieder!
An der Schwelle was schnoperst du hier?
Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein bestes Kissen geb’ ich dir.
Durch Rennen und
Springen, ergetzt uns hast,
So nimm nun auch von mir die Pflege,
Als ein willkommner stiller Gast.
Ach wenn in unsrer engen Zelle
Dann wird’s in
unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen,
Und Hoffnung wieder an zu blühn,
Ach! nach des Lebens
Quelle hin.
Knurre nicht Pudel! Zu den heiligen Tönen,
Die jetzt meine ganze Seel’ umfassen,
Will der thierische Laut nicht passen.
Was sie nicht verstehn,
Daß sie vor dem Guten und Schönen,
Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
Befriedigung nicht mehr
aus dem Busen quillen.
Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab’ ich so viel Erfahrung.
Wir lernen das
Ueberirdische schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd’ger und schöner brennt,
Als in dem neuen Testament.
Mit redlichem Gefühl
einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen,
Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.
Geschrieben steht: „im
Anfang war das Wort!“
Ich kann das Wort so
hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.
Daß deine Feder sich nicht
übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
Mir hilft der Geist! auf
einmal seh ich Rath
Und schreibe getrost: im Anfang war die That!
Soll ich mit dir das Zimmer theilen,
Pudel, so laß das Heulen,
Solch einen störenden
Gesellen
Mag ich nicht in der Nähe leiden.
Einer von uns beyden
Muß die Zelle meiden.
Die Thür’ ist offen, hast
freyen Lauf.
Aber was muß ich sehen!
Kann das natürlich geschehen?
Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?
Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes
Gestalt!
Welch ein Gespenst bracht’ ich ins Haus!
Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,
O! du bist mir gewiß!
Für solche halbe Höllenbrut
Ist Salomonis Schlüssel gut.
Geister auf dem Gange.
Drinnen gefangen ist einer!
Wie im Eisen der
Fuchs,
Zagt ein alter Höllenluchs.
Aber gebt Acht!
Schwebet hin, schwebet wieder,
Und er hat sich
losgemacht.
Könnt ihr ihm nützen,
Laßt ihn nicht sitzen!
Denn er that uns allen
Faust.
Erst zu begegnen dem Thiere,
Brauch’ ich den Spruch der Viere:
Salamander soll glühen,
Undene sich winden,
Kobold sich mühen.
Wer sie nicht kennte
Die Elemente,
Ihre Kraft
Wäre kein Meister
Ueber die Geister.
Verschwind’ in Flammen
Salamander!
Undene!
Leucht’ in Meteoren-Schöne
Silphe!
Bring’ häusliche Hülfe
Tritt hervor und
mache den Schluß.
Keines der Viere
Steckt in dem Thiere.
Es liegt ganz ruhig und grins’t mich an,
Du sollst mich hören
Stärker beschwören.
Bist du, Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?
Dem sie sich beugen
Die schwarzen Schaaren.
Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
Verworfnes Wesen!
Den nie
entsprossnen,
Unausgesprochnen,
Durch alle Himmel gegossnen,
Freventlich durchstochnen.
Schwillt es wie ein
Elephant,
Den ganzen Raum füllt es an,
Es will zum Nebel zerfließen.
Steige nicht zur Decke hinan!
Du siehst daß ich nicht
vergebens drohe.
Ich versenge dich mit heiliger Lohe!
Erwarte nicht
Das dreymal glühende Licht!
Die stärkste von meinen
Künsten!
Mephistopheles
tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.
Wozu der Lärm? was steht
dem Herrn zu Diensten?
Faust.
Das also war des Pudels Kern!
Ein fahrender Scolast? Der Casus macht mich lachen.
Mephistopheles.
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
Faust.
Wie nennst du dich?
Mephistopheles.
Die Frage scheint
mir klein,
Für einen, der das Wort so sehr verachtet,
Der, weit entfernt von allem Schein,
Faust.
Bey euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewöhnlich aus dem Namen lesen,
Wo es sich allzu deutlich weis’t,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.
Mephistopheles.
Ein Theil von
jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Faust.
Was ist mit diesem Räthselwort gemeynt?
Mephistopheles.
Ich bin der Geist der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles was entsteht
Drum besser wär’s daß
nichts entstünde.
So ist denn alles was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Faust.
Mephistopheles.
Bescheidne Wahrheit sprech’ ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,
Gewöhnlich für ein Ganzes hält;
Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war,
Das stolze Licht, das nun
der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Ein Körper hemmt’s auf
seinem Gange,
So, hoff’ ich, dauert es nicht lange
Und mit den Körpern wird’s zu Grunde gehn.
Faust.
Nun kenn’ ich deine würd’gen Pflichten!
Und fängst es nun im
Kleinen an.
Mephistopheles.
Und freylich ist nicht viel damit gethan.
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt,
Ich wußte nicht ihr
beyzukommen,
Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand,
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Thier- und Menschenbrut,
Wie viele hab’ ich schon
begraben!
Und immer zirkulirt ein neues, frisches Blut.
So geht es fort, man möchte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser, wie der Erden
Im Trocknen, Feuchten,
Warmen, Kalten!
Hätt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten;
Ich hätte nichts apart’s für mich.
Faust.
So setzest du der ewig regen,
Die kalte Teufelsfaust
entgegen,
Die sich vergebens tückisch ballt!
Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
Mephistopheles.
Die nächstenmale mehr
davon!
Dürft’ ich wohl diesmal mich entfernen?
Faust.
Ich sehe nicht warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen,
Hier ist das Fenster,
hier die Thüre,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
Mephistopheles.
Gesteh’ ich’s nur! daß ich hinausspaziere
Verbietet mir ein kleines Hinderniß,
Faust.
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ey sage mir, du Sohn der Hölle,
Wenn das dich bannt, wie
kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
Mephistopheles.
Der eine Winkel, der nach
außen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.
Faust.
Das hat der Zufall gut getroffen!
Und mein Gefangner wärst denn du?
Mephistopheles.
Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen,
Die Sache sieht jetzt anders aus;
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
Faust.
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
Mephistopheles.
Wo sie hereingeschlüpft,
da müssen sie hinaus.
Das erste steht uns frey, beym zweyten sind wir Knechte.
Faust.
Die Hölle selbst hat ihre Rechte?
Das find’ ich gut, da ließe
sich ein Packt,
Mephistopheles.
Was man verspricht, das sollst du rein genießen,
Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das ist nicht so kurz zu fassen,
Und wir besprechen das zunächst;
Für diesesmal mich zu
entlassen.
Faust.
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erst gute Mähr zu sagen.
Mephistopheles.
Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück,
Faust.
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen.
Den Teufel halte wer ihn hält!
Er wird ihn nicht so bald zum zweytenmale fangen.
Mephistopheles.
Dir zur Gesellschaft hier
zu bleiben;
Doch mit Bedingniß, dir die Zeit,
Durch meine Künste, würdig zu vertreiben.
Faust.
Ich seh’ es gern, das steht dir frey;
Mephistopheles.
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen,
In dieser Stunde mehr gewinnen,
Als in des Jahres Einerley.
Was dir die zarten Geister singen,
Sind nicht ein leeres
Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzückt sich dein Gefühl.
Beysammen sind wir,
fanget an!
Geister.
Schwindet ihr dunkeln
Wölbungen droben!
Reizender schaue,
Aether herein!
Wären die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Scheinen darein.
Himmlischer Söhne
Geistige Schöne,
Schwankende Beugung
Sehnende Neigung
Folget hinüber;
Und der Gewänder
Flatternde Bänder
Decken die Laube,
Wo sich für’s Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
Stürzt in’s Behälter
Drängender Kelter,
Schäumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Höhen
Breiten zu Seen
Sich ums Genüge
Grünender Hügel.
Und das Geflügel
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Wo wir in Chören
Jauchzende hören,
Ueber den Auen
Tanzende schauen,
Alle zerstreuen.
Einige glimmen
Ueber die Höhen,
Andere schwimmen
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne
Mephistopheles.
Er schläft! So recht, ihr luft’gen zarten Jungen!
Ihr habt ihn treulich eingesungen!
Für dies Conzert bin ich in eurer Schuld.
Du bist noch nicht der Mann den Teufel fest zu halten!
Versenkt ihn in ein Meer
des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten
Bedarf ich eines Rattenzahns.
Nicht lange brauch’ ich zu
beschwören,
Der Herr der Ratten und der Mäuse,
Der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse,
Befiehlt dir dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
Da kommst du schon
hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Biß, so ist’s geschehn. –
Faust erwachend.
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang?
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und daß ein Pudel mir entsprang?
Faust.
Mephistopheles.
Ich bin’s.
Faust.
Herein!
Mephistopheles.
Du mußt es
dreymal sagen.
Faust.
Herein denn!
Mephistopheles.
So gefällst du
mir.
Wir werden, hoff’ ich, uns
vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen
In rothem goldverbrämtem
Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Dergleichen gleichfalls
anzulegen;
Damit du, losgebunden, frey,
Erfahrest was das Leben sey.
Faust.
In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein
Ich bin zu alt, um nur zu
spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu seyn.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Der jedem an die Ohren
klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach’ ich
Morgens auf,
Den Tag zu sehn, der mir
in seinem Lauf
Nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen,
Der selbst die Ahndung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Mit tausend Lebensfratzen
hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken,
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Der Gott, der mir im
Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen,
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
Der Tod erwünscht, das
Leben mir verhaßt.
Mephistopheles.
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
Faust.
O seelig der! dem er im Siegesglanze
Die blut’gen Lorbeern um
die Schläfe windet,
In eines Mädchens Armen
findet.
O wär’ ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!
Mephistopheles.
Und doch hat Jemand einen braunen Saft,
Faust.
Das Spioniren, scheint’s, ist deine Lust.
Mephistopheles.
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewußt.
Faust.
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß bekannter Ton mich zog,
Mit Anklang froher Zeit
betrog;
So fluch’ ich allem was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöle
Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst
umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Des Ruhms, der
Namensdauer Trug!
Verflucht was als Besitz uns schmeichelt,
Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!
Verflucht sey Mammon, wenn mit Schätzen
Wenn er zu müßigem
Ergetzen
Die Polster uns zurechte legt!
Fluch sey dem Balsamsaft der Trauben!
Fluch jener höchsten Liebeshuld!
Und Fluch vor allen der
Geduld!
Geisterchor unsichtbar.
Weh! weh!
Du hast sie zerstört,
Die schöne Welt,
Sie stürzt, sie
zerfällt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trümmern ins Nichts hinüber,
Ueber die verlorne
Schöne.
Mächtiger
Der Erdensöhne,
Prächtiger
In deinem Busen baue
sie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Tönen darauf!
Mephistopheles.
Dies sind die kleinen
Von den Meinen.
Höre, wie zu Lust und Thaten
In die Welt weit,
Aus der Einsamkeit,
Wo Sinnen und Säfte
stocken,
Wollen sie dich locken.
Der, wie ein Geyer, dir
am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist’s nicht gemeynt
Ich bin keiner von den
Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen;
So will ich mich gern bequemen,
Ich bin dein Geselle
Und, mach ich dir’s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
Faust.
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
Mephistopheles.
Faust.
Nein nein! der Teufel ist ein Egoist
Und thut nicht leicht um Gottes Willen
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Mephistopheles.
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wieder finden,
So sollst du mir das Gleiche thun.
Faust.
Schlägst du erst diese
Welt zu Trümmern,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Dann mag was will und
kann geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen
Sphären
Mephistopheles.
In diesem Sinne kannst du’s wagen.
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehn.
Faust.
Ward eines Menschen
Geist, in seinem hohen Streben,
Von deines Gleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast
Du rothes Gold, das ohne Rast,
Ein Spiel, bey dem man
nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Aeugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
Zeig mir die Frucht die
fault, eh’ man sie bricht,
Und Bäume die sich täglich neu begrünen!
Mephistopheles.
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Wo wir was Gut’s in Ruhe
schmausen mögen.
Faust.
Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sey es gleich um mich gethan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Kannst du mich mit Genuß
betrügen;
Das sey für mich der letzte Tag!
Die Wette biet’ ich!
Mephistopheles.
Top!
Faust.
Und Schlag auf
Schlag!
Werd’ ich zum Augenblicke sagen:
Dann magst du mich in
Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zu Grunde gehn!
Dann mag die Todtenglocke schallen,
Dann bist du deines
Dienstes frey,
Es sey die Zeit für mich
vorbey!
Mephistopheles.
Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergessen.
Faust.
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Ob dein, was frag’ ich,
oder wessen.
Mephistopheles.
Ich werde heute gleich, beym Doctorschmaus,
Als Diener, meine Pflicht erfüllen.
Nur eins! – um Lebens oder Sterbens willen,
Faust.
Auch was geschriebnes forderst du Pedant?
Hast du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?
Ist’s nicht genug, daß mein gesprochnes Wort
Auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?
Und mich soll ein Versprechen halten?
Doch dieser Wahn ist uns
ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreyen?
Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,
Allein ein Pergament,
beschrieben und beprägt,
Ist ein Gespenst vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
Erz, Marmor, Pergament,
Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Ich gebe jede Wahl dir frey.
Mephistopheles.
Wie magst du deine Rednerey
Ist doch ein jedes
Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.
Faust.
Wenn dieß dir völlig G’nüge thut,
So mag es bey der Fratze bleiben.
Mephistopheles.
Faust.
Nur keine Furcht, daß ich dieß Bündniß breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist g’rade das was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
Der große Geist hat mich
verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur.
Des Denkens Faden ist zerrissen,
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Uns glühende
Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sey jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit
Da mag denn Schmerz und
Genuß,
Gelingen und Verdruß,
Mit einander wechseln wie es kann;
Nur rastlos bethätigt sich der Mann.
Mephistopheles.
Beliebt’s euch überall zu
naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen;
Bekomm’ euch wohl was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seyd nicht blöde!
Faust.
Dem Taumel weih’ ich
mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
Will ich in meinem innern
Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
Mephistopheles.
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Ist nur für einen Gott
gemacht!
Er findet sich in einem ew’gen Glanze,
Uns hat er in die Finsterniß gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
Faust.
Mephistopheles.
Das läßt sich
hören!
Doch nur vor Einem ist mir bang’;
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dächt’, ihr ließet euch belehren.
Associirt euch mit einem Poeten,
Und alle edlen Qualitäten
Auf euren Ehren-Scheitel häufen,
Des Löwen Muth,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Nordens Dau’rbarkeit.
Laßt ihn euch das Geheimniß finden,
Großmuth und Arglist zu verbinden,
Und euch, mit warmen Jugendtrieben,
Möchte selbst solch einen
Herren kennen,
Würd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.
Faust.
Was bin ich denn? wenn es nicht möglich ist
Der Menschheit Krone zu erringen,
Mephistopheles.
Du bist am Ende – was du bist.
Setz’ dir Perrücken auf von Millionen Locken,
Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer was du bist.
Faust.
Des Menschengeist’s auf
mich herbeygerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
Mephistopheles.
Mein guter Herr, ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheidter
machen,
Eh’ uns des Lebens Freude flieht.
Und Kopf und H – –[3] die
sind dein;
Doch alles was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Ich renne zu und bin ein
rechter Mann,
Als hätt’ ich vier und zwanzig Beine.
Drum frisch! laß alles Sinnen seyn,
Und g’rad’ mit in die Welt hinein!
Ist wie ein Thier, auf
dürrer Heide
Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
Und rings umher liegt schöne grüne Weide.
Faust.
Wie fangen wir das an?
Mephistopheles.
Wir gehen eben
fort.
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich und die Jungens
ennuyiren?
Laß du das dem Herrn Nachbar Wanst!
Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?
Darfst du den Buben doch
nicht sagen.
Gleich hör’ ich einen auf dem Gange!
Faust.
Mir ist’s nicht möglich ihn zu sehn.
Mephistopheles.
Der arme Knabe wartet lange,
Komm, gib mir deinen Rock
und Mütze;
Die Maske muß mir köstlich stehn.
Er kleidet sich um.
Nun überlaß es meinem
Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
Faust ab.
Mephistopheles
in Faust’s langem Kleide.
Verachte nur Vernunft und
Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und
Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
Ihm hat das Schicksal
einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
Durch flache
Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis’ und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
Und hätt’ er sich auch
nicht dem Teufel übergeben,
Er müßte doch zu Grunde gehn!
Schüler.
Ich bin alhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
Mephistopheles.
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch sonst schon umgethan?
Schüler.
Ich komme mit allem guten
Muth,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern’ was rechts hieraußen lernen.
Mephistopheles.
Schüler.
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
In diesen Mauern, diesen Hallen,
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
Und in den Sälen, auf den
Bänken,
Vergeht mir Hören, Seh’n und Denken.
Mephistopheles.
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der
Mutter Brust
Doch bald ernährt es sich
mit Lust.
So wird’s euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.
Schüler.
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Mephistopheles.
Erklärt euch, eh’ ihr weiter geht,
Was wählt ihr für eine Facultät?
Schüler.
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
Die Wissenschaft und die
Natur.
Mephistopheles.
Da seyd ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt ihr euch nicht zerstreuen lassen.
Schüler.
Ich bin dabey mit Seel’ und Leib;
Ein wenig Freyheit und
Zeitvertreib,
An schönen Sommerfeiertagen.
Mephistopheles.
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist euch wohl dressirt,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fort an
Und nicht etwa, die
Kreuz’ und Quer,
Irlichtelire hin und her.
Dann lehret man euch manchen Tag,
Daß, was ihr sonst auf einen Schlag
Eins! Zwey! Drey! dazu
nöthig sey.
Zwar ist’s mit der Gedanken-Fabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo Ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend
Verbindungen schlägt:
Der Philosoph der tritt herein,
Und beweis’t euch, es müßt’ so seyn:
Und drum das Dritt’ und
Vierte so;
Und wenn das Erst’ und Zweyt’ nicht wär’,
Das Dritt’ und Viert’ wär’ nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
Wer will was lebendig’s
erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Dann hat er die Theile in seiner Hand,
Fehlt leider! nur das geistige Band.
Spottet ihrer selbst und
weiß nicht wie.
Schüler.
Kann euch nicht eben ganz verstehen.
Mephistopheles.
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn ihr lernt alles reduciren
Schüler.
Mir wird von alle dem so dumm,
Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.
Mephistopheles.
Nachher vor allen andern Sachen
Müßt ihr euch an die Metaphysik machen!
Was in des Menschen Hirn
nicht paßt;
Für, was drein geht und nicht drein geht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Fünf Stunden habt ihr
jeden Tag;
Seyd drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt euch vorher wohl präparirt,
Paragraphos wohl einstudirt,
Daß er nichts sagt, als
was im Buche steht;
Doch euch des Schreibens ja befleißt,
Als dictirt’ euch der Heilig’ Geist!
Schüler.
Das sollt ihr mir nicht zweymal sagen!
Denn, was man schwarz auf
weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen.
Mephistopheles.
Doch wählt mir eine Facultät!
Schüler.
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.
Mephistopheles.
Ich weiß wie es um diese
Lehre steht.
Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort,
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Vernunft wird Unsinn,
Wohlthat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Vom Rechte, das mit uns geboren ist,
Von dem ist leider! nie die Frage.
Schüler.
O glücklich der! den ihr
belehrt!
Fast möcht’ ich nun Theologie studiren.
Mephistopheles.
Ich wünschte nicht euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es liegt in ihr so viel
verborgnes Gift,
Und von der Arzeney ists kaum zu unterscheiden.
Am besten ist’s auch hier, wenn ihr nur Einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
Dann geht ihr durch die
sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.
Schüler.
Doch ein Begriff muß bey dem Worte seyn.
Mephistopheles.
Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen;
Da stellt ein Wort zur
rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Schüler.
Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen,
Allein ich muß euch noch bemüh’n.
Wollt ihr mir von der Medicin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
Und, Gott! das Feld ist
gar zu weit.
Wenn man einen Fingerzeig nur hat,
Läßt sich’s schon eher weiter fühlen.
Mephistopheles für sich.
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Laut.
Der Geist der Medicin ist
leicht zu fassen;
Ihr durchstudirt die groß’ und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.
Ein jeder lernt nur was
er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seyd noch ziemlich wohlgebaut,
Und wenn ihr euch nur
selbst vertraut,
Vertrauen euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
Aus Einem Puncte zu
curiren,
Und wenn ihr halbweg ehrbar thut,
Dann habt ihr sie all’ unter’m Hut.
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
Zum Willkomm’ tappt ihr
dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Und fasset sie, mit feurig schlauen Blicken,
Zu seh’n, wie fest
geschnürt sie sey.
Schüler.
Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie.
Mephistopheles.
Grau, theurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
Schüler.
Dürft’ ich euch wohl ein
andermal beschweren,
Von eurer Weisheit auf den Grund zu hören?
Mephistopheles.
Was ich vermag, soll gern geschehn.
Schüler.
Ich kann unmöglich wieder gehn,
Gönn’ Eure Gunst mir
dieses Zeichen!
Mephistopheles.
Sehr wohl.
Er schreibt und giebt’s.
Schüler lies’t.
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
Macht’s ehrerbietig zu und empfiehlt sich.
Mephistopheles.
Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange,
Faust.
Wohin soll es nun gehn?
Mephistopheles.
Wohin es dir
gefällt.
Wir sehn die kleine, dann die große Welt.
Mit welcher Freude, welchem Nutzen,
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
Faust.
Fehlt mir die leichte
Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glücken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken,
Vor andern fühl’ ich mich so klein;
Mephistopheles.
Mein guter Freund, das wird sich alles geben;
Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben.
Faust.
Wie kommen wir denn aus dem Haus?
Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?
Mephistopheles.
Der soll uns durch die
Lüfte tragen.
Du nimmst bey diesem kühnen Schritt
Nur keinen großen Bündel
mit.
Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Und sind wir leicht, so
geht es schnell hinauf;
Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!
Frosch.
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Und brennt sonst immer
lichterloh.
Brander.
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbey,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerey.
Frosch.
gießt ihm ein Glas Wein über den Kopf.
Da hast du beydes!
Brander.
Doppelt Schwein!
Frosch.
Siebel.
Zur Thür hinaus wer sich entzweyt!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!
Auf! Holla! Ho!
Altmayer.
Weh mir, ich bin
verloren!
Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
Siebel.
Fühlt man erst recht des
Basses Grundgewalt.
Frosch.
So recht, hinaus mit dem der etwas übel nimmt!
A! tara lara da!
Altmayer.
A! tara lara da!
Frosch.
Die Kehlen sind gestimmt.
Singt.
Wie hält’s nur noch
zusammen?
Brander.
Ein garstig Lied! Pfuy! ein politisch Lied!
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen
Daß ihr nicht braucht für’s Röm’sche Reich zu sorgen!
Daß ich nicht Kaiser oder
Kanzler bin.
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwählen.
Ihr wißt, welch eine Qualität
Frosch. singt.
Schwing’ dich auf, Frau Nachtigall,
Grüß’ mir mein Liebchen zehentausendmal.
Siebel.
Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hören!
Frosch.
Singt.
Riegel auf! der
Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens früh.
Siebel.
Ja, singe, singe nur, und lob’ und rühme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Zum Liebsten sey ein
Kobold ihr bescheert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ist für die Dirne viel zu
gut.
Ich will von keinem Gruße wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen!
Brander auf den Tisch schlagend.
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!
Verliebte Leute sitzen
hier,
Und diesen muß, nach Standsgebühr,
Zur guten Nacht ich was zum Besten geben.
Gebt Acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
[132] Er singt
Es war eine Ratt’ im
Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst’t,
Als wie der Doctor Luther.
Da ward’s so eng’
ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Chorus jauchzend.
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Brander.
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Zernagt’, zerkratzt’
das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüthen nützen;
Sie thät gar manchen Aengstesprung,
Bald hatte das arme Thier genung,
Chorus.
Als hätt’ es Lieb’ im Leibe.
Brander.
Sie kam für Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Fiel an den Heerd und zuckt’ und lag,
Da lachte die
Vergifterinn noch:
Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch,
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Chorus.
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
Siebel.
Es ist mir eine rechte
Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
Brander.
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
Altmayer.
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Er sieht in der
geschwollnen Ratte
Sein ganz natürlich Ebenbild.
Mephistopheles.
Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft
bringen,
Dem Volke hier wird jeder
Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
So lang’ der Wirth nur
weiter borgt,
Sind sie vergnügt und unbesorgt.
Brander.
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht’s an ihrer wunderlichen Weise;
Frosch.
Wahrhaftig, du hast Recht! Mein Leipzig lob’ ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
Siebel.
Für was siehst du die Fremden an?
Frosch.
Laß mich nur gehn! bey einem vollen Glase,
Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem
edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
Brander.
Marktschreyer sind’s gewiß, ich wette!
Altmayer.
Frosch.
Gib Acht, ich
schraube sie!
Mephistopheles zu Faust.
Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beym Kragen hätte.
Faust.
Seyd uns gegrüßt, ihr Herrn!
Siebel.
Viel Dank zum
Gegengruß.
Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.
Was hinkt der Kerl auf
Einem Fuß?
Mephistopheles.
Statt eines guten Trunks,
den man nicht haben kann,
Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
Altmayer.
Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann.
Frosch.
Ihr seyd wohl spät von Rippach aufgebrochen?
Mephistopheles.
Heut sind wir ihn vorbey gereis’t;
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wußt’ er viel zu sagen,
Viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen.
Er neigt sich gegen Frosch.
Altmayer leise.
Siebel.
Ein pfiffiger
Patron!
Frosch.
Nun, warte nur, ich krieg’ ihn schon!
Mephistopheles.
Wenn ich nicht irrte, hörten wir
Geübte Stimmen Chorus singen?
Gewiß, Gesang muß trefflich hier
Frosch.
Seyd ihr wohl gar ein Virtuos?
Mephistopheles.
O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.
Altmayer.
Gebt uns ein Lied!
Mephistopheles.
Wenn ihr begehrt,
die Menge.
Siebel.
Nur auch ein nagelneues Stück!
Mephistopheles.
Dem schönen Land des Weins und der Gesänge.
Singt.
Es war einmal ein
König,
Der hatt’ einen großen Floh –
Frosch.
Horcht! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefaßt?
Mephistopheles singt.
Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh,
Den liebt’ er gar
nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Der Schneider kam
heran.
Da miß dem Junker Kleider,
Und miß ihm Hosen an!
Brander.
Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuschärfen,
Und daß, so lieb sein
Kopf ihm ist,
Die Hosen keine Falten werfen!
Mephistopheles.
In Sammet und in Seide
War er nun angethan,
Hatt’ auch ein Kreuz
daran,
Und war sogleich Minister,
Und hatt’ einen großen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Und Herrn und Frau’n am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königinn und die
Zofe
Gestochen und genagt,
Und weg sie jucken
nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich wenn einer sticht.
Chorus jauchzend.
Wir knicken und ersticken
Frosch.
Bravo! Bravo! Das war schön!
Siebel.
So soll es jedem Floh ergehn!
Brander.
Spitzt die Finger und packt sie fein!
Altmayer.
Es lebe die Freyheit! Es lebe der Wein!
Mephistopheles.
Wenn eure Weine nur ein
Bißchen besser wären.
Siebel.
Wir mögen das nicht wieder hören!
Mephistopheles.
Ich fürchte nur der Wirth beschweret sich,
Sonst gäb’ ich diesen werthen Gästen
Siebel.
Nur immer her! ich nehm’s auf mich.
Frosch.
Schafft ihr ein gutes Glas, so wollen wir euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben;
Denn wenn ich judiciren soll,
Altmayer leise.
Sie sind vom Rheine, wie ich spüre.
Mephistopheles.
Schafft einen Bohrer an!
Brander.
Was soll mit dem
geschehn?
Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Thüre?
Altmayer.
Dahinten hat der Wirth ein Körbchen Werkzeug stehn.
Mephistopheles. nimmt den Bohrer.
zu Frosch
Frosch.
Wie meynt ihr das? Habt ihr so mancherley?
Mephistopheles.
Ich stell’ es einem jeden frey.
Altmayer zu Frosch.
Aha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.
Frosch.
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.
Mephistopheles.
indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt.
Verschafft ein wenig Wachs,
die Pfropfen gleich zu machen!
Altmayer.
Ach das sind Taschenspielersachen.
Mephistopheles. zu Brander.
Und ihr?
Brander.
Ich will
Champagner Wein,
Und recht mussirend soll er seyn!
Mephistopheles
bohrt, einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht und verstopft.
Brander.
Das Gute liegt uns oft so
fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
Siebel.
indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert.
Ich muß gestehn, den sauren
mag ich nicht,
Mephistopheles bohrt.
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
Altmayer.
Nein, Herren, seht mir in’s Gesicht!
Ich seh’ es ein, ihr habt uns nur zum Besten.
Mephistopheles.
Ey! Ey! Mit solchen edlen Gästen
Geschwind! Nur grad’
heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
Altmayer.
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind,
Mephistopheles. mit
seltsamen Geberden.
Trauben trägt der Weinstock!
Der Wein ist saftig,
Holz die Reben,
Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur!
Alle.
indem sie die Pfropfen ziehen, und jedem der verlangte Wein in’s Glas läuft.
O schöner Brunnen, der uns
fließt!
Mephistopheles.
Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!
Sie trinken wiederholt.
Alle singen.
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünf hundert Säuen!
Mephistopheles.
Faust.
Ich hätte Lust nun abzufahren.
Mephistopheles.
Gib nur erst Acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
Siebel.
trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde, und wird zur Flamme.
Helft! Feuer! helft! die
Hölle brennt!
Mephistopheles die Flamme besprechend.
zu dem Gesellen.
Für dießmal war es nur ein
Tropfen Fegefeuer.
Siebel.
Was soll das seyn? Wart! ihr bezahlt es theuer!
Es scheinet, daß ihr uns nicht kennt.
Frosch.
Laß er uns das zum zweytenmale bleiben!
Altmayer.
Siebel.
Was Herr? Er will sich unterstehn,
Und hier sein Hokuspokus treiben?
Mephistopheles.
Still, altes Weinfaß!
Siebel.
Besenstiel!
Du willst uns gar noch grob begegnen?
Brander.
Altmayer
zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen.
Ich brenne! ich brenne!
Siebel.
Zauberey!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrey!
Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.
Mephistopheles mit
ernsthafter Geberde.
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Sie stehn erstaunt und sehn einander an.
[146]Altmayer.
Wo bin ich? Welches schöne Land!
Frosch.
Weinberge! Seh’ ich recht?
Siebel.
Und Trauben
gleich zur Hand!
Brander.
Hier unter diesem grünen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
Er faßt Siebeln bey der Nase. Die andern thun es wechselseitig und heben die Messer.
Mephistopheles wie
oben.
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren aus einander.
Siebel.
Was giebt’s?
Altmayer.
Wie?
Frosch.
War das deine
Nase?
Brander zu Siebel.
Und deine hab’ ich in der Hand!
Altmayer.
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!
Frosch.
Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?
Frosch.
Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,
Er soll mir nicht lebendig gehn!
Altmayer.
Ich hab’ ihn selbst hinaus zur Kellerthüre –
Es liegt mir bleyschwer in den Füßen.
Sich nach dem Tische wendend.
Mein! Sollte wohl der Wein
noch fließen?
Siebel.
Betrug war alles, Lug und Schein.
Frosch.
Mir däuchte doch, als tränk’ ich Wein.
Brander.
Altmayer.
Nun sag’ mir eins, man soll kein Wunder glauben!
Auf einem niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich verschiedene Gestalten. Eine Meerkatze sitzt bey dem Kessel und schäumt ihn, und sorgt daß er nicht überläuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich. Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrath ausgeschmückt.
Faust.
Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
Versprichst du mir, ich soll genesen,
In diesem Wust von Raserey?
Und schafft die Sudelköcherey
Wohl dreyßig Jahre mir vom
Leibe?
Weh mir, wenn du nichts bessers weißt!
Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
Nicht irgend einen Balsam
ausgefunden?
Mephistopheles.
Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!
Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel;
Allein es steht in einem andern Buch,
Faust.
Ich will es wissen.
Mephistopheles.
Gut! Ein Mittel,
ohne Geld
Und Arzt und Zauberey, zu haben:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang’ an zu hacken und zu graben,
In einem ganz
beschränkten Kreise,
Ernähre dich mit ungemischter Speise,
Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht für Raub,
Den Acker, den du ärndest, selbst zu düngen;
Auf achtzig Jahr dich zu
verjüngen!
Faust.
Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen
Den Spaten in die Hand zu nehmen,
Das enge Leben steht mir gar nicht an.
Mephistopheles.
Faust.
Warum denn just das alte Weib?
Kannst du den Trank nicht selber brauen?
Mephistopheles.
Das wär’ ein schöner Zeitvertreib!
Ich wollt’ indeß wohl tausend Brücken bauen.
Geduld will bey dem Werke
seyn.
Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig,
Die Zeit nur macht die feine Gährung kräftig.
Und alles was dazu gehört
Der Teufel hat sie’s zwar
gelehrt;
Allein der Teufel kann’s nicht machen.
[151] Die Thiere erblickend.
Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!
Das ist die Magd! das ist der Knecht!
Zu den Thieren.
Die Thiere.
Beym Schmause,
Aus dem Haus
Zum Schornstein hinaus!
Mephistopheles.
Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?
Die Thiere.
Mephistopheles. zu Faust.
Wie findest du die zarten Thiere?
Faust.
So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!
Mephistopheles.
Nein, ein Discours wie dieser da,
Ist g’rade der, den ich am liebsten führe!
Zu den Thieren.
Was quirlt ihr in dem
Brey herum?
Thiere.
Wir kochen breite Bettelsuppen.
Mephistopheles.
Da habt ihr ein groß Publicum.
Der Kater
macht sich herbey und schmeichelt dem Mephistopheles.
O würfle nur gleich,
Und laß mich gewinnen!
Gar schlecht ist’s bestellt,
Und wär’ ich bey Geld,
So wär’ ich bey Sinnen.
Mephistopheles.
Könnt’ er nur auch in’s Lotto setzen!
Indessen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie hervor.
Der Kater.
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Wie bald bricht das!
Ist hohl inwendig,
Hier glänzt sie sehr,
Und hier noch mehr,
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du mußt sterben!
Sie ist von Thon,
Mephistopheles.
Was soll das Sieb?
Der Kater holt es herunter.
Wärst du ein Dieb,
Wollt’ ich dich gleich erkennen.
Er läuft zur Kätzinn und läßt sie durchsehen.
Sieh durch das Sieb!
Und darfst ihn nicht nennen?
Mephistopheles sich
dem Feuer nähernd.
Und dieser Topf?
Kater und Kätzinn.
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Mephistopheles.
Unhöfliches Thier!
Der Kater.
Den Wedel nimm hier,
Und setz’ dich in Sessel!
Er nöthigt den Mephistopheles zu sitzen.
Faust
welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt hat.
Was seh’ ich? Welch ein
himmlisch Bild
O Liebe, leihe mir den
schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage nah’ zu gehn,
Das schönste Bild von einem
Weibe!
Ist’s möglich, ist das Weib so schön?
Muß’ ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
Mephistopheles.
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was gescheidtes werden.
Für dießmal sieh dich immer satt;
Und selig wer das gute
Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen!
Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.
Hier sitz’ ich wie der
König auf dem Throne,
Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die Krone.
Die Thiere.
welche bisher allerley wunderliche Bewegungen durch einander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrey.
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!
[156] Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwey Stücke, mit welchen sie herumspringen.
Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Faust gegen den Spiegel.
Weh mir! ich werde schier verrückt.
Mephistopheles auf die Thiere deutend.
Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.
Die Thiere.
Und wenn es uns glückt,
Und wenn es sich schickt,
Faust wie oben.
Mein Busen fängt mir an zu brennen!
Entfernen wir uns nur geschwind!
Mephistopheles in obiger Stellung.
Nun, wenigstens muß man bekennen,
Daß es aufrichtige Poeten sind.
Der Kessel, welchen die Kätzinn bisher ausser Acht gelassen, fängt an überzulaufen; es entsteht eine grosse Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrey herunter gefahren.
[157]Die Hexe.
Verdammtes Thier!
verfluchte Sau!
Versäumst den Kessel, versengst die Frau!
Verfluchtes Thier!
Faust und Mephistopheles erblickend.
Was ist das hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
Die Feuerpein
Euch in’s Gebein!
Sie fährt mit dem Schaumlöffel in den Kessel und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und den Thieren. Die Thiere winseln.
Mephistopheles
welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt, und unter die Gläser und Töpfe schlägt.
Da liegt der Brey!
Da liegt das Glas!
Es ist nur Spaß,
Der Tact, du Aas,
[158] Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurücktritt.
Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!
Erkennst du deinen Herrn und Meister?
Was hält mich ab, so schlag’ ich zu,
Zerschmettre dich und deine Katzen-Geister!
Kannst du die Hahnenfeder
nicht erkennen?
Hab’ ich dieß Angesicht versteckt?
Soll ich mich etwa selber nennen?
Die Hexe.
O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
Wo sind denn eure beyden
Raben?
Mephistopheles.
Für dießmal kamst du so davon;
Denn freylich ist es eine Weile schon,
Daß wir uns nicht gesehen haben.
Hat auf den Teufel sich
erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,
Darum bedien’ ich mich,
wie mancher junge Mann,
Seit vielen Jahren falscher Waden.
Die Hexe tanzend.
Sinn und Verstand verlier’ ich schier,
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!
Mephistopheles.
Die Hexe.
Warum? Was hat er euch gethan?
Mephistopheles.
Er ist schon lang’ in’s Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
Ich bin ein Cavalier, wie
andre Cavaliere.
Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;
Sieh her, das ist das Wapen, das ich führe!
Er macht eine unanständige Geberde.
Die Hexe lacht
unmäßig.
Ha! Ha! Das ist in eurer Art!
Mephistopheles zu
Faust.
Mein Freund, das lerne wohl verstehn!
Dieß ist die Art mit Hexen umzugehn.
Die Hexe.
Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.
Mephistopheles.
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Die Jahre doppeln seine
Kraft.
Die Hexe.
Gar gern! Hier hab’ ich eine Flasche,
Aus der ich selbst zuweilen nasche,
Die auch nicht mehr im mind’sten stinkt;
Leise.
Doch wenn es dieser Mann
unvorbereitet trinkt,
So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
Mephistopheles.
Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;
Ich gönn’ ihm gern das beste deiner Küche.
Und gieb ihm eine Tasse voll!
Die Hexe
mit seltsamen Geberden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.
Faust zu
Mephistopheles.
Nein, sage mir, was soll das werden?
Das tolle Zeug, die rasenden Geberden,
Der abgeschmackteste Betrug,
Mephistopheles.
Ey Possen! Das ist nur zum Lachen;
Sey nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
Er nöthigt Fausten, in den Kreis zu treten.
Die Hexe mit
großer Emphase fängt an aus dem Buche zu declamiren.
Aus Eins mach’ Zehn,
Und Zwey laß gehn,
Und Drey mach’ gleich,
So bist du reich.
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex’,
Mach’ Sieben und Acht,
So ist’s vollbracht:
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmal-Eins!
Faust.
Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
Mephistopheles.
Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich habe manche Zeit
damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für Thoren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Durch Drey und Eins, und
Eins und Drey
Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den
Narr’n befassen?
Es müsse sich dabey doch
auch was denken lassen.
Die Hexe fährt fort.
Die hohe Kraft
Der Wissenschaft,
Der ganzen Welt verborgen!
Dem wird sie
geschenkt,
Er hat sie ohne Sorgen.
Faust.
Was sagt sie uns für Unsinn vor?
Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
Von hundert tausend
Narren sprechen.
Mephistopheles.
Genug, genug, o treffliche Sibylle!
Gib deinen Trank herbey, und fülle
Die Schale rasch bis an den Rand hinan;
Er ist ein Mann von
vielen Graden,
Der manchen guten Schluck gethan.
Die Hexe.
mit vielen Ceremonien, schenkt den Trank in eine Schale; wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.
Mephistopheles.
Nur frisch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
Und willst dich vor der Flamme scheuen?
Die Hexe löst den Kreis.
Faust tritt heraus.
Mephistopheles.
Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.
Die Hexe.
Mög’ euch das Schlückchen wohl behagen!
Mephistopheles zur Hexe.
Und kann ich dir was zu Gefallen thun;
Die Hexe.
Hier ist ein Lied! wenn ihr’s zuweilen singt,
So werdet ihr besondre Würkung spüren.
Mephistopheles zu Faust.
Komm nur geschwind und laß dich führen;
Du mußt nothwendig
transpiriren,
Den edlen Müßiggang lehr’
ich hernach dich schätzen,
Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
Wie sich Cupido regt und hin und wieder springt.
Faust.
Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
Mephistopheles.
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir seh’n.
Leise.
Du siehst, mit diesem Trank
im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.
Faust.
Meinen Arm und Geleit Ihr
anzutragen?
Margarete.
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
Sie macht sich los und ab.
Faust.
Beym Himmel, dieses Kind ist schön!
Sie ist so sitt- und
tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippe Roth, der Wange
Licht,
Die Tage der Welt vergess’ ich’s nicht!
Hat tief sich in mein
Herz geprägt;
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!
Mephistopheles tritt auf.
Faust.
Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!
Mephistopheles.
Faust.
Sie ging just
vorbey.
Mephistopheles.
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frey;
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbey,
Es ist ein gar unschuldig Ding,
Ueber die hab’ ich keine
Gewalt!
Faust.
Ist über vierzehn Jahr doch alt.
Mephistopheles.
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum’ für sich,
Und Gunst, die nicht zu
pflücken wär’;
Geht aber doch nicht immer an.
Faust.
Mein Herr Magister Lobesan,
Laß er mich mit dem Gesetz in Frieden!
Wenn nicht das süße junge
Blut
Heut’ Nacht in meinen Armen ruht;
So sind wir um Mitternacht geschieden.
Mephistopheles.
Bedenkt was gehn und stehen mag!
Nur die Gelegenheit
auszuspüren.
Faust.
Hätt’ ich nur sieben Stunden Ruh,
Brauchte den Teufel nicht dazu,
So ein Geschöpfchen zu verführen.
Mephistopheles.
Doch bitt’ ich, laßt’s
euch nicht verdrießen:
Was hilft’s nur g’rade zu genießen?
Die Freud’ ist lange nicht so groß,
Als wenn ihr erst herauf, herum,
Das Püppchen geknetet und
zugericht’t
Wie’s lehret manche welsche Geschicht’.
Faust.
Hab’ Appetit auch ohne das.
Mephistopheles.
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.
Geht’s ein- für allemal
nicht geschwind.
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;
Wir müssen uns zur List bequemen.
Faust.
Schaff’ mir etwas vom Engelsschatz!
Schaff’ mir ein Halstuch
von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!
Mephistopheles.
Damit ihr seht, daß ich eurer Pein
Will förderlich und dienstlich seyn;
Will euch noch heut’ in
ihr Zimmer führen.
Faust.
Und soll sie sehn? sie haben?
Mephistopheles.
Nein!
Sie wird bey einer Nachbarinn seyn.
Indessen könnt ihr ganz allein
In ihrem Dunstkreis satt
euch weiden.
Faust.
Können wir hin?
Mephistopheles.
Es ist noch zu
früh.
Faust.
Sorg’ du mir für ein Geschenk für sie!
ab.
Mephistopheles.
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssiren!
Und manchen alt
vergrabnen Schatz,
Ich muß ein Bißchen revidiren.
ab.
[172]ihre Zöpfe flechtend und aufbindend.
Ich gäb’ was drum, wenn ich
nur wüßt’,
Wer heut der Herr gewesen ist!
Und ist aus einem edlen
Haus;
Das konnt’ ich ihm an der Stirne lesen –
Er wär’ auch sonst nicht so keck gewesen.
ab.
Faust nach
einigem Stillschweigen.
Mephistopheles herumspürend.
Nicht jedes Mädchen hält so rein.
ab.
Faust rings
aufschauend.
Willkommen süßer Dämmerschein!
Der du dieß Heiligthum durchwebst.
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein!
Wie athmet rings Gefühl
der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieser Armuth welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!
Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette.
Bey Freud’ und Schmerz in
offnen Arm empfangen!
Wie oft, ach! hat an diesem Väter-Thron
Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!
Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ,
Dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküßt.
Ich fühl’, o Mädchen,
deinen Geist
Der Füll’ und Ordnung um mich säuseln,
Der mütterlich dich täglich unterweis’t,
Sogar den Sand zu deinen
Füßen kräuseln.
O liebe Hand! so göttergleich!
Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich.
Und hier!
Er hebt einen Bettvorhang auf.
Was faßt mich für ein
Wonnegraus!
Natur! hier bildetest in
leichten Träumen
Den eingebornen Engel aus;
Hier lag das Kind! mit warmem Leben
Den zarten Busen angefüllt,
Entwirkte sich das
Götterbild!
Und du! Was hat dich hergeführt?
Wie innig fühl’ ich mich gerührt!
Was willst du hier? Was wird das Herz dir schwer?
Umgiebt mich hier ein
Zauberduft?
Mich drang’s so g’rade zu genießen,
Und fühle mich in Liebestraum zerfließen!
Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?
Wie würdest du für deinen
Frevel büßen!
Der große Hans, ach wie so klein!
Läg’, hingeschmolzen, ihr zu Füßen.
Mephistopheles.
Geschwind! ich seh’ sie unten kommen.
Faust.
Mephistopheles.
Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,
Ich hab’s wo anders hergenommen.
Stellt’s hier nur immer in den Schrein,
Ich schwör’ euch, ihr vergehn die Sinnen;
Um eine andre zu
gewinnen.
Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel.
Faust.
Ich weiß nicht, soll ich?
Mephistopheles.
Fragt ihr viel?
Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren?
Die liebe schöne
Tageszeit,
Und mir die weitre Müh’ zu sparen.
Ich hoff’ nicht daß ihr geitzig seyd!
Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Händen –
Er stellt das Kästchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.
Um euch das süße junge
Kind
Nach Herzens Wunsch und Will’ zu wenden;
Und ihr seht drein
Als solltet ihr in den Hörsal hinein,
Physik und Metaphysika!
Nur fort! –
ab.
Margarete mit
einer Lampe.
Es ist so schwül, so dumpfig hie,
[177] Sie macht das Fenster auf.
Und ist doch eben so warm
nicht drauß’.
Ich wollt’, die Mutter
käm’ nach Haus.
Mir läuft ein Schauer über’n Leib –
Bin doch ein thöricht furchtsam Weib!
Sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht.
Es war ein
König in Thule
Dem sterbend
seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert ihn jeden Schmaus;
So oft er trank
daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
Gönnt’ alles seinem Erben,
Er saß beym
Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Väter-Saale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
Trank letzte
Lebensgluth,
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er sah ihn stürzen, trinken
Die Augen
thäten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.
Sie eröffnet den Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt das Schmuckkästchen.
Wie kommt das schöne
Kästchen hier herein?
Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein.
Vielleicht bracht’s
jemand als ein Pfand,
Und meine Mutter lieh darauf.
Da hängt ein Schlüsselchen am Band,
Ich denke wohl, ich mach’
es auf!
So was hab’ ich mein’
Tage nicht gesehn!
Ein Schmuck! Mit dem könnt’ eine Edelfrau
Am höchsten Feiertage gehn.
Wie sollte mir die Kette stehn?
Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.
Wenn nur die Ohrring’ meine
wären!
Man sieht doch gleich ganz anders drein.
Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
Das ist wohl alles schön und gut,
Man lobt euch halb mit
Erbarmen.
Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
Mephistopheles.
Ich wollt’, ich wüßte
’was ärgers, daß ich’s fluchen könnte!
Faust.
Was hast? was kneipt dich denn so sehr?
So kein Gesicht sah’ ich in meinem Leben!
Mephistopheles.
Ich möcht’ mich gleich dem Teufel übergeben,
Faust.
Hat sich dir was im Kopf verschoben?
Dich kleidet’s, wie ein Rasender zu toben!
Mephistopheles.
Denkt nur, den Schmuck für Gretchen angeschafft,
Den hat ein Pfaff hinweggerafft! –
Gleich fängt’s ihr
heimlich an zu grauen:
Die Frau hat gar einen feinen Geruch,
Schnuffelt immer im Gebetbuch,
Und riecht’s einem jeden Möbel an,
Und an dem Schmuck da
spürt sie’s klar,
Daß dabey nicht viel Segen war.
Mein Kind, rief sie, ungerechtes Gut
Befängt die Seele, zehrt auf das Blut.
Wird uns mit
Himmels-Manna erfreuen!
Margretlein zog ein schiefes Maul,
Ist halt, dacht’ sie, ein geschenkter Gaul,
Und wahrlich! gottlos ist nicht der,
Die Mutter ließ einen
Pfaffen kommen;
Der hatte kaum den Spaß vernommen,
Ließ sich den Anblick wohl behagen.
Er sprach: So ist man recht
gesinnt!
Die Kirche hat einen
guten Magen,
Hat ganze Länder aufgefressen,
Und doch noch nie sich übergessen;
Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen,
Faust.
Das ist ein allgemeiner Brauch,
Ein Jud’ und König kann es auch.
Mephistopheles.
Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’,
Als wären’s eben Pfifferling’,
Als ob’s ein Korb voll
Nüsse wär’,
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn –
Und sie waren sehr erbaut davon.
Faust.
Und Gretchen?
Mephistopheles.
Sitzt nun
unruhvoll,
Denkt an’s Geschmeide Tag
und Nacht,
Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.
Faust.
Des Liebchens Kummer thut mir leid.
Schaff’ du ihr gleich ein neu Geschmeid’!
Mephistopheles.
O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!
Faust.
Und mach’, und richt’s nach meinem Sinn!
Häng’ dich an ihre Nachbarinn.
Sey Teufel doch nur nicht wie Brey,
Mephistopheles.
Ja, gnäd’ger Herr, von Herzen gerne.
Faust ab.
Mephistopheles.
So ein verliebter Thor verpufft
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.
ab.
[184]
Er hat an mir nicht wohl
gethan!
Geht da stracks in die Welt hinein,
Und läßt mich auf dem Stroh allein.
Thät’ ihn doch wahrlich nicht betrüben,
Sie weint.
Vielleicht ist er gar todt!
– O Pein! – –
Hätt’ ich nur einen Todtenschein!
Margarete.
Frau Marthe!
Marthe.
Gretelchen, was
soll’s?
Margarete.
Fast sinken mir die Kniee nieder!
In meinem Schrein, von
Ebenholz,
Und Sachen herrlich ganz und gar,
Weit reicher als das erste war.
Marthe.
Das muß sie nicht der Mutter sagen;
Margarete.
Ach seh’ sie nur! ach schau sie nur!
Marthe putzt sie auf.
O du glücksel’ge Creatur!
Margarete.
Darf mich, leider, nicht auf der Gassen,
Noch in der Kirche mit sehen lassen.
Marthe.
Und leg’ den Schmuck hier
heimlich an;
Spazier’ ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,
Wir haben unsre Freude
dran;
Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest,
Ein Kettchen erst, die
Perle dann in’s Ohr;
Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor.
Margarete.
Wer konnte nur die beyden Kästchen bringen?
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
Es klopft.
Margarete.
Marthe durchs Vorhängel guckend.
Es ist ein fremder Herr – Herein!
Mephistopheles.
Bin so frey g’rad’ herein zu treten,
Muß bey den Frauen Verzeihn erbeten.
Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück.
Wollte nach Frau Marthe
Schwerdlein fragen!
Marthe.
Mephistopheles leise
zu ihr.
Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;
Sie hat da gar vornehmen Besuch.
Verzeiht die Freyheit die ich genommen,
Will Nachmittage wieder kommen.
Marthe laut.
Der Herr dich für ein
Fräulein hält.
Margarete.
Ich bin ein armes junges Blut;
Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
Mephistopheles.
Sie hat ein Wesen, einen
Blick so scharf!
Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf.
Marthe.
Was bringt Er denn? Verlange sehr –
Mephistopheles.
Ich wollt’ ich hätt’ eine frohere Mähr’!
Ihr Mann ist todt und läßt Sie grüßen.
Marthe.
Ist todt? das treue Herz! O weh!
Mein Mann ist todt! Ach ich vergeh’!
Margarete.
Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!
Mephistopheles.
Margarete.
Ich möchte drum mein’ Tag’ nicht lieben,
Würde mich Verlust zu Tode betrüben.
Mephistopheles.
Freud’ muß Leid, Leid muß Freude haben.
Marthe.
Erzählt mir seines Lebens Schluß!
Mephistopheles.
Bey’m heiligen Antonius,
An einer wohlgeweihten Stätte
Zum ewig kühlen Ruhebette.
Marthe.
Habt ihr sonst nichts an mich zu bringen
Mephistopheles.
Laß Sie doch ja für ihn
dreyhundert Messen singen!
Im übrigen sind meine Taschen leer.
Marthe.
Was! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid’?
Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,
Und lieber hungert lieber
bettelt!
Mephistopheles.
Madam, es thut mir herzlich leid;
Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
Auch er bereute seine Fehler sehr,
Margarete.
Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!
Gewiß ich will für ihn manch Requiem noch beten.
Mephistopheles.
Ihr wäret werth, gleich in die Eh’ zu treten:
Ihr seyd ein liebenswürdig Kind.
Margarete.
Mephistopheles.
Ist’s nicht ein Mann, sey’s derweil’ ein Galan.
’s ist eine der größten Himmelsgaben,
So ein lieb Ding im Arm zu haben.
Margarete.
Das ist des Landes nicht der Brauch.
Mephistopheles.
Marthe.
Erzählt mir doch!
Mephistopheles.
Ich stand an
seinem Sterbebette,
Es war was besser als von Mist,
Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ,
Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.
So mein Gewerb, mein Weib
so zu verlassen!
Ach, die Erinnrung tödtet mich.
Vergäb’ sie mir nur noch in diesem Leben! –
Marthe weinend.
Der gute Mann! ich hab’ ihm längst vergeben.
Mephistopheles.
Marthe.
Das lügt er! Was! am Rand des Grab’s zu lügen!
Mephistopheles.
Er fabelte gewiß in letzten Zügen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,
Und Brot im
allerweit’sten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden essen.
Marthe.
Hat er so aller Treu’, so aller Lieb’ vergessen,
Der Plackerey bey Tag und Nacht!
Mephistopheles.
Er sprach: Als ich nun
weg von Malta ging,
Da betet’ ich für Frau und Kinder brünstig;
Uns war denn auch der Himmel günstig,
Daß unser Schiff ein Türkisch Fahrzeug fing,
Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
Und ich empfing denn auch,
wie sich’s gebührte,
Mein wohlgemess’nes Theil davon.
Marthe.
Ey wie? Ey wo? Hat er’s vielleicht vergraben?
Mephistopheles.
Ein schönes Fräulein nahm
sich seiner an,
Als er in Napel fremd umher spazirte;
Sie hat an ihm viel Lieb’s und Treu’s gethan,
Daß er’s bis an sein selig Ende spürte.
Marthe.
Auch alles Elend, alle
Noth
Konnt’ nicht sein schändlich Leben hindern!
Mephistopheles.
Ja seht! dafür ist er nun todt.
Wär’ ich nun jetzt an eurem Platze;
Visirte dann unterweil’
nach einem neuen Schatze.
Marthe.
Ach Gott! wie doch mein erster war,
Find’ ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!
Es konnte kaum ein herziger
Närrchen seyn.
Und fremde Weiber, und
fremden Wein,
Und das verfluchte Würfelspiel.
Mephistopheles.
Nun, nun, so konnt’ es gehn und stehen,
Wenn er euch ungefähr so viel
Ich schwör’ euch zu, mit
dem Beding
Wechselt’ ich selbst mit euch den Ring!
Marthe.
O es beliebt dem Herrn zu scherzen!
Mephistopheles für sich.
Nun mach’ ich mich bey Zeiten fort!
Zu Gretchen.
Wie steht es denn mit Ihrem
Herzen?
Margarete.
Was meint der Herr damit?
Mephistopheles für sich.
Du gut’s,
unschuldig’s Kind!
Laut.
Lebt wohl, ihr Frauen!
Margarete.
Lebt wohl!
Marthe.
O sagt mir doch
geschwind!
Ich möchte gern ein Zeugniß haben,
Ich bin von je der
Ordnung Freund gewesen,
Möcht’ ihn auch todt im Wochenblättchen lesen.
Mephistopheles.
Ja, gute Frau, durch zweyer Zeugen Mund
Wird allerwegs die Wahrheit kund;
Den will ich euch vor den
Richter stellen.
Ich bring’ ihn her.
Marthe.
O thut das ja!
Mephistopheles.
Und hier die Jungfrau ist auch da? –
Ein braver Knab’! ist viel gereis’t,
Margarete.
Müßte vor dem Herren schamroth werden.
Mephistopheles.
Vor keinem Könige der Erden.
Marthe.
Da hinter’m Haus in meinem Garten
Wollen wir der Herren heut’ Abend warten.
Faust.
Mephistopheles.
Ah bravo! Find’ ich euch in Feuer?
In kurzer Zeit ist Gretchen euer.
Heut’ Abend sollt ihr sie bey Nachbar’ Marthen sehn:
Das ist ein Weib wie auserlesen
Faust.
So recht!
Mephistopheles.
Doch wird auch
was von uns begehrt.
Faust.
Ein Dienst ist wohl des andern werth.
Mephistopheles.
Wir legen nur ein gültig Zeugniß nieder,
Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder
Faust.
Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!
Mephistopheles.
Sancta Simplicitas! darum ist’s nicht zu thun;
Bezeugt nur ohne viel zu wissen.
Faust.
Wenn Er nichts bessers hat, so ist der Plan zerrissen.
Mephistopheles.
Ist es das erstemal in
eurem Leben,
Daß ihr falsch Zeugniß abgelegt?
Habt ihr von Gott, der Welt und was sich d’rin bewegt,
Vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt,
Mit frecher Stirne,
kühner Brust?
Und wollt ihr recht in’s Innre gehen,
Habt ihr davon, ihr müßt es
g’rad’ gestehen,
So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt!
Faust.
Mephistopheles.
Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wüßte.
Denn morgen wirst in allen Ehren,
Das arme Gretchen nicht bethören
Und alle Seelenlieb’ ihr schwören?
Faust.
Mephistopheles.
Gut und schön!
Dann wird von ewiger Treu’ und Liebe,
Von einzig überallmächt’gem Triebe –
Wird das auch so von Herzen gehn?
Faust.
Laß das! Es wird! – Wenn ich empfinde,
Nach Namen suche, keinen
finde,
Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,
Nach allen höchsten Worten greife,
Und diese Gluth, von der
ich brenne,
Ist das ein teuflisch
Lügenspiel?
Mephistopheles.
Ich hab’ doch Recht!
Faust.
Hör’! merk’ dir
dieß –
Ich bitte dich, und schone meine Lunge –
Wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge,
Und komm’, ich hab’ des
Schwätzens Ueberdruß,
Denn du hast Recht, vorzüglich weil ich muß.
Margarete.
Ich fühl’ es wohl, daß mich der Herr nur schont,
Herab sich läßt, mich zu beschämen.
Aus Gütigkeit fürlieb zu
nehmen,
Ich weiß zu gut, daß solch’ erfahrnen Mann
Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
Faust.
Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhält,
Er küßt ihre Hand.
[201]Margarete.
Incommodirt euch nicht! Wie könnt ihr sie nur küssen?
Sie ist so garstig, ist so rauh!
Was hab’ ich nicht schon alles schaffen müssen!
Die Mutter ist gar zu genau.
Gehn vorüber.
Marthe.
Mephistopheles.
Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben!
Mit wie viel Schmerz verläßt man manchen Ort,
Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
Marthe.
In raschen Jahren geht’s wohl an,
Doch kömmt die böse Zeit
heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab’ zu schleifen,
Das hat noch keinem wohl gethan.
Mephistopheles.
Mit Grausen seh’ ich das von weiten.
Marthe.
Gehn vorüber.
Margarete.
Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
Die Höflichkeit ist euch geläufig;
Allein ihr habt der Freunde häufig,
Sie sind verständiger als ich bin.
Faust.
Ist oft mehr Eitelkeit
und Kurzsinn.
Margarete.
Wie?
Faust.
Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie
Sich selbst und ihren heil’gen Werth erkennt!
Daß Demuth, Niedrigkeit, die höchsten Gaben
Margarete.
Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.
Faust.
Ihr seyd wohl viel allein?
Margarete.
Ja, unsre Wirthschaft ist nur klein,
Wir haben keine Magd; muß
kochen, fegen, stricken
Und nähn, und laufen früh und spat;
Und meine Mutter ist in allen Stücken
So accurat!
Wir könnten uns weit eh’r
als andre regen:
Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,
Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.
Doch hab’ ich jetzt so ziemlich stille Tage;
Mein Schwesterchen ist
todt.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth;
Doch übernähm’ ich gern noch einmal alle Plage,
So lieb war mir das Kind.
Faust.
Ein Engel, wenn dir’s glich.
Margarete.
Es war nach meines Vaters
Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie sie damals lag,
Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.
Das arme Würmchen selbst
zu tränken,
Und so erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Wasser; so ward’s mein.
Auf meinem Arm, in meinem Schoos
Faust.
Du hast gewiß das reinste Glück empfunden.
Margarete.
Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.
Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
An meinem Bett’, es durfte kaum sich regen,
Bald mußt’ ich’s tränken,
bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett’ aufstehn,
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
Und früh am Tage schon am
Waschtrog stehn;
Und immer fort wie heut
so morgen.
Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu;
Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.
Gehn vorüber.
Marthe.
Die armen Weiber sind doch übel dran:
Mephistopheles.
Es käme nur auf eures gleichen an,
Mich eines bessern zu belehren.
Marthe.
Sagt g’rad’, mein Herr, habt ihr noch nichts gefunden?
Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
Mephistopheles.
Ein braves Weib, sind
Gold und Perlen werth.
Marthe.
Ich meine, ob ihr niemals Lust bekommen?
Mephistopheles.
Man hat mich überall recht höflich aufgenommen.
Marthe.
Ich wollte sagen: ward’s nie Ernst in Eurem Herzen?
Mephistopheles.
Marthe.
Ach, ihr versteht mich nicht!
Mephistopheles.
Das thut mir
herzlich leid!
Doch ich versteh’ – daß ihr sehr gütig seyd.
Gehn vorüber.
Faust.
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
Margarete.
Faust.
Und du verzeihst die Freyheit, die ich nahm?
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jüngst aus dem Dom gegangen?
Margarete.
Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
Ach, dacht’ ich, hat er in
deinem Betragen
Was freches, unanständiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieser Dirne g’rade hin zu handeln.
Zu eurem Vortheil hier zu
regen gleich begonnte;
Allein gewiß, ich war recht bös’ auf mich,
Daß ich auf euch nicht böser werden konnte.
Faust.
Süß Liebchen!
Margarete.
Laßt einmal!
Sie pflückt eine Sternblume und zupft die Blätter ab, eins nach dem andern.
Faust.
Was soll das?
Einen Strauß?
Margarete.
Faust.
Wie?
Margarete.
Geht! ihr lacht
mich aus.
Sie rupft und murmelt.
Faust.
Was murmelst du?
Margarete halb laut.
Er liebt mich –
liebt mich nicht.
Faust.
Du holdes Himmels-Angesicht!
Margarete fährt fort.
Liebt mich – Nicht – Liebt mich – Nicht –
Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.
Er liebt mich!
Faust.
Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort
Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!
Er faßt ihre beyden Hände.
Margarete.
Mich überläuft’s!
Faust.
O schaudre nicht! Laß diesen Blick,
Laß diesen Händedruck dir sagen
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
Zu fühlen, die ewig seyn
muß!
Ewig! – Ihr Ende würde Verzweiflung seyn.
Nein, kein Ende! Kein Ende!
Margarete
drückt ihm die Hände, macht sich los und läuft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.
Marthe kommend.
Mephistopheles.
Ja, und wir
wollen fort.
Marthe.
Ich bät’ euch länger hier zu bleiben,
Allein es ist ein gar zu böser Ort.
Es ist als hätte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu schaffen,
Und man kommt in’s
Gered’, wie man sich immer stellt.
Und unser Pärchen?
Mephistopheles.
Ist den Gang dort
aufgeflogen.
Muthwill’ge Sommervögel!
Marthe.
Er scheint ihr
gewogen.
Mephistopheles.
Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Margarete springt herein, steckt sich hinter die Thür, hält die Fingerspitze
an die Lippen und guckt durch die Ritze.
Margarete.
Ach,
Schelm, so neckst du mich!
Treff’ ich dich!
Er küßt sie.
Margarete.
ihn fassend und den Kuß zurück gebend.
Bester Mann! von Herzen lieb’ ich dich!
Mephistopheles klopft an.
[212]Faust stampfend.
Wer da?
Mephistopheles.
Gut Freund!
Faust.
Ein Thier!
Mephistopheles.
Es ist wohl Zeit
zu scheiden.
Marthe kommt.
Ja, es ist spät, mein Herr.
Faust.
Darf ich euch
nicht geleiten?
Margarete.
Die Mutter würde mich – Lebt wohl!
Faust.
Muß ich denn
gehn?
Marthe.
Ade!
Margarete.
Auf baldig
Wiedersehn!
Faust und Mephistopheles ab.
[213]Margarete.
Du lieber Gott! was so ein Mann
Nicht alles alles denken kann!
Beschämt nur steh’ ich vor ihm da,
Und sag’ zu allen Sachen ja.
Begreife nicht was er an mir find’t.
ab.
[214]
Faust allein.
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Kraft, sie zu fühlen, zu
genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir in ihre tiefe Brust,
Wie in den Busen eines Freund’s, zu schauen.
Vor mir vorbey, und
lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
Und wenn der Sturm im Walde braus’t und knarrt,
Die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste
Und ihrem Fall dumpf hohl
der Hügel donnert;
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
Besänftigend herüber;
schweben mir
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch,
Der Vorwelt silberne Gestalten auf,
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
Empfind’ ich nun. Du
gabst zu dieser Wonne,
Die mich den Göttern nah’ und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mit einem Worthauch,
deine Gaben wandelt.
Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
So tauml’ ich von Begierde
zu Genuß,
Mephistopheles.
Habt ihr nun bald das Leben g’nug geführt?
Wie kann’s euch in die Länge freuen?
Es ist wohl gut, daß man’s einmal probirt;
Dann aber wieder zu was neuen!
Faust.
Als mich am guten Tag zu
plagen.
Mephistopheles.
Nun nun! ich laß’ dich gerne ruhn,
Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen.
An dir Gesellen unhold, barsch und toll,
Den ganzen Tag hat man
die Hände voll!
Was ihm gefällt und was man lassen soll,
Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren.
Faust.
Das ist so just der rechte Ton!
Mephistopheles.
Wie hätt’st du, armer Erdensohn,
Dein Leben ohne mich geführt?
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang curirt;
Von diesem Erdball
abspazirt.
Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein,
Ein schöner, süßer
Zeitvertreib!
Dir steckt der Doctor noch im Leib.
Faust.
Verstehst du, was für neue Lebenskraft
Mir dieser Wandel in der Oede schafft?
Du wärest Teufel g’nug mein Glück mir nicht zu gönnen.
Mephistopheles.
Ein überirdisches Vergnügen!
In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen,
Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
Der Erde Mark mit
Ahndungsdrang durchwühlen,
Alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen,
In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
Bald liebewonniglich in alles überfließen,
Und dann die hohe Intuition –
Mit einer Geberde.
Ich darf nicht sagen, wie –
zu schließen.
Faust.
Pfuy über dich!
Mephistopheles.
Das will euch
nicht behagen;
Ihr habt das Recht, gesittet pfuy zu sagen.
Was keusche Herzen nicht
entbehren können.
Und kurz und gut, ich gönn’ Ihm das Vergnügen,
Gelegentlich sich etwas vorzulügen;
Doch lange hält Er das
nicht aus.
Und, währt es länger,
aufgerieben
In Tollheit oder Angst und Graus.
Genug damit! dein Liebchen sitzt dadrinne,
Und alles wird ihr eng’ und trüb’.
Sie hat dich übermächtig
lieb.
Erst kam deine Liebeswuth übergeflossen,
Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
Du hast sie ihr in’s Herz gegossen,
Mich dünkt, anstatt in
Wäldern zu thronen,
Ließ es dem großen Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
Für seine Liebe zu belohnen.
Sie steht am Fenster,
sieht die Wolken ziehn
Ueber die alte Stadtmauer hin.
Wenn ich ein Vöglein wär’! so geht ihr Gesang
Tagelang, halbe Nächte lang.
Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
Und immer verliebt.
Faust.
Schlange! Schlange!
Mephistopheles für sich.
Faust.
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das schöne Weib!
Bring’ die Begier zu ihrem süßen Leib
Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!
Mephistopheles.
Und halb und halb bist du
es schon.
Faust.
Ich bin ihr nah’, und wär’ ich noch so fern,
Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren;
Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,
Mephistopheles.
Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet
Um’s Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.
Faust.
Entfliehe, Kuppler!
Mephistopheles.
Schön! Ihr
schimpft und ich muß lachen.
Der Gott, der Bub’ und Mädchen schuf,
Auch selbst Gelegenheit
zu machen.
Nur fort, es ist ein großer Jammer!
Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
Faust.
Laß mich an ihrer Brust
erwarmen!
Fühl’ ich nicht immer ihre Noth?
Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehaus’te?
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh?
Begierig wüthend nach dem
Abgrund zu.
Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
Im Hüttchen auf dem kleinen
Alpenfeld,
Und all ihr häusliches Beginnen
Und ich, der
Gottverhaßte, hatte nicht genug,
Daß ich die Felsen faßte
Und sie zu Trümmern schlug!
Du, Hölle, mußtest dieses
Opfer haben!
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen.
Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn!
Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen
Mephistopheles.
Wie’s wieder siedet, wieder glüht!
Geh’ ein und tröste sie, du Thor!
Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,
Stellt er sich gleich das Ende vor.
Du bist doch sonst so
ziemlich eingeteufelt.
Nichts abgeschmackters find’ ich auf der Welt,
Als einen Teufel der verzweifelt.
am Spinnrade allein.
Meine Ruh’
ist hin,
Ich finde sie
nimmer
und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab’
Ist mir das Grab,
Ist mir vergällt.
Mein armer
Kopf
Ist mir verrückt,
Meiner armer Sinn
Meine Ruh’ ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Zum Fenster
hinaus,
Nach ihm nur geh’ ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang,
Seines Mundes
Lächeln,
Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede
Zauberfluß,
Und ach sein Kuß!
Meine Ruh’
ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin,
Ach dürft’ ich fassen
Und halten ihn!
So wie ich
wollt’,
An seinen Küssen
Vergehen sollt’!
Margarete.
Versprich mir, Heinrich!
Faust.
Was ich kann!
Margarete.
Du bist ein herzlich
guter Mann,
Allein ich glaub’, du hält’st nicht viel davon.
Faust.
Laß das, mein Kind! du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut,
Margarete.
Das ist nicht recht, man muß d’ran glauben!
Faust.
Muß man?
Margarete.
Ach! wenn ich
etwas auf dich könnte!
Du ehrst auch nicht die heil’gen Sacramente.
Faust.
Ich ehre sie.
Margarete.
Doch ohne
Verlangen.
Glaubst du an Gott?
Faust.
Mein Liebchen,
wer darf sagen,
Ich glaub’ an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Margarete.
So glaubst du
nicht?
Faust.
Mißhör’ mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
Ich glaub’ ihn.
Und sich unterwinden
Zu sagen: Ich glaub’ ihn nicht.
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Schau’ ich nicht Aug’ in
Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimniß
Erfüll’ davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem
Gefühle selig bist,
Nenn’ es dann wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsgluth.
Margarete.
Das ist alles recht schön und gut;
Nur mit ein Bißchen
andern Worten.
Faust.
Es sagen’s aller Orten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Margarete.
Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christenthum.
Faust.
Lieb’s Kind!
Margarete.
Es thut mir lang’
schon weh,
Faust.
Wie so?
Margarete.
Der Mensch, den
du da bey dir hast,
Ist mir in tiefer inn’rer Seele verhaßt:
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich in’s Herz gegeben,
Faust.
Liebe Puppe, fürcht’ ihn nicht!
Margarete.
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber, wie ich mich sehne dich zu schauen,
Und halt’ ihn für einen
Schelm dazu!
Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm Unrecht thu’!
Faust.
Es muß auch solche Käuze geben.
Margarete.
Wollte nicht mit seines Gleichen leben!
Sieht er immer so
spöttisch drein,
Und halb ergrimmt;
Man sieht, daß er an nichts keinen Antheil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn’ geschrieben,
Mir wird’s so wohl in
deinem Arm,
So frey, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnürt mir das Inn’re zu.
Faust.
Du ahndungsvoller Engel du!
Margarete.
Daß, wo er nur mag zu uns
treten,
Meyn’ ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch wenn er da ist, könnt’ ich nimmer beten,
Und das frißt mir in’s Herz hinein;
Faust.
Du hast nun die Antipathie!
Margarete.
Ich muß nun fort.
Faust.
Ach kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen
Und Brust an Brust und Seel’ in Seele drängen?
Margarete.
Ich ließ dir gern heut
nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär’ gleich auf der Stelle todt!
Faust.
Hier ist ein Fläschchen!
Drey Tropfen nur
In ihren Trank umhüllen
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
Margarete.
Was thu’ ich nicht um deinetwillen?
Faust.
Würd’ ich sonst, Liebchen, dir es rathen?
Margarete.
Seh’ ich dich, bester Mann, nur an,
Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel für dich gethan,
ab.
Mephistopheles.
Der Grasaff’! ist er weg?
Faust.
Hast wieder
spionirt?
Mephistopheles.
Ich hab’s ausführlich wohl vernommen,
Herr Doctor wurden da katechisirt;
Hoff’ es soll Ihnen wohl bekommen.
Ob einer fromm und
schlicht nach altem Brauch.
Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch.
Faust.
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
Der ganz allein
Ihr selig machend ist, sich heilig quäle,
Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll.
Mephistopheles.
Du übersinnlicher, sinnlicher Freyer,
Faust.
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
Mephistopheles.
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich.
In meiner Gegenwart wird’s ihr sie weiß nicht wie,
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn;
Vielleicht wohl gar der
Teufel bin.
Nun heute Nacht –?
Faust.
Was geht dich’s
an?
Mephistopheles.
Hab’ ich doch meine Freude d’ran!
mit Krügen.
Lieschen.
Hast nichts von Bärbelchen gehört?
Gretchen.
Lieschen.
Gewiß, Sibylle sagt’ mir’s heute!
Die hat sich endlich auch bethört.
Das ist das Vornehmthun!
Gretchen.
Wie so?
Lieschen.
Es stinkt!
Sie füttert zwey, wenn sie nun ißt und trinkt.
Gretchen.
Lieschen.
So ist’s ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spaziren,
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
Curtesirt’ ihr immer mit
Pastetchen und Wein;
Bild’t sich was auf ihre Schönheit ein,
War doch so ehrlos sich nicht zu schämen
Geschenke von ihm anzunehmen.
Da ist denn auch das
Blümchen weg!
Gretchen.
Das arme Ding!
Lieschen.
Bedauerst sie
noch gar!
Wenn unser eins am Spinnen war,
Uns Nachts die Mutter nicht
hinunterließ,
Auf der Thürbank und im
dunkeln Gang
Ward’ ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sünderhemdchen Kirchbuß’ thun!
Gretchen.
Lieschen.
Er wär’ ein Narr! Ein flinker Jung’
Hat anderwärts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
Gretchen.
Das ist nicht
schön!
Lieschen.
Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn.
Und Häckerling streuen wir vor die Thür!
ab.
Gretchen.
nach Hause gehend.
Wie konnt’ ich sonst so tapfer schmählen,
Sah ich ein armes Mägdlein
fehlen!
Wie konnt’ ich über andrer Sünden
Wie schien mir’s schwarz,
und schwärzt’s noch gar,
Mir’s immer doch nicht schwarz g’nug war,
Und segnet’ mich und that so groß,
Und bin nun selbst der Sünde bloß!
Gott! war so gut! ach war so lieb!
Gretchen.
steckt frische Blumen in die Krüge.
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Wer fühlet,
Wie wühlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Weißt nur du, nur du
allein!
Wohin ich immer gehe,
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
Ich wein’, ich wein’, ich
weine,
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenster
Bethaut’ ich mit Thränen, ach!
Dir diese Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
Saß ich in allem Jammer
Hilf! rette mich von
Schmach und Tod!
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!
Valentin. Soldat, Gretchens Bruder.
Wo mancher sich berühmen
mag,
Und die Gesellen mir den Flor
Der Mägdlein laut gepriesen vor,
Mit vollem Glas das Lob verschwemmt,
Saß ich in meiner sichern
Ruh
Hört’ all’ dem Schwadroniren zu.
Und streiche lächelnd meinen Bart,
Und kriege das volle Glas zur Hand
Aber ist eine im ganzen Land,
Die meiner trauten Gretel
gleicht,
Die meiner Schwester das Wasser reicht?
Top! Top! Kling! Klang! das ging herum!
Sie ist die Zier vom
ganzen Geschlecht!
Da saßen alle die Lober stumm.
Und nun! – um’s Haar sich auszuraufen
Und an den Wänden hinauf zu laufen! –
Soll jeder Schurke mich
beschimpfen!
Soll wie ein böser Schuldner sitzen,
Bey jedem Zufallswörtchen schwitzen!
Und möcht’ ich sie zusammenschmeißen;
Was kommt heran? Was schleicht herbey?
Irr’ ich nicht, es sind ihrer zwey.
Ist er’s, gleich pack’ ich ihn beym Felle,
Soll nicht lebendig von der Stelle!
Faust.
Aufwärts der Schein des
ewigen Lämpchens flämmert
Und schwach und schwächer seitwärts dämmert,
Und Finsterniß drängt ringsum bey!
So sieht’s in meinem Busen nächtig.
Mephistopheles.
Das an den Feuerleitern
schleicht,
Sich leis’ dann um die Mauern streicht.
Mir ist’s ganz tugendlich dabey,
Ein Bißchen Diebsgelüst, ein Bißchen Rammeley.
Die herrliche
Walpurgisnacht.
Die kommt uns übermorgen wieder,
Da weiß man doch warum man wacht.
Faust.
Rückt wohl der Schatz indessen in die Höh’?
Mephistopheles.
Du kannst die Freude bald erleben,
Das Kesselchen herauszuheben.
Ich schielte neulich so hinein,
Sind herrliche Löwenthaler drein.
Faust.
Meine liebe Buhle damit
zu zieren?
Mephistopheles.
Ich sah dabey wohl so ein Ding,
Als wie eine Art von Perlenschnüren.
Faust.
So ist es Recht! Mir thut es weh,
Mephistopheles.
Es sollt’ euch eben nicht verdrießen
Umsonst auch etwas zu genießen.
Jetzt da der Himmel voller Sterne glüht,
Sollt ihr ein wahres Kunststück hören:
Um sie gewisser zu bethören.
Singt zur Zither.
Was machst du mir
Vor Liebchens Thür,
Cathrinchen hier
Laß, laß es seyn!
Er läßt dich ein
Als Mädchen ein,
Als Mädchen nicht zurücke.
Ist es
vollbracht,
Dann gute Nacht
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Nur nichts zu
Lieb’,
Als mit dem Ring am Finger.
Valentin. tritt vor.
Wen lockst du hier? beym Element!
Vermaledeyter Rattenfänger!
Zum Teufel hinter drein
den Sänger!
Mephistopheles.
Die Zither ist entzwey! an der ist nichts zu halten.
Valentin..
Nun soll es an ein Schedelspalten!
Mephistopheles zu
Faust.
Herr Doctor, nicht gewichen! Frisch!
Heraus mit eurem
Flederwisch!
Nur zugestoßen! ich parire.
Valentin.
Parire den!
Mephistopheles.
Warum denn nicht?
Valentin.
Auch den!
Mephistopheles.
Gewiß!
Valentin.
Ich glaub’ der
Teufel ficht!
Mephistopheles zu Faust.
Stoß zu!
Valentin fällt.
O weh!
Mephistopheles.
Nun ist der
Lümmel zahm!
Nun aber fort! Wir müssen
gleich verschwinden:
Denn schon entsteht ein mörderlich Geschrey.
Ich weiß mich trefflich mit der Polizey,
Marthe am Fenster.
Heraus! Heraus!
Gretchen am Fenster.
Herbey ein Licht!
Marthe wie oben.
Man schilt und rauft, man schreit und ficht.
Volk.
Da liegt schon einer todt!
Marthe heraustretend.
Die Mörder sind sie denn entflohn?
Gretchen heraustretend.
Volk.
Deiner Mutter
Sohn.
Gretchen.
Allmächtiger! welche Noth!
Valentin.
Ich sterbe! das ist bald gesagt
Und bälder noch gethan.
Was steht ihr Weiber, heult und klagt?
Alle treten um ihn.
Mein Gretchen, sieh! du
bist noch jung,
Bist gar noch nicht gescheidt genung,
Machst deine Sachen schlecht.
Ich sag’ dir’s im Vertrauen nur:
So sey’s auch eben recht!
Gretchen.
Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?
Valentin.
Laß unsern Herr Gott aus dem Spaß!
Geschehn ist leider nun geschehn,
Du fingst mit Einem
heimlich an,
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
So hat dich auch die ganze Stadt.
Wird sie heimlich zur
Welt gebracht,
Und man zieht den Schleyer der Nacht
Ihr über Kopf und Ohren;
Ja, man möchte sie gern ermorden.
Dann geht sie auch bey
Tage bloß,
Und ist doch nicht schöner geworden.
Je häßlicher wird ihr Gesicht,
Je mehr sucht sie des Tageslicht.
Daß alle brave
Bürgersleut’
Wie von einer angesteckten Leichen,
Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen!
Sollst keine goldne Kette
mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn
In einem schönen Spitzenkragen
Dich nicht beym Tanze wohlbehagen!
Unter Bettler und Krüpel
dich verstecken,
Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht,
Auf Erden seyn vermaledeyt!
Marthe.
Befehlt eure Seele Gott zu Gnaden!
Valentin.
Könnt’ ich dir nur an den dürren Leib
Du schändlich kupplerisches Weib!
Da hofft’ ich aller meiner Sünden
Vergebung reiche Maß zu finden.
Gretchen.
Valentin..
Ich sage, laß die Thränen seyn!
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoß.
Ich gehe durch den Todesschlaf
stirbt.
[252]Amt, Orgel und Gesang.
Böser Geist.
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar trat’st,
Aus dem vergriffnen Büchelchen
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
Welche Missethat?
Bet’st du für deiner Mutter Seele? die
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief.
Auf deiner Schwelle wessen Blut?
Regt sich’s nicht
quillend schon,
Und ängstet dich und sich
Mit ahndungsvoller Gegenwart?
Gretchen.
Weh! Weh!
Die mir herüber und
hinüber gehen
Wider mich!
Chor.
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.
Orgelton.
Böser Geist.
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh’
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
Gretchen.
Wär’ ich hier weg!
Mir ist als ob die Orgel mir
Gesang mein Herz
Im Tiefsten lös’te.
Chor.
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Gretchen.
Mir wird so eng’!
Die Mauern-Pfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Böser Geist.
Verbirg’ dich! Sünd’ und Schande
Bleibt’ nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
Chor.
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
Böser Geist.
Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Schauert’s den Reinen.
Weh!
Chor.
Quid sum miser tunc dicturus?
Gretchen.
Nachbarin! Euer Fläschchen! –
Sie fällt in Ohnmacht.
[256]
Mephistopheles.
Ich wünschte mir den
allerderbsten Bock.
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.
Faust.
So lang’ ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,
Genügt mir dieser Knotenstock.
Im Labyrinth der Thäler
hinzuschleichen,
Dann diesen Felsen zu ersteigen,
Von dem der Quell sich ewig
sprudelnd stürzt,
Das ist die Lust, die solche Pfade würzt!
Und selbst die Fichte
fühlt ihn schon;
Sollt’ er nicht auch auf unsre Glieder wirken?
Mephistopheles.
Fürwahr ich spüre nichts davon!
Mir ist es winterlich im Leibe,
Wie traurig steigt die
unvollkommne Scheibe
Des rothen Monds mit später Gluth heran!
Und leuchtet schlecht, daß man bey jedem Schritte,
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
Dort seh’ ich eins, das
eben lustig brennt.
He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
Was willst du so vergebens lodern?
Sey doch so gut und leucht’ uns da hinauf!
Irrlicht.
Mein leichtes Naturell zu
zwingen;
Nur Zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.
Mephistopheles.
Ei! Ei! er denkt’s den Menschen nachzuahmen.
Geh er nur g’rad’, in’s Teufels Nahmen!
Irrlicht.
Ich merke wohl, ihr seyd der Herr vom Haus,
Und will mich gern nach euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,
Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weisen soll,
Faust, Mephistopheles,
Irrlicht im Wechselgesang.
In die Traum- und Zaubersphäre
Sind wir, scheint es, eingegangen.
Führ’ uns gut und mach’ dir Ehre!
Daß wir vorwärts bald gelangen,
Seh’ die Bäume hinter Bäumen,
Wie sie schnell vorüber rücken,
Und die Klippen, die sich bücken,
Und die langen Felsennasen,
Durch die Steine,
durch den Rasen
Eilet Bach und Bächlein nieder.
Hör’ ich Rauschen? hör’ ich Lieder?
Hör’ ich holde Liebesklage,
Was wir hoffen, was wir
lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wider.
Uhu! Schuhu! tönt es näher,
Sind sie alle wach
geblieben?
Sind das Molche durchs Gesträuche?
Lange Beine, dicke Bäuche.
Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
Strecken wunderliche
Bande,
Uns zu schrecken, uns zu fangen;
Aus belebten, derben Masern
Strecken sie Polypenfasern
Tausendfärbig, schaarenweise,
Durch das Moos und durch
die Heide!
Und die Funkenwürmer fliegen,
Mit gedrängten Schwärme-Zügen,
Aber sag’ mir ob wir stehen?
Oder ob wir weiter gehen?
Alles alles scheint zu drehen,
Fels und Bäume, die Gesichter
Die sich mehren, die sich
blähen.
Mephistopheles.
Fasse wacker meinen Zipfel!
Hier ist so ein Mittelgipfel,
Wo man mit Erstaunen sieht,
Faust.
Wie seltsam glimmert durch die Gründe
Ein morgenröthlich trüber Schein!
Und selbst bis in die tiefen Schlünde
Des Abgrunds wittert er hinein.
Hier leuchtet Glut aus
Dunst und Flor,
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,
Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
Hier schlingt sie eine ganze Strecke,
Und hier in der
gedrängten Ecke
Vereinzelt sie sich auf einmal.
Da sprühen Funken in der Nähe,
Wie ausgestreuter goldner Sand.
Entzündet sich die
Felsenwand.
Mephistopheles.
Erleuchtet nicht zu diesem Feste
Herr Mammon prächtig den Pallast?
Ein Glück daß du’s gesehen hast;
Faust.
Wie ras’t die Windsbraut durch die Luft!
Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!
Mephistopheles.
Du mußt des Felsens alte Rippen packen,
Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.
Höre wie’s durch die
Wälder kracht!
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
Hör’ es splittern die Säulen
Ewig grüner Palläste.
Der Stämme mächtiges
Dröhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
Im fürchterlich verworrenen Falle
Ueber einander krachen sie alle,
Zischen und heulen die
Lüfte.
Hörst du Stimmen in der Höhe?
In der Ferne in der Nähe?
Ja, den ganzen Berg entlang
Hexen im Chor.
Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.
Dort sammelt sich der große Hauf,
Herr Urian sitzt oben auf.
Es f – t[4] die
Hexe, es st – t[5] der
Bock.
Stimme.
Die alte Baubo kommt allein,
Sie reitet auf einem Mutterschwein.
Chor.
So Ehre dem, wem Ehre gebürt!
Ein tüchtig Schwein
und Mutter drauf,
Da folgt der ganze Hexenhauf.
Stimme.
Welchen Weg kommst du her?
Stimme.
Ueber’n
Ilsenstein!
Da guckt’ ich der Eule in’s Nest hinein.
Stimme.
O fahre zur
Hölle!
Was reit’st du so schnelle!
Stimme.
Mich hat sie geschunden,
Da sieh nur die Wunden!
Hexen Chor.
Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
Die Gabel sticht,
der Besen kratzt,
Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
Hexenmeister. Halbes Chor.
Wir schleichen wie die Schneck’ im Haus,
Die Weiber alle sind voraus.
Das Weib hat tausend
Schritt voraus.
Andre Hälfte.
Wir nehmen das nicht so genau,
Mit tausend Schritten macht’s die Frau;
Doch, wie sie sich auch eilen kann,
Stimme oben.
Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
Stimmen von unten.
Wir möchten gerne mit in die Höh’.
Wir waschen und blank sind wir ganz und gar;
Aber auch ewig unfruchtbar.
Beyde Chöre.
Der trübe Mond verbirgt
sich gern.
Im Sausen sprüht das Zauberchor
Viel tausend Feuerfunken hervor.
Stimme von unten.
Halte! Halte!
Stimme von oben.
Stimme unten.
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
Ich steige schon dreyhundert Jahr,
Und kann den Gipfel nicht erreichen
Ich wäre gern bey meines gleichen.
Beyde Chöre.
Die Gabel trägt, es
trägt der Bock,
Wer heute sich nicht heben kann,
Ist ewig ein verlorner Mann.
Halbhexe unten.
Ich tripple nach, so lange Zeit,
Ich hab’ zu Hause
keine Ruh,
Und komme hier doch nicht dazu.
Chor der Hexen.
Die Salbe giebt den Hexen Muth,
Ein Lumpen ist zum Segel gut
Der flieget nie, der
heut nicht flog.
Beyde Chöre.
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
So streichet an dem Boden hin,
Und deckt die Heide weit und breit
Sie lassen sich nieder.
Mephistopheles.
Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, sprüht und stinkt [ und brennt!
Ein wahres Hexenelement!
Wo bist du?
Faust in der Ferne.
Hier!
Mephistopheles.
Was! dort schon
hingerissen?
Da werd’ ich Hausrecht brauchen müssen.
Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!
Hier, Doctor, fasse mich! und nun, in Einem Satz,
Es ist zu toll, sogar für
meines gleichen.
Dort neben leuchtet was mit ganz besond’rem Schein,
Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.
Komm, komm! wir schlupfen da hinein.
Faust.
Ich denke doch das war
recht klug gemacht.
Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,
Um uns beliebig nun hieselbst zu isoliren.
Mephistopheles.
Da sieh nur welche bunten Flammen!
Im Kleinen ist man nicht
allein.
Faust.
Doch droben möcht’ ich lieber seyn!
Schon seh’ ich Glut und Wirbelrauch.
Dort strömt die Menge zu
dem Bösen;
Mephistopheles.
Doch manches Räthsel knüpft sich auch.
Laß du die große Welt nur sausen,
Wir wollen hier im Stillen hausen.
Es ist doch lange hergebracht,
Da seh’ ich junge Hexchen
nackt und blos,
Und alte die sich klug verhüllen.
Seyd freundlich, nur um meinetwillen,
Die Müh’ ist klein, der Spaß ist groß.
Verflucht Geschnarr! Man
muß sich dran gewöhnen.
Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders seyn,
Ich tret’ heran und führe dich herein,
Und ich verbinde dich aufs neue.
Da sieh nur hin! du
siehst das Ende kaum.
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
Man tanzt, man schwazt, man kocht, man trinkt, man liebt;
Nun sage mir, wo es was bessers giebt?
Faust.
Als Zaub’rer oder Teufel
produziren?
Mephistopheles.
Zwar bin ich sehr gewohnt incognito zu gehn;
Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.
Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,
Siehst du die Schnecke
da? sie kommt herangekrochen;
Mit ihrem tastenden Gesicht
Hat sie mir schon was abgerochen.
Wenn ich auch will, verläugn’ ich hier mich nicht.
Ich bin der Werber und du bist der Freyer.
zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen.
Ihr alten Herrn, was macht
ihr hier am Ende?
Ich lobt’ euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände,
Von Saus umzirkt und Jugendbraus;
General.
Wer mag auf Nationen trauen!
Man habe noch so viel für sie gethan;
Denn bey dem Volk, wie bey
den Frauen,
Steht immerfort die Jugend oben an.
Minister.
Ich lobe mir die guten
Alten;
Denn freylich, da wir alles galten,
Da war die rechte goldne Zeit.
Parvenü.
Wir waren wahrlich auch nicht dumm,
Doch jetzo kehrt sich
alles um und um,
Und eben da wir’s fest erhalten wollten.
Autor.
Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift
Von mäßig klugem Inhalt lesen!
Das ist noch nie so
naseweis gewesen.
Mephistopheles.
auf einmal sehr alt erscheint.
Zum jüngsten Tag fühl’ ich
das Volk gereift;
Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige,
Und, weil mein Fäßchen
trübe läuft;
Trödelhexe.
Ihr Herren geht nicht so vorbey!
Laßt die Gelegenheit nicht fahren!
Aufmerksam blickt nach meinen Waaren,
Es steht dahier gar mancherley.
Dem keiner auf der Erde
gleicht,
Das nicht einmal zum tücht’gen Schaden
Der Menschen und der Welt gereicht.
Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,
Verzehrend heißes Gift
ergossen.
Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib
Verführt, kein Schwerdt das nicht den Bund gebrochen,
Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen.
Mephistopheles.
Gethan geschehn! Geschehn
gethan!
Verleg’ sie sich auf Neuigkeiten,
Nur Neuigkeiten ziehn uns an.
Faust.
Daß ich mich nur nicht selbst vergesse!
Mephistopheles.
Der ganze Strudel strebt nach oben;
Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben.
Faust.
Wer ist denn das?
Mephistopheles.
Betrachte sie
genau!
Lilith ist das.
Faust.
Wer?
Mephistopheles.
Adams erste
Frau.
Vor diesem Schmuck, mit
dem sie einzig prangt.
Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,
So läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren.
Faust.
Da sitzen zwey, die alte mit der jungen;
Mephistopheles.
Das hat nun heute keine Ruh.
Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.
Faust mit der jungen tanzend.
Einst hatt’ ich einen schönen Traum;
Da sah ich einen Apfelbaum,
Sie reizten mich, ich
stieg hinan.
Die Schöne.
Der Aepfelchen begehrt ihr sehr
Und schon vom Paradiese her.
Von Freuden fühl’ ich mich bewegt,
Mephistopheles mit der Alten.
Einst hatt’ ich einen wüsten Traum;
Da sah ich einen gespaltnen Baum,
Der hatt’ ein – – –[6];
So – [7] es
war, gefiel mir’s doch.
Die Alte.
Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
Halt’ er einen – –[8] bereit,
Wenn er – – –[9] nicht
scheut.
Brocktophantasmist.
Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?
Ein Geist steht nie auf
ordentlichen Füßen;
Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!
Die Schöne tanzend.
Was will denn der auf unserm Ball?
Faust tanzend.
Ey! der ist eben überall.
Kann er nicht jeden
Schritt beschwätzen;
So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.
Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn.
Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,
Das hieß er allenfalls
noch gut;
Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.
Brocktophantasmist.
Ihr seyd noch immer da! nein das ist unerhört.
Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!
Wir sind so klug und
dennoch spukt’s in Tegel.
Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt
Und nie wird’s rein, das ist doch unerhört!
Die Schöne.
So hört doch auf, uns hier zu ennuyiren!
Brocktophantasmist.
Den Geistesdespotismus
leid’ ich nicht;
Mein Geist kann ihn nicht exerziren.
es wird fortgetanzt.
Heut, seh’ ich, will mir
nichts gelingen,
Doch eine Reise nehm’ ich immer mit
Die Teufel und die
Dichter zu bezwingen.
Mephistopheles.
Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen,
Das ist die Art wie er sich soulagirt,
Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergötzen,
zu Faust der aus dem Tanz getreten ist.
Was lässest du das schöne
Mädchen fahren?
Das dir zum Tanz so lieblich sang.
Faust.
Ach! mitten im Gesange sprang
Ein rothes Mäuschen ihr aus dem Munde.
Mephistopheles.
Genug die Maus war doch
nicht grau.
Wer fragt darnach in einer Schäferstunde?
Faust.
Dann sah’ ich –
Mephistopheles.
Was?
Faust.
Mephisto siehst
du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie scheint mit
geschloßnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir däucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.
Mephistopheles.
Laß das nur stehn! dabey wird’s niemand wohl.
Ihm zu begegnen, ist
nicht gut,
Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
Und er wird fast in Stein verkehrt;
Von der Meduse hast du ja gehört.
Faust.
Die eine liebende Hand
nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.
Mephistopheles.
Das ist die Zauberey, du leicht verführter Thor!
Faust.
Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.
Wie sonderbar muß diesen schönen Hals
Ein einzig rothes Schnürchen schmücken,
Mephistopheles.
Ganz recht! ich seh’ es ebenfalls.
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
Denn Perseus hat’s ihr
abgeschlagen.
Nur immer diese Lust zum Wahn!
Hier ist’s so lustig wie
im Prater;
Und hat man mir’s nicht angethan,
So seh’ ich wahrlich ein Theater.
Was giebt’s denn da?
Servibilis.
Gleich fängt man
wieder an.
Soviel zu geben ist
allhier der Brauch.
Ein Dilettant hat es geschrieben,
Und Dilettanten spielen’s auch.
Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verschwinde;
Mephistopheles.
Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde,
Das find’ ich gut; denn da gehört ihr hin.
[280]
[281] Heute ruhen wir
einmal,
Miedings wackre Söhne.
Das ist die
ganze Scene!
Herold.
Daß die Hochzeit golden sey
Soll’n funfzig Jahr seyn vorüber;
Aber ist der Streit vorbey,
Oberon.
Seyd ihr Geister wo ich bin,
So zeigt’s in diesen Stunden;
König und die Königinn,
Sie sind auf’s neu verbunden.
Puck.
Hundert kommen
hinterher,
Sich auch mit ihm zu freuen.
Ariel.
Ariel bewegt den Sang
Viele Fratzen
lockt sein Klang,
Doch lockt er auch die Schönen.
Oberon.
Gatten die sich vertragen wollen,
Lernen’s von uns beyden!
Braucht man sie
nur zu scheiden.
Titania.
Schmollt der Mann und grillt die Frau,
So faßt sie nur behende,
Führt mir nach dem Mittag Sie
Fortissimo.
Das sind die
Musikanten!
Solo.
Es ist die
Seifenblase,
Hört den Schneckeschnickeschnack
Durch seine stumpfe Nase.
Geist der sich erst bildet.
Spinnenfuß und Krötenbauch
Zwar ein
Thierchen giebt es nicht,
Doch giebt es ein Gedichtchen.
Ein Pärchen.
Kleiner Schritt und hoher Sprung
Durch Honigthau und Düfte;
Doch geht’s
nicht in die Lüfte.
Neugieriger Reisender.
Ist das nicht Maskeraden-Spott?
Soll ich den Augen trauen?
Oberon den schönen Gott
Keine Klauen,
keinen Schwanz!
Doch bleibt es außer Zweifel,
So wie die Götter Griechenlands,
So ist auch er ein Teufel.
Nordischer Künstler.
Fürwahr nur
skizzenweise;
Doch ich bereite mich bey Zeit
Zur Italiän’schen Reise.
Purist.
Ach! mein Unglück führt mich her.
Und von dem
ganzen Hexenheer
Sind zweye nur gepudert.
Junge Hexe.
Der Puder ist so wie der Rock
Für alt’ und graue Weibchen,
Und zeig’ ein
derbes Leibchen.
Matrone.
Doch hoff’ ich,
sollt ihr jung und zart,
Capellmeister.
Fliegenschnauz’ und Mückennas’
Umschwärmt mir nicht die Nackte!
Frosch im Laub’ und Grill’ im Gras’
So bleibt doch auch im Tacte!
nach der einen Seite.
Wahrhaftig
lauter Bräute!
Und Junggesellen, Mann für Mann,
Die hoffnungsvollsten Leute.
nach der andern Seite.
So will ich mit
behendem Lauf
Gleich in die Hölle springen.
Xenien.
Nach Würden zu
verehren.
Hennings.
Seht! wie sie in gedrängter Schaar
Naiv zusammen scherzen.
Am Ende sagen sie noch gar,
Musaget.
Ich mag in diesem Hexenheer
Mich gar zu gern verlieren;
Denn freylich diese wüßt’ ich eh’r,
Als Musen anzuführen.
Ci-devant Genius der Zeit.
Komm fasse
meinen Zipfel!
Der Blocksberg, wie der deutsche Parnaß,
Hat gar einen breiten Gipfel.
Neugieriger Reisender.
Sagt wie heißt der steife Mann?
”Er spürt nach
Jesuiten.“
Kranich.
In dem Klaren mag ich gern
Und auch im Trüben fischen,
Sich auch mit
Teufeln mischen.
Weltkind.
Ja für die Frommen, glaubet mir,
Ist alles ein Vehikel,
Sie bilden auf dem Blocksberg hier
Tänzer.
Da kommt ja wohl ein neues Chor?
Ich höre ferne Trommeln.
Nur ungestört! es sind im Rohr
Die unisonen Dommeln.[10]
Dogmatiker.
Ich lasse mich nicht irre schreyn,
Nicht durch Critik noch Zweifel.
Die Phantasie
in meinem Sinn
Ist dießmal gar zu herrisch.
Fürwahr, wenn ich das alles bin,
Realist.
Das Wesen ist mir recht zur Qual
Und muß mich baß verdrießen;
Ich stehe hier zum erstenmal
Nicht fest auf meinen Füßen.
Supernaturalist.
Und freue mich
mit diesen;
Denn von den Teufeln kann ich ja
Auf gute Geister schließen.
Skeptiker.
Sie gehn den Flämmchen auf der Spur,
Auf Teufel
reimt der Zweifel nur,
Da bin ich recht am Platze.
Capellmeister.
Ihr seyd doch
Musikanten!
Die Gewandten.
Sanssouci so heißt das Heer
Von lustigen Geschöpfen,
Auf den Füßen geht’s nicht mehr,
Die Unbehülflichen.
Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt,
Nun aber Gott befohlen!
Unsere Schuhe sind durchgetanzt,
Wir laufen auf nackten Sohlen.
Irrlichter.
Woraus wir erst
entstanden;
Doch sind wir gleich im Reihen hier
Die glänzenden Galanten.
Sternschnuppe.
Aus der Höhe schoß ich her
Die Massiven.
Platz und Platz! und ringsherum!
So gehn die Gräschen nieder,
Sie haben
plumpe Glieder.
Puck.
Tretet nicht so mastig auf
Wie Elephantenkälber,
Und der plumpst’ an diesem Tag
Ariel.
Gab die liebende Natur
Gab der Geist euch Flügel,
Folget meiner leichten Spur,
Auf zum Rosenhügel!
pianissimo.
Erhellen sich
von oben.
Luft im Laub und Wind im Rohr,
Faust.
Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missethäterinn im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräthrischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! wälze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! [292] Und mich wiegst du indeß in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hülflos verderben!
Sie ist die erste
nicht.
Hund! abscheuliches Unthier! – Wandle ihn, du unendlicher Geist! wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nächtlicher Weise gefiel vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wandrer vor die Füße zu kollern und sich dem niederstürzenden auf die Schultern zu hängen. Wandl’ ihn wieder in seine Lieblingsbildung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Füßen trete, den Verworfnen! – die erste nicht! – Jammer! Jammer! von keiner Menschenseele zu fassen, daß mehr als ein Geschöpf in die Tiefe dieses Elendes versank, daß nicht das erste genugthat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnoth vor den Augen des ewig Verzeihenden! Mir wühlt es Mark und Leben durch das Elend dieser einzigen, du grinsest gelassen über das Schicksal von Tausenden hin.
Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres Witzes, [293] da, wo euch Menschen der Sinn überschnappt. Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?
Faust.
Fletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen! Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden? der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?
Mephistopheles.
Endigst du?
Faust.
Rette sie! oder weh dir! den gräßlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!
Mephistopheles.
Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen. – Rette sie! – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?
Faust blickt wild umher.
Mephistopheles.
Greifst du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden [294] Sterblichen nicht gegeben ward! Den unschuldig entgegnenden zu zerschmettern, das ist so Tyrannen-Art, sich in Verlegenheiten Luft zu machen.
Faust.
Bringe mich hin! Sie soll frey seyn!
Mephistopheles.
Und die Gefahr der du dich aussetzest? Wisse, noch liegt auf der Stadt
Blutschuld von deiner Hand. Ueber des Erschlagenen Stätte schweben rächende
Geister und lauern auf den wiederkehrenden Mörder.
Faust.
Noch das von dir? Mord und Tod einer Welt über dich Ungeheuer! Führe
mich hin, sag’ ich, und befrey sie!
Mephistopheles.
Ich führe dich und was ich thun kann, höre! Habe ich alle Macht im
Himmel und auf Erden? Des Thürners Sinne will ich umnebeln, bemächtige dich
der Schlüssel und führe sie heraus mit Menschenhand. Ich wache! die
Zauberpferde sind bereit, ich entführe euch. Das vermag ich!
Faust.
Auf und davon!
Faust.
Was weben die dort um den Rabenstein?
Mephistopheles.
Faust.
Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich.
Mephistopheles.
Eine Hexenzunft.
Faust.
Sie streuen und weihen.
Mephistopheles.
Vorbey! Vorbey!
Faust, mit einem Bund Schlüssel und einer Lampe, vor einem
eisernen Thürchen.
Der Menschheit ganzer
Jammer faßt mich an.
Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer,
Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn!
Du zauderst zu ihr zu gehen!
er ergreift das Schloß. Es singt inwendig.
Die mich
umgebracht hat!
Mein
Schwesterlein klein
Hub auf die Bein,
An einem kühlen Ort;
Da ward ich ein schönes Waldvögelein,
Faust aufschließend.
Sie ahndet nicht, daß der Geliebte lauscht,
er tritt ein.
Weh! Weh! Sie kommen.
Bittrer Tod!
Faust leise.
Still! Still! ich komme, dich zu befreyen.
Margarete sich vor ihn hinwälzend.
Faust.
er faßt die Ketten, sie aufzuschließen.
Wer hat dir Henker diese
Macht
sie steht auf.
Bin ich doch noch so
jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Zerrissen liegt der
Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab’ ich dir gethan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Faust.
Werd’ ich den Jammer überstehen!
Margarete.
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt’ es diese ganze Nacht;
Und sagen nun, ich hätt’
es umgebracht.
Ein altes Mährchen endigt
so,
Faust wirft sich nieder.
Ein Liebender liegt dir zu Füßen
Die Jammerknechtschaft aufzuschließen.
Margarete wirft sich zu ihm.
O laß uns knien die Heil’gen anzurufen!
Sieh! unter diesen Stufen,
Siedet die Hölle!
Der Böse,
Mit furchtbarem Grimme,
Macht ein Getöse!
Faust laut.
Margarete aufmerksam.
Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.
Wo ist er? ich hab’ ihn
rufen hören.
Ich bin frey! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich
fliegen,
Er rief Gretchen! Er
stand auf der Schwelle.
Mitten durch’s Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn,
Erkannt’ ich den süßen, den liebenden Ton.
Faust.
Margarete.
Du bist’s! O sag’
es noch einmal!
ihn fassend.
Wohin die Angst des
Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst mich zu retten.
Ich bin gerettet! –
Auf der ich dich zum
erstenmale sah.
Und der heitere Garten,
Wo ich und Marthe deiner warten.
Faust fortstrebend.
O weile
liebkosend.
Eile!
Wenn du nicht eilest,
Werden wir’s theuer büßen müssen.
Margarete.
Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Und hast’s Küssen
verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang,
Küsse mich!
Sie umfaßt ihn.
Sind stumm.
sie wendet sich von ihm.
Komm! Folge mir! Liebchen
fasse Muth!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut,
Margarete zu ihm gewendet.
Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?
Faust.
Ich bin’s! Komm mit!
Margarete.
Du machst die
Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoos.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust? –
Faust.
Komm! komm! schon weicht die tiefe Nacht.
Margarete.
Meine Mutter hab’ ich umgebracht,
Mein Kind hab’ ich ertränkt.
Gieb deine Hand! Es ist
kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich däucht
Ist Blut dran.
Stecke den Degen ein,
Ich bitte dich drum!
Faust.
Laß das Vergang’ne vergangen seyn,
Du bringst mich um.
Margarete.
Ich will dir die Gräber
beschreiben,
Für die mußt du sorgen
Gleich morgen;
Der Mutter den besten Platz geben,
Mich ein wenig bey Seit’,
Nur nicht gar zu weit!
Und das Kleine mir an die rechte Brust.
Das war ein süßes, ein
holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen,
Mir ist’s als müßt’ ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück.
Faust.
Fühlst du daß ich es bin, so komm!
Margarete.
Dahinaus?
Faust.
In’s Freye.
Margarete.
Ist das Grab
drauß’,
Lauert der Tod; so komm!
Und weiter keinen Schritt
–
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt’ ich mit!
Faust.
Du kannst! So wolle nur! die Thür steht offen.
Margarete .
Es ist so elend betteln
zu müssen,
Und noch dazu mit bösem Gewissen!
Es ist so elend in der Fremde schweifen
Und sie werden mich doch ergreifen!
Faust.
Margarete.
Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind.
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es zappelt noch,
Besinne dich doch!
Nur einen Schritt, so bist du frey!
Margarete.
Da sitzt meine Mutter auf
einem Stein,
Es faßt mich kalt beym Schopfe!
Da sizt meine Mutter auf einem Stein
Und wackelt mit dem Kopfe;
Sie schlief so lange, sie
wacht nicht mehr.
Sie schlief damit wir uns freuten.
Es waren glückliche Zeiten!
Faust.
Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen;
Margarete.
Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab’ ich dir ja alles zulieb gethan.
Faust.
Mein Hochzeittag sollt’
es seyn!
Sag Niemand daß du schon bey Gretchen warst.
Weh meinem Kranze!
Es ist eben geschehn!
Aber nicht beym Tanze.
Die Menge drängt sich, man hört sie nicht.
Der Platz, die Gassen
Können sie nicht fassen.
Wie sie mich binden und
packen!
Zum Blutstuhl bin ich schon entrückt.
Schon zuckt nach jedem Nacken
Die Schärfe die nach meinem zückt.
Faust.
O wär’ ich nie geboren!
Mephistopheles erscheint draußen.
Meine Pferde schaudern,
Margarete.
Was steigt aus dem Boden herauf?
Der! der! Schicke ihn fort!
Was will der an dem heiligen Ort?
Er will mich!
Faust.
Du sollst leben!
Margarete.
Mephistopheles zu Faust.
Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.
Margarete.
Dein bin ich, Vater! Rette mich!
Ihr Engel! Ihr heiligen Schaaren,
Lagert euch umher, mich zu bewahren!
Mephistopheles.
Stimme von oben.
Ist gerettet!
Mephistopheles zu Faust.
Her zu mir!
Stimme von innen,
verhallend.
Heinrich! Heinrich!